Die Konstruktionsfehler des “Sicherheits- und Überwachungsstaats”
Was Scharfmacher wie Hans-Peter Uhl (CSU) und Wolfgang Bosbach (CDU) in der Sicherheitsdebatte kontinuierlich falsch machen – und deren Gegner ebenso.
Sicherheit ist derzeit das ultimative Dauerargument der Politik. Dabei zeigt sich verblüffenderweise, daß – aus meiner Sicht als IT-Sicherheitsprofi – ausgerechnet die, die am meisten von Sicherheit reden, eigentlich nicht verstanden haben, was Sicherheit ist. Und deshalb dummes Zeug reden.
Erstaunlicherweise gilt das für deren Gegner, die sich in der gleichen Weise als Verteidiger der Freiheit aufspielen, wie die Gegenseite sich als Verteidiger der Sicherheit gerieren, letztlich genauso. Denn obwohl gerade diese vorgeben, mit Sicherheit gar nichts am Hut zu haben, betreiben sie letztlich auch eine Sicherheitsdebatte, nur mit einem anderen Sicherheitsziel, nämlich die Anonymität und Unverfolgbarkeit zu schützen. Und machen dabei die gleichen Fehler.
Sicherheit heißt nämlich keineswegs, sich irgendein Ziel – ob nun die vermeintliche Personensicherheit oder die Anonymität im Netz – auszusuchen und das verbissen bis in den Tod zu verteidigen. Sowas nennt man Krieg führen. Das ist was anderes.
Sicherheit ist – wenn man sie sachlich, distanziert und professionell betreibt – bemerkenswerterweise nämlich eine Optimierungsaufgabe. Auf der einen Seite hat man die Kosten der Unsicherheit, also des Schadens, den ein Angreifer anrichtet. Auf der anderen Seite hat man die Kosten der Sicherheit, sowohl als positive Kosten für Sicherheitsmechanismen, als auch als Nebenkosten durch Einschränkungen, die damit einhergehen. Sicherheit ist (nach meiner Definition), die Gesamtkosten zu optimieren, indem man entscheidungstheoretisch und spieltheoretisch (wegen des aktiven Gegners) aus der Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Maßnahmen (zu der übrigens auch die kanonische Sicherheits-Maßnahme gehört, gar nichts zu tun) so auswählt, daß die Gesamtkosten minimal sind. Und dazu gehört eben auch, Angriffe und Schäden in Kauf zu nehmen – wenn das die billigste Variante ist.
- Politier wie Uhl und Bosbach wollen nun die Kosten durch Angriffsschäden reduzieren, ohne auf die anderen Kosten durch die Sicherheit selbst zu achten.
- Deren Gegner wollen die Nebenkosten (Verlust von Anonymität) niedrig halten, ohne auf die anderen Kosten zu achten.
Offensichtlich beides Mist.
Wie man es richtig macht, kann man beispielsweise bei der Luftfahrtindustrie lernen. In der zivilen Luftfahrt werden Personenschäden durch Todesfälle mit einem bestimmten Geldbetrag als Schaden kalkuliert. Und Sicherheitslücken (auch bei der Safety, nicht nur der Security) erst dann geflickt, wenn die Personen- und Sachschäden über dem Aufwand liegen, sie zu vermeiden.
Das mag sich nun kalt und zynisch anhören, aber das Leben ist nunmal nicht risikolos. Jeder kann heute noch sterben, an Krankheit, Unfall, Gewalt, Zufall. Die Ansicht des garantierten unantastbaren Lebens ist romantisch, aber falsch.
Dazu einige Überlegungen:
- Rauchen
- Daß Rauchen tötet, ist bekannt. Jedes Jahr soundsoviel tausend Tote. Trotzdem nehmen wir es gesellschaftlich in Kauf.
- Straßenverkehr
- Der Straßenverkehr an sich ist gefährlich. Wir haben mehr Tote durch den Straßenverkehr als durch Terrorismus. Trotzdem käme niemand auf die Idee, den Straßenverkehr abzuschaffen.
Wir haben sogar mehr Tote durch Unfälle mit Unfallflucht als durch Internet-Terrorismus. Trotzdem fordert niemand, daß jede Autonutzung einzeln registriert wird. Internetnutzung soll aber registriert werden.
- Alkohol am Steuer
- Alkohol und andere Drogen am Steuer sind eine signifikate Todesursache. Man könnte quasi kostenlos die Verkehrstotenquote – insbesondere der Leute, die es unschuldig trifft – signifikant senken, indem man eine 0-Promille-Grenze mit drastischen Strafen einführt. Das wäre nicht nur billiger, sondern auch bezüglich der geretteten Leben viel effektiver als den Terrorismus zu bekämpfen. Trotzdem macht man es nicht, weil das Saufen – besonders bei Politikern – als Kulturgut angesehen wird, als Umsatzfaktor der Industrie gilt und man die Wut der Wähler fürchtet.
