Ansichten eines Informatikers

Informatiker-Naivität: Warum die Piratenpartei versagt hat

Hadmut
2.12.2012 23:53

Die Piratenpartei wird nicht versagen. Sie hat es bereits. Wahrscheinlich irreparabel. Und erstaunlicherweise ist die Ursache ein – im weitesten Sinne – Sicherheitsproblem.

Oder: Was ist noch schlimmer als ein Informatiker? Ein naiver, unerfahrener Informatiker.

Die Piraten sind ursprünglich als ein Haufen gestartet, der zu einem verblüffend hohen Anteil aus Informatikern, vornehmlich aus dem Universitätsbereich bestand.

Nun hat der Begriff „Informatiker” mindestens zwei Bedeutungen, nämlich

  • das berufliche, fachliche, technische Wissen, die Denkweise in Algorithmen, das systematische, programmorientierte Problemlösen usw., aber auch Berufserfahrung
  • Angehörige eines gewissen technik- und internetaffinen Kulturkreises mit szenetypischen Ansichten und Denkweisen, die für technisch gehalten werden, aber letztlich nur weltanschaulich, kulturell, politisch, untechnisch sind. Zu meiner Zeit gehörten dazu beispielsweise auch ein weißes T-Shirt und ausgelatschte Birkenstocksandalen. Dazu gehört, dass man alles irgendwie anders, abgefahren, nerd-artig, alternativ macht und lebt. Informatiker sind Leute, bei denen man den Beruf an deren Wohnung innerhalb der ersten Sekunde erkennt. Informatiker sind Leute, die die digitalen Arbeits- und Kommunikationsmittel in sehr hohem Maße nutzen, und die – mehr als andere – einen Teil ihres Lebens dorthin verlagern, sich selbst gewissermaßen virtualisieren.

Der schwerwiegende Fehler der Piraten war, dass sie von der ersten Bedeutung nur sehr wenig eingebracht haben und von der zweiten sehr viel. Und dachten, man könne Politik machen, indem man sie einfach wie einen neuen Teil der Lebensführung ins Internet und seine typischen digitalen Kommunikationsweisen verlagert, so wie man Briefe durch E-Mail ersetzt. Sie hielten sich für Informatiker, aber sie haben nur die Nerd-Kultur reingebracht. Weil viele aus der Traumwelt des Elfenbeinturms oder des Nerd-Lebens kamen.

Man versuchte, Politik zu machen wie man eine Usenet-Gruppe oder ein Forum nutzt. Jeder darf, völlig offen, kritiklos, jeder darf sein ureigenstes kleines Problemchen vor der ganzen Welt vortragen. Prioritäten ergeben sich aus der Reaktion des Publikums, sie finden sich selbst. Die kulturell antrainierte Ablehnung jeder anderen Organisationsform als der Selbstorganisation, wie man sie jahrelang technisch trainiert hat, wie eben beim Usenet, dem Internet und all den Aktionen gegen staatliche Bevormundung.

Man hätte wissen können, dass das nicht funktioniert. Web 2.0 ist schön, aber auch die größte Müllproduktion und Zeitvernichtung der jüngeren Geschichte. Das Usenet wurde schon vor über 10 Jahren nutzlos, weil nur noch zugemüllt, und schon vor ca. 25 Jahren gab es die Aquaria-Kriege, wo eben diese Struktur zu ausufernden flächendeckenden Streitigkeiten um Nichtigkeiten führten.

Jahre später das gleiche Phänomen im Web 2.0. Nahezu jeder Blogger, jeder Promi, jeder Politiker weiß über Trolle, über den ganzen Verleumdungsmüll, über Desinformation zu berichten. Ich hatte hier im Blog schon einige Berichte über automatisierte Spam- oder Desinformationskommentare. Offene Strukturen haben einen gut-fühl-Effekt, aber sind so angreifbar wie Autos ohne Schlösser. Es gibt einfach einen Bodensatz der Bevölkerung, der alles missbraucht, was man missbrauchen kann, im allgemeinen Leben, als auch im Cyberspace. Man kann die schönste U-Bahn haben, aber in unserer Gesellschaft wird es immer jemanden geben, der die Scheiben zerkratzt, die Polster aufschlitzt, die Sitze vollkotzt. Das Konzept völliger Offenheit funktioniert nicht. Es funktioniert so wenig wie das sein Geld offen draußen herumliegen zu lassen.