Wie aber kommt es, daß man in CDU und CSU Tote durch besoffene Fahrer soviel leichter akzeptiert als Tote durch Terrorismus, obwohl es davon viel mehr gibt und es viel einfacher zu bekämpfen wäre?
- Hohe Geschwindigkeit
- Man könnte ebenfalls auf recht einfache Weise viele Menschenleben retten, indem man die Höchstgeschwindigkeit auf 130, 120 oder gar 100 senkt. Auch da hat man aber wieder die Industrie und die parteitypischen Wähler gegen sich. Also nimmt man solche Toten gerne in Kauf, und bewertet sie seltsamerweise so ganz anders als Tote durch Terrorismus.
Ein wesentlicher Fehler ist also, Terrorismustote so ganz anders zu bewerten als andere unschuldig getroffene Tote.
Würde es den Leuten wirklich um Sicherheit gehen (und hätten sie Ahnung davon), dann würde es ihnen nicht spezifisch um Terrorismus, sondern um alle Todesursachen gehen, bei denen man ohne eigene Schuld sterben kann. Diese Ursachen würde man danach sortieren, wo der größte Schaden entsteht und wo man mit den geringsten Kosten am meisten bewirken kann. Und dabei würde vermutlich herauskommen, daß der Terrorismus in der Rangliste der Todesursachen ganz weit hinten steht, während die Abwehrkosten extrem hoch sind.
Die sicherheitstechnisch richtige Strategie wäre also zu sagen, Leute, Terrorismus ist böse, aber überbewertet. Wir kümmern uns erst mal um die anderen Todesursachen, wo man weit mehr erreichen kann, und nehmen bis dahin einfach in Kauf, daß man an Terrorismus sterben kann. Wir errechnen eine akzeptable Rate von x Toten durch Terrorismus pro Jahr (x=500 ?), so wie wir auch beim Straßenverkehr, Saufen, Fliegen, Hausbau usw. jedes Jahr ein paar Tote in Kauf nehmen. Weil das Leben an sich nunmal lebensgefährlich ist. Und wer durch eine Bombe stirbt hat ungefähr so ähnlich Pech gehabt wie der, der auf dem Zebrastreifen überfahren wird. Und wenn x überschritten wird, dann greifen folgende Maßnahmen:… Heißt im Klartext erst einmal: Solange er sich in Grenzen hält, nehmen wir Terrorismus einfach in Kauf. Es sterben ohnehin jedes Jahr soviele Menschen in Deutschland, da kommt’s auf 100 mehr oder weniger durch eine Bombe, einen Anschlag oder ein Schulmassaker auch nicht mehr an. Dafür retten wir 500 an anderer Stelle, denen die Betroffenheitsheuchler sonst keine Beachtung mehr schenken.
So würde ich mir die Sicherheitsdebatte gefallen lassen und sie für richtig halten.
Ebenso müßten aber auch die Gegner vorgehen. Anonymität ist für uns ein hohes Gut, dem wir einen gewissen Wert beimessen. Wir nehmen diesen und jenen Schaden gesellschaftlich dafür bewußt in Kauf (und gegeben Anonymität nicht etwa als Heiligtum per se aus). Anonymität, Pseudonyme, Datenschutz im Netz sollten uns pro Jahr soundsoviele Menschenleben und soundsoviele Euro Schaden wert sein – den die Gesellschaft dann auch trägt. Dann muß man allerdings Farbe bekennen und sagen, wieviel Tote und wieviel Schaden man sich leisten will, und dann auch loslassen, wenn diese Grenze überschritten wird.
Und genauso sollte man auch mit den brennenden Autos in Berlin umgehen. Solange man da keine flächendeckende Überwachung durch Kameras, Polizei usw. haben will, muß man den Schaden durch Autos gegenüber den Kosten der Sicherheit aufwiegen – und sie aus der Allgemeinheit bezahlen. Würden nämlich die Kosten durch brennende Autos auf alle Berliner umgelegt, solange das billiger ist als zu überwachen, würde übrigens die linksextremistische Motivation unterlaufen. Stellt Euch vor, man würde einfach von jedem Berliner pro Jahr 25 Euro Brandstiftungsabgabe kassieren, um den Schaden zu sozialisieren, statt mit hunderten Polizisten und Hubschraubern RemmiDemmi zu veranstalten (und deren Kosten in allgemeinen Steuern verstecken). Relativ schnell würde die Brandstiftung ad absurdum laufen und ihre linke Akzeptanz verlieren.
42 Kommentare (RSS-Feed)
der artikel trifft den nagel auf den kopf.
Das deckt sich ungefähr mit dem, was ich in einer (Nebenfach-)Vorlesung über Verkehrssicherheit gehört habe. Ein Unternehmen vergleicht üblicherweise die Kosten im Schadensfall mit den Investionskosten in die Sicherheit. Falls die Investionskosten höher sind, wird eben nicht in Sicherheit investiert. Außerdem gibt es einen abnehmenden Ertrag, also je mehr ein Unternehmen in Sicherheit investiert, desto weniger erhöht sich das hinzugewonnene Sicherheitsniveau.
Ich befürchte allerdings, dass die Mehrheit der Menschen für eine solche Diskussion nicht reif ist, dazu herrscht viel zu sehr die Einstellung vor, dass ein Menschenleben ja “unbezahlbar” und keinesfalls Objekt einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation sein sollte. Als der Dozent in jener Vorlesung die Formel zur Gewichtung von Personenschäden erläuterte (Schaden = Tote + Schwerverletzte/10 + Leichtverletzte/100), gingen da erstmal ein paar Augenbrauen hoch.
Das entlarvt außerdem natürlich auch die ganzen Beteuerungen der Politiker, die immer nach einem Ereignis (Terrorsanschlag, Unglück mit vielen Toten, etc.) verlautbaren, dass “alles nur Erdenkliche getan werden muss, damit so etwas nicht noch einmal geschieht”. Alles können wir uns gar nicht leisten…
Man sollte allerdings noch anmerken, dass die Faktenlage relativ klar ist:
* Linksextremismus: Ein paar angezündete Autos, ab und an Notwehr gegenüber Polizisten (in den Verfassungsberichten versuchter Totschlag genannt)
* Rechtsextremismus: Zwei ermordete pro Jahr
* islamistisch motivierter Terrorismus: Nur bei staatlich finanzierten V-Männern vorhanden
* Chance durch einen Blitzschlag zu sterben: ca. 10 Menschen pro Jahr, also unendlich viel mehr als durch Links- oder Islamterroristen
Ansonsten bin ich der Meinung, dass es in der gesellschaftlichen Debatte eben nicht um Sicherheit geht, weshalb ich auch meine das Deine Argumente – die um Sicherheit gehen – an den Problemen der Realität vorbeigeht.
Ich denke es geht einfach nur um Angst vor allem vor Veränderung.
Danke für diesen klugen Kommentar.
Für mich sind noch zwei Dinge beim Terrorismus wichtig:
Erstens, es handelt sich im Moment um eine abstrakte Gefahr, bei einem Terroranschlag getötet zu werden. In Deutschland ist daran bisher (seit dem 11. September) keiner gestorben. (Was natürlich anders aussieht, wenn es passiert, was das Argument in gewisser Hinsicht relativiert).
Zweitens, der Terror lebt von der Angst. Das heißt, die Sicherheitsmaßnahmen und Einschränkungen, die wir uns auferlegen sind eigentlich “Siege” des Terrors.
So, nun nochmal zwei Anmerkungen: Es ist ja nicht so, als würden die Sicherheitsbehörden nichts tun. Sie sind ja da, nur die (Sicherheits-)Kosten werden in die Höhe getrieben.
Eine Sache, die ich mir immer wieder vor Augen halte, ist, dass die allermeisten Toten durch den islamistischen Terror Muslime sind. Auch die sekundären Effekte wie Islamfeindlichkeit treffen wieder die Muslime.
Es wäre hierbei noch anzumerken, dass die Kosten der Sicherheit vielfach schwer einzuschätzen oder zu messen sind.
Klar, Tote/Verletzte durch Terrorismus etc. kann man einfach zählen und die Kosten zum Aufbau und Unterhalt der “Sicherheit” sofern sie in irgendeiner Bilanz auftauchen lassen sich noch leicht berechnen, aber die sekundären und noch weiter indirekteren Auswirkungen, wie Selbstzensur, Machtmissbrauch, Korruption (um einige zu nennen) sind nur sehr schwer zu messen.
(Schein)demokratie und Rechtsstaat haben in der Praxis leider nur sehr wenig mit Freiheit und Sicherheit gemeinsam. Man braucht nur die Nachrichten innerhalb der EU der letzten Wochen durchzusehen. Interessant ist hier nebenbei, dass Sicherheit auch eine Definitionsfrage ist.
Die Freiheit des einzelnen, die eben die der anderen nicht beeinflusst, ist nur sehr klein. Leider ist das Macht/Freiheitsoptimum auf der regulierenden Seite das Gegenteil der (allgemeinen) Freiheit. Was ja auch der Grund ist, dass sich immer wieder Diktaturen bilden.
Die Geschichte hat das ja schon sehr oft empirisch bewiesen. (Entscheidungs-)Freiheitsentzug ist in der Vergangenheit fast immer eine Einbahnstraße gewesen.