Man hätte daraus lernen können.

Hat man aber nicht.

Weil man, wenn überhaupt, nur aus Schaden klug wird. Und ein Schaden im engeren Sinne entsteht im Web 2.0 nicht. Web 2.0 heißt vor allem, dass nutzlos Zeit verbraten wird, egal ob mit oder ohne Trolle und andere Angreifer. Man kann sie jederzeit rausschmeissen, problemlos neue Webseiten und Foren aufmachen. Es stört keinen. Informatiker lösen Probleme, die es ohne sie gar nicht gäbe. Deshalb stört es eigentlich auch niemanden so richtig, wenn sie sie nicht lösen. Deshalb werden viele Leute in der Informatiker-Sphäre nicht gelöst, weil man lieber etwas Neues konstruiert (und neue Probleme produziert), als erst einmal die alten zu lösen. Im Open-Source-Bereich gut zu beobachten.

Und mit dieser Haltung und einer unglaublichen weltlichen Naivität sind die Piraten da rangegangen. Als würden sie eine Nerd-Party veranstalten. Haben sich nur mit irgendwelchen höchstpersönlichen, lächerlichen Individualproblemen beschäftigt, weil Informatiker es eben gewohnt sind, nicht die Probleme der Welt zu lösen, sondern irgendwas in irgendeinem Server hinzubiegen, was sonst keine Sau interessiert. Informatiker sind Meister des für jeden anderen Belanglosen. Und genau das waren auch die Piraten. Eine Partei der belanglosen Themen, wenn sie überhaupt Themen hatte. Eine Partei wie in Forum, wie eine Usenet-Gruppe, Kommunikation, die zu Datendurchfall und Rauschen aus Belanglosigkeit verkam. Wie jemand, der vergisst loszufahren, weil er sich darin verliert, seinem Navi die schönsten Farben beizubringen, und deshalb nie am Ziel ankommt, nicht einmal in Bewegung kommt. Die Piraten diskutieren endlos darüber, wie sie am schönsten Politik treiben könnten, wenn sie sie denn mal irgendwann treiben würden, und haben deshalb nie damit angefangen, Politik zu machen. Und werden es auch nie. Sie schreiben immer neue Themes für das Navi im Auto und sind damit so beschäftigt, dass sie das Auto niemals anlassen. Die Frage ist, wofür man das Navi im Auto – oder das Auto selbst – überhaupt braucht, wenn es niemals in Betrieb geht und nur als Anlass dient, sich wieder mal mit dem Programmieren und Puzzlen zu befassen.

Das wäre ja alles noch nicht so wirklich schlimm.

Der schlimmste Fehler war, dass die Piraten so extrem naiv, offen und blauäugig (vulgo: doof) waren und sich benommen haben, wie in einem Forum. Und deshalb passierte genau das, was auch in politischen Foren passiert: Sie wurden von getarnten Linken unterwandert und übernommen.

Die nämlich verhalten sich wie General Motors.

General Motors ist völlig klar, dass sie sich als Marke nie so positionieren können, dass sie genug Käufer bekommen, denn zu verschieden sind die Käufergruppen, die man für sich einnehmen will. Egal wie das Auto aussieht, manche würden aus Prinzip niemals das gleiche Auto fahren wie der Nachbar. Man wird sie also nicht beide als Kunden gewinnen können. Deshalb hat GM eine unglaubliche Zahl von Marken mit völlig unterschiedlichen Erscheinungsformen, Stilen, Preislagen generiert – oder aufgekauft und feindlich übernommen – um für jede Käuferschicht das passende Auto in der passenden Marke anbieten zu können und insgesamt eine breitere Kundenschicht ansprechen zu können.

Genau das haben die Linken hier gemacht. Die Grünen waren noch nie etwas anderes als eine ideologische Handelsmarke der Linken. Mit dem Ziel, mehr Wähler und mehr Koalitionspartner zu erschließen, indem man ein anderes Design wählt.