Daher bleibt ja nur die Option übrig den Fehler bei der Berechnung des Sicherheitsoptimums den Fehlerbereich zugunsten der Freiheit auszulegen und ich denke der Fehler in diesem Bereich durchaus ein signifikanter Faktor.
Schöne Abwägung. Leider völlig am Ziel vorbei. Du adressierst Leute, die nicht komplett auf FUD reinfallen.
Populismus (egal ob von CSU oder Linke) funktioniert aber immer über FUD. Und da jeder Hanswurst damit Karriere machen kann, dürfte bewiesen sein, dass eben >95% der Allgemeinbevölkerung zu FUD-sensitiv ist als dass sie rationale Verantwortung für ihre eigenes Leben übernehmen könnten (geschweige denn für das Schicksal der von ihren falschen Wahlentscheidungen betroffenen Opfern).
@karbau: Ich adressiere die Leser dieses Blogs. Und das sind nur die allerbesten, völlig immun gegen FUD.
Warum sich Politiker eher gegen Terrorismus wenden als gegen Verkehrstote, ist doch klar.
1. Verkehrstote sind eine notwendige Folge der Mobilität. Die meisten Menschen verstehen Konzepte wie “Wahrscheinlichkeit” oder “relative Abnahme” nicht. Wenn ein Tempolimit eingeführt würde, würden sie denken, dass man ihnen ihren Spaß nehmen will, *obwohl* weiterhin Menschen im Verkehr sterben. Dass das weniger wären, können die meisten aus irgendeinem Grund nicht verarbeiten.
2. Terroristmus ist ein sehr emotionales Thema und Propaganda liebt solche Themen, vor allem, wenn die Emotion Angst heißt und etwas Unvernünftiges verkauft werden soll.
3. Terroristen tun etwas, was allen Politikern denn Kamm schwellen lässt: Sie üben Macht aus. Das können Politiker gar nicht ab. Nach ihrer Vorstellung sind sie die einzigen, die Macht besitzen dürfen. Da können Politiker schonmal zu Kapitän Ahab werden.
4. Maßnahmen gegen Terrorismus sind meist auch Maßnahmen gegen die freiheitliche Grundordnung und Demokratie, und wie wir wissen, findet nur die jeweige Opposition Demokratie gut, Regierungen möchten am liebsten nie abgewählt werden. Sie finden Demokratie sch**** und bekämpfen sie auch gerne mal mehr oder weniger offen.
@Hadmut: das ist natürlich wahr 🙂
Aber ernsthaft: wenn Du die Adressatenliste schon so einschränkst, dann ist der Text wiederum nicht überraschend (versteh mich nicht falsch; ich mag Blogs, wo vernünftige Leute vernünftige Dinge schreiben – vor allem auch mal längere Text so wie hier).
Was wirklich gut an Deinem Text ist, ist auch die “andere” Seite mal zu beleuchten. Wir leben ja nur noch in einer massiv poralisierten öffentlichen “Diskussion”, wo keiner mehr aus dem Schützengraben kommt. Wobei ich der Meinung bin, daß Bosbach & Co es am meisten weh tut, wenn man ihnen nicht den Gefallen tut, sie gleich mit Lagerdenken zu überziehen, so fein säublicher deren Vulgär-Populismus zu zerlegen. Das muß man dann halt nur gebetsmühlenartig immer und immer wieder machen – am Ende werden sie vielleicht sogar entnervt aufgeben.
Was Du aber noch nicht erörterst hast: das Geld – und nur darum gehts. Auf beiden Seiten finden sich Leute, die einfach die Lobbyisten für wen auch immer sind und einfach nur für Geld “argumentieren”. Sei es um Einnahmen zu erhöhen (Herstelller von “Sicherheitstechnologien”) oder um Kosten zu reduzieren (z.B. ISPs).
wenn ich das so lese, muss ich an stalins ausspruch denken:
Ein einzelner Toter ist eine Tragödie; eine Million Tote sind eine Statistik
@jbs
Nachdem per definitionem für die Muslime jeder bei Geburt Muslim ist und erst durch Irrungen zu “Anders-” und “Ungläubigen werden”, müßte man eher sagen, daß alle Toten durch islamistischen Terror Muslime sind. 😉
Moment mal: Hab ich das richtig verstanden?
a) Bei Geburt ist jeder erstmal Muslim
b) Die Eigenschaft als Muslim kann man nicht mehr ablegen bzw. darauf steht bisweilen die Todesstrafe
Eieieiei….
Wo wir dann wieder bei “das Leben endet tötlich” wären. Sind wir nicht auch alle Gottes Kinder?
Nein. Ich jedenfalls nicht.
Bei der Einpreisung fehlt noch das Sicherheitsgefühl. Etwas abzuwenden, durch das man sich bedroht fühlt, hat eine Wert an sich, ob die Bedrohung nun real ist oder nicht.
Das sind dann Politiker und Entscheidungsträger im Sicherheitsbereich als Einkäufer in eigener Sache natürlich schlechte Entscheider. Durch viele Flüge und Aufenthalte an gefährdeten Plätzen haben sie eine verzerrte Warnehmung der Realität. Die Sechsjährige sieht in der rosa Ponypuppe auch das wichtigste Transportgut für den Urlaub, während Kleidung, Pässe, Fahrkarten und der Bruder absolut unwichtig sind.
Dummerweise spricht ein Politiker fast nie mit Leuten, die eine andere Sicht haben, über diese Themen. Der Verkäufer einer gepanzerten Limousine sagt bestimmt nicht, dass der Angriff auf ein fahrendes Auto so schwierig ist, dass nur nur wenige Prozent der verkaufenten Fahrzeuge mit einem Kratzer verschrottet werden. Und wenn man Drogenbosse und Parkschäden abzieht, fallen die auch noch weg. Sicherheitsexperten diskutieren ihre Wichtigkeit sicher auch nicht weg. Das kann den nächsten Auftrag kosten. Und mit normalen Bürgern, die nicht bildhysterysch sind, spricht der Politiker über alles Mögliche, aber sicher nicht über ihr Sicherheitsempfinden.
Der Zwang zur Anpassung der eigenen Sicht an die Realität kommt immer nur, wenn die Rechnung selbst bezahlt werden muss. Da die Politiker Polizisten, Autos und den ganzen Rummel nicht aus eigener Tasche bezahlen müssen, ist jeder Aufwand gerechtfertigt. Kostet ja nichts !
Steht Terrorismus nicht auf einer anderen Stufe als Rauchen, Straßenverkehr, Alkohol am Steuer und Hohe Geschwindigkeit?
Man sollte meinen das gezielter Massenmord mehr Gewicht hat, als Fälle die durch Schlechte Konsequenzanalyse entstehen. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit für Unfälle nie Null (auch wenn Geschwindigkeitsbegrenzungen hier wohl etwas nützen würden).
Wieviele versuchte Morde/Totschlagstaten gibt es den pro Jahr?
Weiters: Hat die erhöhte Sicherheit durch physische Antiterrormaßnahmen nicht auch positive Nebeneffekte auf andere Unwägbarkeiten des täglichen Lebens?
@John: Auf einer anderen schon – aber ergibt sich daraus ein hier relevanter Unterschied?
Der wesentliche Unterschied ist Selbstgerechtigkeit. Wenn wir durch Rasen, Saufen, Rauchen töten, dann gilt das als normal, weil es unsere Kultur ist, und Gegenmaßnahmen uns, schlimmer noch, unsere Wähler und unsere Industrie treffen würden. Also rührt man das nicht an.
Das Schöne am Terrorismus ist, daß man auf ihn völlig risikolos schimpfen kann – es trifft nicht unsere Kultur, nicht unsere Wähler, nicht unsere Industrie, keine hiesigen Interessenträger. Und deshalb ist das soviel schlimmer, wenn einer durch eine Bombe stirbt, als wenn hundert durch besoffene Autofahrer sterben.
Zu den Autobrandstiftern: Noch hat man die Täter nicht. Wieviele davon linksextrem sind ist also noch offen.
Würde man aber solche Taten nicht verfolgen würden sie sich wohl stärker ausweiten. Und auch wenn keine Tötungsabsicht besteht, so kann ein Brand schnell außer Kontrolle geraten – das ist das eine Risiko, ein anderes, dass ein Täter entdeckt wird, und der Entdecker vielleicht ein großes Risiko eingeht, und den Täter festnehmen will. Wenn der dann nicht brav den Verlierer gibt kann es auch leicht Tote geben.
Was Blitzschlag betrifft: So was, und andere Unfälle sind eher tatenlos zu akzeptieren, als eine beabsichtigt begangene Tat. Auch wenn der Täter praktisch gar nichts erreicht läßt es sich doch schlecht verknusen, dass ‘so einer’ damit durchkommt.