Und hier hat eine feindliche Übernahme der Piraten stattgefunden, weil sie herumlag wie Bargeld auf der Straße. Versucht haben das zunächst die Rechtsradikalen, was aber von der Presse aufgedeckt und damit letztlich verhindert wurde. Wohl nicht ganz seriös, da ging’s wohl eher um den Kampf um die Beute, weil auch die Presse hier häufig links orientiert ist. Deshalb wurden damals die Skandale um ein paar Rechte bei den Piraten so hochgekocht.

Übernommen wurden die Piraten dann von den Linken. Das zeigt sich etwa an den bemerkenswert vielen Leuten, die von den Grünen rübergemacht haben. Schon mancher, der rübergemacht hatte und angab, die Freiheit zu suchen und seine Heimat zu verlassen, war in Wirklichkeit ein Agent und Saboteur im Auftrag seiner Heimat.

Und so wurden die Piraten in kürzester Zeit von Linken unterwandert, feindlich übernommen, umgekrempelt. Als die merkten, dass die Piraten Stimmen bekommen, haben die sofort zugeschlagen. Wenn man sich anschaut, was etwa die Feministinnen da anrichten, oder dass Grünen-Politikerinnen bei den Piraten auf die Listenplätze kommen (wie Anke Domscheit-Berg), dann wird klar, dass die Piraten nur noch ein Stimmen-Vehikel linker Politik sind.

Als die Piraten noch Piraten waren, waren sie explizit gegen jede Form von geschlechtsspezifischem Verhalten. Das interessierte niemanden. Damals erklärte man, dass man das Geschlecht weder erfassen noch durchzählen wolle, es für irrelevant halte, nicht mal mehr nach Herren- und Damentoiletten unterscheiden wolle. Geschlecht sei irrelevant.

Innerhalb kürzester Zeit wurden die Piraten – auch die massive Pöbelei und intensives auch persönliches Beschimpfen und Bedrängen von Leuten auf Veranstaltungen und im Internet – hier etwa in die Gender-Schiene gebracht, Frauenquoten diskutiert und teils durchgesetzt, feministische Politik eingebracht, die Listenplätze mit Frauen quotenmäßig besetzt, obwohl Frauen in der Partei in der extremen Minderzahl sind. Also letztlich die Männer unterrepräsentiert sind.

Auch in anderen Hinsichten kommen die Piraten mit vielen linken politischen Zielen um die Ecke oder werden mit offen linken Leuten besetzt, obwohl das dem ursprünglichen Ansinnen der Piraten überhaupt nicht entspricht. Da haben sich Leute die Machtpositionen gegriffen und den ganzen Haufen überrumpelt.

Die Methode ist eigentlich klar:

Viele der Linken und der Feministinnen bei den Piraten sind rhetorisch und argumentativ geschult. Zwar meistens lausig schlecht und auf lächerlichem Niveau, aber doch ausreichend, um den typischen Nerd und Rechenzentrumshocker über den Haufen zu reden und lahmzulegen. Unter den Blinden ist der Einäugige König. Unter den Informatikern hat der PR-Geschulte leichten Sieg.

Hier wurde innerhalb kürzester Zeit eine ganze Partei generalstabsmäßig gehijackt, einkassiert, feindlich übernommen, von den Heuschrecken gefressen, von kleinen Startup zur Handelsmarke des Konzerns gemacht. Möglich war das, weil viele Informatiker in dieser Hinsicht unglaublich naiv sind und noch nie „Feindkontakt” mit der Außenwelt hatten. Intellektuell völlig wehrlos, weil man aus dem Milieu Heile-Internet-Welt kam und dachte, das läuft wie in einem Forum. Im guten Sinne. Das Dumme daran war, dass es so lief, wie in einem Forum. Im schlechten Sinne.

Und das Bemerkenswerte daran ist:

Diese Übernahme trifft zeitlich ziemlich genau mit der Wende bei den Stimmen zusammen. Seit die Piraten auf links umgestülpt wurden, geht es mit den Stimmen bergab.