Also grundsätzlich würde ich diesem Artikel zustimmen,aber was mich stört ist das man Menschenleben als Kostenfaktor etikettiert.Versteht mich bitte nicht falsch,eine Versicherung beispielsweise muss ja irgendwie eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen und da werden eben auch Menschenleben mit einbezogen.Nur wo führt diese Denkweise letztlich hin?Ein fiktives Gegenbeispiel.In Afghanistans Nachbarland Usbekistan wurden unlängst grosse Ölvorkommen entdeckt.Man erechnet das Aufgrund der geografischen Lage ein Überland transport durch Tanklaster nicht wirtschaftlich ist.Aufgrund der anzahl der benötigten LKW´s,des Zeitfaktors,der Lohnkosten und möglicher Überfälle in den Gebirgspässen.Man kommt zu dem Schluss das eine Pipeline durch Afghanistan die wesentlich kostengünstigere Variante wäre,man spart Personal,LKW´s und Zeit,selbst nach Abzug der Bau- bzw- eventueller Wartungskosten ist es günstiger.Der erechnetet Gewinn (das ist die offizelle Gewinnerwartung) liegt bei 500 Milliarden US-Dollar im Jahr.Jetzt stellt sich das Problem das Afghanistan in unzählige grössere und kleinere Clanschaften geteilt ist,die jeweils von einem Warlord kontrolliert werden.Also schicke ich Leute dort hin die mit jenen verhandeln sollen durch deren Gebiet die Pipeline laufen soll,da es geografische Besonderheiten zu beachten gilt,kann ich sie nicht so legen wie ich möchte ,also die kürzeste Strecke und bin also auf die Mitarbeit dieser Lords angewiesen.Ich biete ihnen also Geld für ihre Kooperation und im Idealfall zum Schutz der fertigen Pipeline.Da kommen dann durchaus ein paar Millionen zusammen,aber das sind ja gegen 500 Milliarden Gewinnerwartung nur Peanuts,das Geschäft ist also Rentabel.Jetzt weigert sich aber einer oder auch mehrere Warlords sich kaufen zu lassen.Die topografischen Begebenheiten in jenem gebirgigen Gelände lassen aber keine Alternativrouten für die Pipeline zu.Was mache ich jetzt?Das ganze 500 Milliarden Projekt steht vor dem aus.Ich überlege mir ob es nicht Sinnvoller ist eine Regierung dort eizusetzten,dann muss ich nur einen kaufen statt mehrere,spare also Kosten.Da das Krieg bedeuten würde, muss ich einen Staat mit ins Boot holen um meine Wünsche umzusetzten.Jetzt gibt es dort Gruppen die mit meinem Wunschkandidaten einverstanden sind,das sind die “Guten”.Und andere die eine Kooperation ablehnen ,das sind die “Bösen”.Dann gilt es Kollateralschäden an der Zivilbevölkerung mit einzukalkulieren,dafür benutze ich einfach das erechnete BIP pro Kopf das bei 2000 US-Dollar im Jahr liegt,das ist die Summe die ich an die Angehörigen jedes versehentlich ermordeten auszahlen muss.Praktischerweise übernimmt das der US-Staat für mich und zwar deshalb weil er, bei seiner eigenen Kalkulation die zu erwartenden Mehreinahmen an Unternehmens- und Umsatzsteuer- sowei Benzinsteuer aufrechnet,die nach beginn der inbetriebnahme der Pipeline zu erwarten sind.Ein gutes Geschäft für alle also,naja bis auf die ermordeten natürlich,denn die wissen nicht einmal das sie lediglich Teil eines Zahlenspiels meinerseits geworden sind.Ihr seht wo das hinführt?
@River: Nein.
Denn es ist Unfug, Menschenleben nur dann selektiv nicht als Kostenfaktor anzusehen, wenn es einem gerade nützt, in den Kram paßt oder sonst die Seele beruhigt.
Entweder immer oder gar nicht.
Und in den allermeisten Fällen tun wir das sonst auch.
Warum sollte man Leute, die durch Terrorismus sterben, soviel mehr bedauern als den, der auf dem Zebrastreifen stirbt? Ist letzterer denn weniger wert?
Oder geht es nur darum, der eigenen Sensations-Betroffenheit einen moralischen Vorwand zu liefern? Ist ein Toter umso bedauernswerter, je länger in den Abendnachrichten über sein Dahinscheiden berichtet wird?
Ein interessanter Einblick in die Denkmuster der Teppischetage. Allerdings: Brennende Autos lassen sich in klaren, nüchternen Zahlen kalkulieren, tote Menschen hingegen nicht. Für die existiert ein willkürlicher Maßstab, festgelegt von irgendeinem Mitarbeiterstab, da sie keinen schätzbaren Marktwert besitzen. Wer jedoch hat das Recht, hier eine Grenze zu definieren?
Ich möchte ergänzen, daß mehr Menschen im Kampf GEGEN den Terror sterben. Sicherlich sind das die, die glauben, daß man Krieg mit Krieg bekämpft. Nur nüchtern betrachtet, sind das doch mehr, oder?
@Corinna: Das ist aber leider die falsche Frage.
Es geht nicht darum, ob mehr Menschen im Kampf gegen den Terror sterben, als durch den Terror.
Es geht darum, ob mehr Menschen sterben, wenn man ihn bekämpft oder wenn man ihn nicht bekämpft.