Vor der Übernahme wurden sie über ihre kruden Ideen belächelt, aber fanden Sympathien. Seit die auf links machen, geht gar nichts mehr. Inhaltlich gibt es überhaupt keine Themen, und die Frontpersonen sind – vorsichtig ausgedrückt – Unsympathen und Wählerverschrecker. Wenn man sich die anschaut, kann man eigentlich nur hoffen, dass die unter der 5%-Schranke bleiben und da niemand einzieht. Das ist so rattenschlecht, wen die da aufstellen. Weil die, die da aufstellen, die da wählen, zu einem großen Teil Leute ohne Realwelt-Erfahrung sind. Da gibt’s Leute, deren Weltsicht darin besteht, dass sie sich mit dem Klassenlehrer ihres Sprößlings krachen und das als die wichtigste und einzige Aufgabe ansehen. Und die sich von eloquenten Medien-Fuzzis über den Haufen reden lassen. Wie soll man in einer Partei ohne Ziele, ohne Richtung passende Kandidaten auswählen? Man wählt den, der am lautesten schreit. Und wundert sich dann, dass man in der Presse dumm dasteht. Wie soll daraus eine funktionsfähige, wahlwürdige Partei entstehen können?

Der Partei ist es ergangen wie es einer Usenet-Gruppe oder irgendeinem nicht administrieren Forum ging: Von Trollen, Interessenvertretern, Agenten, Desinformanten und linken Gesinnungstrommlern übernommen.

Die Erfahrung sagt, dass das nichts mehr wird. Die interessierten Leser fliehen und kommen nie wieder.

Dabei wäre es gar nicht so schwer gewesen, ein einzigartiges politisches Profil zu entwickeln und richtig Stimmen zu holen. Die Bundespolitik wird derzeit zermahlen zwischen linken Ideologien und industriellem Lobbyismus. Die bürgerliche Mittelschicht trägt die Arbeitslast und wird mit immer höheren Abgaben gequält, die Effektivlöhne stürzen ab. Man wundert sich, warum so wenig Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland kommen möchten, merkt aber nicht, dass dieser Mittelbau in Deutschland der Dumme ist, weil nur die Schichten darüber und die Schichten darunter politisch vertreten werden. Da hätte man sich positionieren können und mit ein paar knackigen Ideen und Zielen, die sich sowohl von den Standpunkten der Linken, als auch von denen der Industrielobbyisten abheben, richtig punkten können. Zumal eine Partei, die sich vornehmlich aus Akademikern rekrutierte, genau richtig dafür besetzt gewesen wäre. Denn Akademiker sind mittlerweile in Deutschland die, die am dümmsten dran sind und am meisten abgezockt werden. Das wird aber nichts mehr.

Man muss es offen sagen, die Piraten waren einfach zu doof dazu. Und das hängt auch damit zusammen, dass es da so viele Informatiker gab.

33 Kommentare (RSS-Feed)

Phil
3.12.2012 1:21
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Ich denke das zwei Irrglaube der Ausschlag waren:
1) Direkte Demokratie funktioniert (überhaupt) von selbst , bzw. durch Selbstorganisation
2) keine Regeln aufstellen

Hätten es die Piraten geschafft alle Diskussionen zu versachlichten und statt Liquet Feedback ein Argumentationsportal gebaut, dann hätte es was werden können. Lieber haben sie ein bisschen direkte Demokratie gespielt und sind gescheiter wie all … Dunning-Kruger-Effekt plus Peter-Prinzip, die beiden Grundgeiseln der Menschheit.

Letztlich habe sie gleichen Fehler wie fast alle gemacht, sie bewerten nur nach dem Best Case und nicht nach dem Worst Case. Sonst hätten sie gewusst, dass direkte Demokratie auch Mob Herrschaft sein kann.


Georg
3.12.2012 1:35
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“Frauenquoten diskutiert und teils durchgesetzt”

Wo wurde denn bei den Piraten eine Frauenquote durchgesetzt?


FK
3.12.2012 2:54
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Oh waia Hadmut, welche ein elaborat.
Ich finde die entwicklung, dass die piratenpartei insgesamt zu einem progressiven links tendiert, liegt auf der hand und war meiner perzeption der letzten jahre nach auch von den meisten so erwartet worden.
Der hintergrund ist schlicht: akademiker sind mehrheitlich so.
Die zweite binsenweisheit ist, dass die tendenz zum linkssein mit dem alter wieder abnimmt. sieht man aktuell an den grünen, wo alle spatzen schwarz-grün für die nächste bundestagswahl von den dächern pfeiffen.

Du hast also mit der these recht, dass die piraten als ein haufen informatiker anfingen die alles anders machen wollten, aber was danach folgt ist, naja, ich sags direkt: blödsinn.
Da wurde nichts böswillig unterwandert, es kamen schlicht informatikfremde leute dazu, die die partei sympathisch fanden. Und das erklärt auch den linkstrend, gepaart mit technikfreundlichkeit und gesellschaftlicher progressivität.

Es läuft alles auf einen großen widerspruch deiner argumentation hinaus: Auf der einen seite haben es die informatiker verkackt weil sie informatiker sind mit den, wie du schreibst, belanglosen themen, die keinen interessierten, auf der anderen seite ist die endnerdung der partei, also dass irgendwann auch fachfremde kamen, die der partei ein weniger nerdiges image verpassen, auch schlecht. Was wäre denn die alternative? unter sich bleiben, keinen ohne einen dipl. inf. mehr reinlassen, und weiter an themen arbeiten, die keinen ausserhalb der kleinen gruppe technikaffiner interessieren?
Irgendwie lese ich aus deinem text, du wünschtest dass die informatiker drin blieben, sich aber gleichzeitig zu eloquenten, gutausehenden, ganz unnerdigen politprofis entwicklen würden, aber das geht nunmal nicht. Entweder nerd, oder strahlemann. leute die beides können gibt es nur sehr, sehr wenige.
Sie könnten allerdings versuchen zu wachsen, mehr leute zu begeistern und sich der themen anzunehmen die einen großteil der leute berühren, während sie medienkompatible frontköpfe aus anderen bereichen anziehen.
Ich denke die Antwort liegt auf der hand, genauso wie die, dass parteien die aus vielen idealistischen, jungen, gut gebildeten menschen bestehen, nun mal links ticken.

Tja, und mit dem wachstum und der verbreiterung der themen und des klientels kommt es dann auch zu den üblichen nebeneffekten, wie kämpfe mit feministen, kämpfe mit mitgliedern die extreme meinungen vertreten, unschöne spielzüge beim ellbogenrangeln um die besten posten, usw. usf. Alles nur symptome dessen, dass die partei in der normalität ankommt.

Ich sehe das eher so: wie es mit den piraten weitergeht ist ungewiss. der medienhype ist vorbei und hat schrammen hinterlassen. auch bei den medien und den anderen parteien allerdings.
Medien: war ein schlüpfriger blödsinnstweet aus nem landtag vor ein paar jährchen noch eine schlagzeile wert und wurde ausgeschlachtet, reicht es heutzutage kaum noch für seite 3, einfach weil die 24/7 live kommunikation und ihre tücke, dass jeder mensch dabei schonmal schwachsinn verzapft, langsam ins bewusstsein der gesellschaft eindringen. Die medienkompetenz im lande steigt, weil die piraten es den leuten mit der brechstange beigebracht haben. Und die medien müssen sich nun andere aufreger suchen.
Andere Parteien: Aufgeschreckt durch die piratenerfolge waren alle parteien gezwungen, viele Netzthemen überhaupt erst auf die Agenda zu setzen, mittlerweile haben sie alle etwas dazu in ihren wahlprogrammen, so sieht der wähler wenigstens woran er in diesem thmengebiet jeweils ist.
Und die Piraten: Sie sind am tun und am werkeln, es geht turbulent zu, der alte, technokratisch/analytische kern schreit und ist dabei “ihre” Partei zu verlieren, viele treten enttäuscht zurück, neue Gesichter tauchen auf und häufig auch wieder ab, man liest teilweise wirklich sehr skurrile, geschichten über die vorgänge in den inneren kreisen. Aber so ist das halt wenn man extrem personal aufstockt. Die Frage ist nun, wie das spielchen ausgeht, bleibt in zukunft genügend Informatiker-kern drin um weiterhin intelligente, elegante lösungen für die probleme des landes zu bieten? Schaffen sie es das ganze so menschlich zu kommunizieren dass die leute ihnen folgen können und wollen? Man weiss es nicht, noch ist alles drin.
Und um ehrlich zu sein, wäre mir der austausch piraten gegen fdp im nächsten bundestag ganz recht, unabhängig davon welche regierungskoalition dann das rennen macht.