Diesen Denkfehler machen aber viele, fast alle.
Gezielter Mord ist dennoch etwas anderes.
In kauf nehmen einer Gefährdung durch Brandstiftung auch.
Die anderen Punkte hängen von Sicherheitsmaßnahmen und Gesetzlichen Vorschriften ab.
(Alkohol ist wohl eher Selbstüberschätzung).
Es wäre denkbar, Autos mit technischen Maßnahmen auszustatten, welche den Alkohlpegel kontrollieren und vllt. über die Strafbarkeit informieren (ähnlich wie die Erinnerungsfunktion, dass man nicht angeschnallt ist)
Bremsassistenten für Autos, Abstandhalter usw. (Geschwindigkeit)
Rauchen durch bessere Entlüftung und vorgeschriebene Räumlichkeitstrennung.
————–
Brandstiftung und Terrorismus stehen dennoch auf einer anderen Stufe.
Mutwillige Zerstörung trifft es wohl am besten.
Ich sehe jetzt nicht, was das mit Selbstgerechtigkeit zu tun hat, wenn man auf die Mutwilligkeit der Tat schaut.
@John
Warum sollte es für mich ein Unterschied sein, ob ich durch einen besoffenen Autofahre oder durch eine verrückten Terroristen umgebracht werde?
Ich persönlich bin dafür, Autofahren unter Alkoholeinfluß strikt zu verbieten, egal wie wenig es ist. Als Starfe würde ich Sicherstellung des Tatfahrzeuges für mindestens 30 Tage als angemessen erachten, weil das deutlich mehr “wehtut” als eine Geldstrafe oder ein Fahrverbot.
Dann würde ich mich deutlich sicherer fühlen, als wenn ich noch mehr am Flughafen schikaniert werde, weil ich ja ein böser Terrorist sein könnte, der seine Flasche Wasser mitnimmt, statt sie am Duty-free für teuer Geld zu kaufen.
Hier geht es ja nicht nur um Terrorismus sondern um die Kontrolle des Volkes. Terrorismus ist ein willkommener Grund eben jeden zu überwachen und ggf. aus dem System zu entfernen, wenn er Politischen und Kapitalinteressen im Wege ist bzw nicht profitbringend ist.
An Überwachung wird viel Geld verdient!
Und für das internationale Kapital (Konzerne, Geldadel und Spekulanten) sind die Regierungen “ihre ausführenden Organe” und die Bürger die Systemsklaven die ihnen den Profit bringen. Da werden eben einfach mal Gesetze gegen das Volk geklauft (Lobbying).
Eigendlich sollten die Poitiker die Interessen ihrer Wähler vertreten… aber sie vertreten die Interessen ihrer eigenen Geldanlagen und folgen den Anordnungen der Lobbyisten.
Ich halte deine Prämisse für falsch. Es geht bei der Sicherheitsdebatte nicht um Sicherheit. Sondern um Angst.
@yasar: Der alkoholisierte Lenker fährt dich nicht mutwillig nieder?
Es geht hier nicht darum Alkolenker zu verharmlosen.
Er trinkt mutwillig solange Alkohol, bis er keine Kontrolle mehr hat.
Also ich bin durchaus der Ansicht, daß der alkoholisierte Fahrer das mutwillig macht.
Das bezweifle ich.
Das ist Dein gutes recht das zu bezweifeln, aber jemand der entweder soviel trinkt, daß er es nicht mehr unter Kontrolle hat, ob er besoffen Auto fährt oder der bewußt sich ans Lenkrad setzt, obwohl er zuviel Alkohol intus hat, handelt vorsätzlich und nimmt in Kauf, daß er andere Menschen tötet. Deswegen gibt es da imho keinen Unterschied.
Sicher doch.
Betrunkene Autofahrer handeln in terroristischer Absicht und versuchen möglichst viele Menschen zu töten.
Ja, klar.
@John: Laß die blöde Polemik!
Und schau Dir mal an, was man hierzulande unter „bedingtem Vorsatz” versteht (ich weiß nicht, ob es das in Österreich auch gibt).
Von einem Angesoffenen überfahren zu werden ist jedenfalls kein Unfall, sondern ein überflüssiger Tod der durch einen anderen mutwillig verschuldet und in Kauf genommen wurde. Es muß heute jeder wissen, daß man angetrunken nicht Auto fahren kann. Wer es trotzdem tut, der nimmt den Tod anderer billigend in Kauf.
@John
Der Absicht eines Terroristen ist meistens nicht viele Leute zu töten, sondern Angst und Schrecken zu verbreiten. Und das schaffen betrunkene Autofahrer auf jeden Fall.
Ich zumindest bin besonders vorsichtig an Fasching, Silvester und an “Winfesttagen”, weil sicher da irgendein Idiot wieder besoffen Auto fährt.