Martok
3.12.2012 3:18
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Das würde ich (pirat im Geiste, der genau weil er das Trauerspiel gesehen hat nie eingetreten ist [aber trotzdem aktiv ist]) alles unterschreiben, bis auf eins: du hast eine ganze Übernahmewelle direkt bei der Gründung verpasst. Aus meiner Sicht hat das so angefangen:

2006/7 firmieren sich die ersten piratigen Gruppen, erst in .se, dann in .de. Diejenigen, die ich hier kenne sind dabei alle Informatiker oder wenigstens Techniker der “Gruppe 1” gewesen: Leute, die wirklich was auf’m Kasten haben und sich fragen, warum Politik eigentlich so kompliziert ist, wenn man doch nur mal nachdenken müsste. Die konnten Probleme lösen, und mit denen hätte das mit der Schwarmintelligenz auch noch funktioniert, weil die Ameisen immerhin zielführend arbeiten gelernt haben.

In den folgenden Jahren hat sich das Ganze ausgedehnt und auch die “Gruppe 2” mit eingenommen, in der Mischung, die man heute als Gründungsmitlieder (die mit der unter vierstelligen Nummer, wissenschon) kennt war das dann gefühlt 50-50. Die einen wissen wie’s geht und die andern sind Geeks. Das sieht in der Presse komisch aus (das Image ist bis heute da), aber stört erstmal nur begrenzt. Aber: seitdem waren die wenigsten Neuzugänge wirklich diesem technischen Denken verhaftet, und weil die sich damals sowas doofes wie Basisdemokratie gegeben haben, werden sie so langsam in ihrer eigenen Partei versenkt.

Wo du allerdings “linke Presse” her haben willst ist mir nicht klar. Muss so ein Parallelweltdings sein 😉 Ich hatte immer den Eindruck, dass die Rechte kein Interesse an Übernahme eines Flügels hatte, sondern einfach nur auf ihre eigenen V-Leute geschossen hat (hey, kommt das jemandem bekannt vor?), quasi als target designator um das was da so rumfleucht loszuwerden, bevor irgendwas draus wird. Hat ja nicht so geklappt – immerhin, die Hand voll Informatiker weiß, wie man mit direkten Angriffen umgeht.

Das Zusammentreffen mit der Stimmenabnahme sehe ich aber auch. Kurz nach der Berlinwahl kam der Hype, mit ihm tausende Neumitglieder und eine wahnsinnige Wahnsinnigenquote an den Stammtischen. Und die sind wie Efeu, wenn man sie einmal hat werden sie immer mehr.

Nach wie vor falsch ist allerdings, dass kein Programm/kein Themen existiert. Es existiert, ist ziemlich gut, aber aufgrund der Leute die unbedingt ein Vollprogramm haben wollten (übrigens kaum jemand aus den “Startgruppen”) statt ein gutes ist das alles fürchterlich dekohärent und irgendwie keinem vermittelbar. Die Zeiten, als das noch 5 Seiten direkt ineinandergreifende Forderungen waren, bei denen man im Prinzip direkt ableiten konnte, was die Meinung zu den nicht erwähnten Teilen ist (wenn man nicht grade Journalist ist, der “Kein Programm” verbreiten möchte), sind vorbei.
Jetzt haben wir überall etwas stehen, aber das klare Konzept ist weg.

Und, auch spannend: dieses ganze Genderfoo gibt’s an der Basis gar nicht. Da bedeutet “Gender” noch das, was die “3rd wave feminists” damals meinten, nämlich einfach nur dass das biologische(sex) und gefühlte(gender) Geschlecht nicht das Gleiche sein muss, und dass wir als Menschen uns weniger auf der erste beziehen sollten. Die bekloppten haben sich schön in AGs zusammengerottet. Dass sie damit umso lauter brüllen und leider auch viel zu viele Anträge durchbekommen (“Die sind die zuständige AG, das muss gut sein”) ist ein Effekt dessen, dass der durchschnittliche Parteitagsgänger das Prizip “wenn man keine Ahnung hat, enthalten” nicht verinnerlicht hat und mehr oder weniger nach Autorität abgestimmt wird…


Fx
3.12.2012 7:48
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Ich habe zwar nicht das gleich Feindbild (“Die Linken”), aber ansonsten finde ich die Analyse sehr gut und treffend. Wenn man SPD und Grüne als Linke betrachtet, kommt es natürlich ziemlich gut hin. Nur sehe ich die nicht als Linke, ebenso wie weite Teile der Linkspartei. Das Problem mit denen ist nämlich, dass die über die Jahrzehnte auch permanent von Lobbyisten, Geheimdienstlern, Feministen, Globalisten, politisch-korrekten Meinungsdesignern etc. unterwandert wurden und werden. So haben sich vermeintlich linke Inhalte, ebenso wie als “typisch links” begriffene Fertigkeiten und Verhaltensmuster in den Köpfen festgesetzt. Aber vieles davon ist alles andere als links. Feminismus ist z.B. eben nicht links, sondern tendenziell faschistisch (http://bit.ly/RvtxjZ). Deswegen taugen die Kategorien links/rechts immer weniger. Ich als vom Herzen, aber nicht vom Parteibuch her Linker habe heute mit den angeblich linken Parteien weniger Berührungspunkte als z.B. mit Libertären oder Konservativen.


Sie haben versagt oder werden versagen, weil sie eine Partei sind. Auch die vereinsmäßig geführten Parteien sind ein Problem und keine Lösung. Die Grünen waren mal Hoffnungsträger und haben sich zu den größten Deutschlandzerstörern entwickelt. Bündnis 90 haben sie aufgesaugt und unschädlich gemacht, eine weitere Großtat.

Informatiker sind nicht vernünftiger als andere Leute. Die Notwendikeit, sich täglich mit der eigenen Dummheit herumschlagen zu müssen, führt nur bei wenigen zum Erfolg. Zum Regieren benötigt man den so oft gejagten gesunden Menschenverstand. Eine vernünftige Hausfrau könnte das erledigen. In der Praxis kämpfen aber Ideologien gegeneinander, da bleibt der Verstand auf der Strecke.

Diskussionen bringen meist nichts, sie sind meist Streit und nicht konstruktiv. Konstruktiv sind sie mit maximal vier Personen. Elektronisch geht das viel besser. Grundsätzlich erscheint mir die Struktur des Usenet das zu können, sie wird nur schlecht genutzt. Man muß auch bedenken, daß es nicht nur Trolle sind, die offene Foren stören, sondern auch ideologisch angetriebene oder bezahlte Leute. Im Usenet ist die Gruppenstruktur das Problem. Ich habe das mal verbessert versucht. Da entstehen Zuordnungen durch nachträgliche Bewertung und Markierung. Grundsätzlich ist ein Textmedium wie das Usenet der richtige Ansatz. Quasselkonferenzen sind mit vier “Mann” am Ende. Webforen sind von Leuten gemacht, die konzeptlos losgesoftet haben und html nicht verstanden haben. Das leistungsfähigste, das ich kenne, hat Heise. Und? Mal ein interessanter Beitrag aber keine Diskussion, bei zehn Ebenen ist Feierabend.

Bevormundung und Zensur müssen aus nutzbringenden Diskussionen raus. Die Piraten waren verraten, bevor sie sich gebildet hatten. Der Systemkotau bewies es. Die entscheidenden Positionen sind in den Händen von Verhinderern.
“Sie wurden von getarnten Linken unterwandert und übernommen.”
So meinte ich das!

“Die Grünen waren noch nie etwas anderes als eine ideologische Handelsmarke der Linken.”
Sie haben anders begonnen. Das hat sich dann geändert. Ob die Linken sie übernommen haben weiß ich nicht. Es ist aber ein linker naiver Trend in der gesamten Bevölkerung. Der ist das Problem.

“die von den Grünen rübergemacht haben”
Es heißt “sin nübberjemacht” — bedeutet, sind abgehauen, wenn schon, dann richtig. Wenn einer nübberjemacht hat, dann ist nur die Scheiße drüben.