Achja immer wieder schön sowas …
Das in der Politik grundsätzliche Risiken des allgemeinen Lebens nicht signifikant aufgegriffen werden liegt an der Tatsache das es eben allgemein ist und nicht medientechnisch auf die Tränendrüsen gedrückt werden kann wie die bekannten Schlagworte:
– Terror
– Anschlag
– Amoklauf
– Kinderschändung
Alle vier Begriffe sind medial emotional unterlegt, was bedeutet das man das Herdentier Mensch damit schnell auf “seine” Seite bringen kann, wenn es darum geht die Freiheiten der Massen zugunsten der Kontrolle der “Mächtigen” einzuschränken.
Funktioniert hier z.B. bei Hartz-IV ausgezeichnet, ein Zumwinkel z.B. der Millionen hinterzogen hat kommt ohne echte Strafe davon, während ein Hartz-IV Schwarzfahrer wegen 40,- Euro erhöhtes Beförderungsentgeld für eine Woche in den Knast geht, was den Steuerzahler ja nur mehrere hundert Euro kostet.
Das Problem ist die Signifikanz in der öffentlichen Meinung.
Die gleichgeschalteten Medien tun dann noch ihr Schärflein dazu und fertig ist der neue Kontrollansatz, um den “Terror” präventiv zu bekämpfen.
Was das alles für den Alltag bedeutet wird einfach ignoriert.
Taurig aber wahr …
@yasar: Es gibt sehr wohl Unterschiede. Terroristen auf die Stufe von Alkolenkern herabzuziehen verharmlost das ganze doch ein wenig.
(( Terroristmus / Vorsätzlicher Mord > Eventualvorsatz > Fahrlässigkeit > Unfall ))
—————
@Hadmut:
Es geht mir nicht darum Alkolenken zu verharmlosen.
Aber…
Jemand fährt nicht alkoholisiert los in der Absicht jemanden umzufahren.
(Der Eventualvorsatz ist nicht zu 100% anwendbar.)
Noch ein (älteres?) Zitat zum Thema “Die strafrechtliche Problematik von Vorsatz und Fahrlässigkeit bei Trunkenheitsdelikten”:
Zitat:bads.de/Aktuelles/Janeczek_Christian.doc
“””
Ausgangspunkt der möglichen Verteidigungsstrategien ist zunächst einmal der Grad der Alkoholisierung. Hierbei ist im Wesentlichen zwischen 3 Alkoholisierungsformen zu unterscheiden. Bei der geringen Alkoholisierung wird in den meisten Fällen Fahrlässigkeit vorliegen. Eine geringe Alkoholisierung liegt dabei regelmäßig im Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit, also zwischen 0,3 Promille und 1,1 Promille und bei Beginn der absoluten Fahruntüchtigkeit. Soweit keine weiteren Anhaltspunkte gegeben sind, wird bis ca. 1,4 Promille regelmäßig eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt vorliegen. Hiernach schließt sich die mittlere Alkoholisierung an, die zwischen 1,4 Promille und 2,0 Promille zu finden ist. Dies ist der Bereich, wo die intellektuellen Leistungen meist noch ausreichen, um eine etwaige Fahruntüchtigkeit festzustellen. Dies ist der Hauptanwendungsbereich des Vorsatzes und regelmäßig aus Verteidigungssicht der Bereich, wo es sehr schwer ist, vom Fahrlässigkeitsvorwurf als Verteidigungsziel wegzukommen. Schließlich folgen noch die höheren Promillewerte ab 2,0 Promille aufwärts. Hier gilt, dass je höher die Promillewerte sind, desto geringer ist die intellektuelle Leistungsfähigkeit, umso weniger ist Vorsatz anzunehmen. Man ist also häufig nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass man fahruntüchtig ist.
“””
@John: Erstens ist das ein Unterschied, auf den es mir nicht ankommt, weil der Tote genauso tot ist. Zweitens gibt es eine Menge Leute, die im Suff anfangen, Leute umbringen zu wollen. Gerade haben wir den Prozess um einen U-Bahn-Schläger in Berlin, der auch durch Suff aggressiv wurde.
Wenn Tote durch Terrorismus genauso betrachtet werden würden wie andere Tote, dann würde es keinen Terrorismus geben.
Und warum bist Du dann so dagegen, es zu tun?
Den Vorsatz kann man wohl schwer ausblenden.
Die Brandstiftungsabgabe würde dann eventuell auch die dämlichen Trittbrettfahrer ausbremsen, denn 15 Jahre alte Autos in Hohenschönhausen (Berliner Osten) abzufackeln ist bei bestem Willen nicht mit linker Motivation zu erklären. Vielleicht aber auch nicht…und dann gehts munter weiter…