“Die Bundespolitik wird derzeit zermahlen zwischen linken Ideologien und industriellem Lobbyismus.”
Falsch, das ist nur die Erscheinung.

Carsten

“Europa steht am Rubikon”
Wilhelm Hankel


Andrea
3.12.2012 8:06
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In meinem Bundesland sind seit längerem keine Gründungsmitglieder des Landesverbandes mehr vertreten. Es lag viel an (ehemaligen) Mitgliedern der WASG, DIE.LINKE und SPD oder denen nahestehenden Personen. Es wurde mit “Shitstorms” die Arbeit des ganzen Landesverbandes lahmgelegt und Mitglieder manipuliert und zum Teil ausspioniert.
Aus einer Mücke wurde ein Elefant gemacht, wie man so schön sagt. Zeit für inhaltliche Arbeit blieb am Ende keine mehr.

Einen “Informatikerkern” gab es bei uns kaum, die meisten waren aber Akademiker oder auf den Weg dahin. Uns waren die Themen Datenschutz und Transparenz der Politik wichtig. Dazu muss man kein Informatiker sein. Andere Themen sollten auch besetzt werden, aber eher als Randthema und aus den Grundsätzen der PP abgeleitet.

@Martok: Den erste große Hype, den ich miterlebt hatte, begann kurz vor der Europaparlamentswahl 2009 und endete kurz nach der Bundestagswahl 2009. In diesem Zuge sind die o.g. Personengruppen eingetreten.


Hadmut
3.12.2012 9:02
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@Andrea: Ja, diese shitstorms waren anscheinend auch ein Werkzeug der feindlichen Übernahme. Lähmendes Gift, sozusagen.


energist
3.12.2012 11:56
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Ich höre immer Akademiker… aber liegt die Trennlinie – so man denn eine ziehen möchte – nicht eher zwischen Technikern und Nichttechnikern als zwischen Akadamikern und Nichtakademikern? Ich persönlich kann als Ingenieur mit einem „gelernten“ SysAdmin oder Mechatroniker im Mittel eher in der gleichen Sprache reden als mit … SozialpädagogenpolitologieGenderstudiessoziologen und dergleichen.


Johanna
3.12.2012 17:07
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@Andrea, @Hadmut: “Shitstorm” ist ja ein lustiges Wort, aber warum wirkt derartiges bei den Piraten offenbar “besser” als bei den anderen Parteien? Das nur auf die Naivität der Gründer zurückzuführen, scheint mir auf den ersten Blick viel zu kurz gegriffen. Auch der Hinweis, die Partei werde geführt, wie eine Newsgroup, erklärt es mir nicht. Anders gefragt: Warum kann man Piraten bereits mit aggressiv vorgetragenen Nichtigkeiten völlig aus dem Konzept bringen? Jeder Jungsozialist oder Jungunionist, der Plakate kleben und Flyer in der Fußgängerzone verteilen muss, ist standhafter und durchsetzungsfähiger, wenn man ihn auf Schwächen des eigenen Parteiprogramms anspricht – selbst, wenn man ihn unfreundlicherweise etwas angreift und in die Enge treibt.


Hadmut
3.12.2012 20:37
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@Johanna:
> Warum kann man Piraten bereits mit aggressiv vorgetragenen Nichtigkeiten völlig aus dem Konzept bringen?

Das stimmt so nicht. Man kann Piraten nicht aus dem Konzept bringen. Sie haben nämlich keines. Deshalb sieht das dann so aus.


Heinz
3.12.2012 17:59
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“Sie wurden von getarnten Linken unterwandert und übernommen.”
Naja “Links” im weitesten Sinne + egoistische/-zentrische Selbstdarsteller.

Wobei ich von dem Begriff “Links” wenig halte, da er für alles(außer konservativ) stehen kann und praktisch nichtssagend ist.

“Diese Übernahme trifft zeitlich ziemlich genau mit der Wende bei den Stimmen zusammen.”
mMn. war das ein Stück davor – schon seit eins, zwei Jahren.

“Die Erfahrung sagt, dass das nichts mehr wird. Die interessierten Leser fliehen und kommen nie wieder.”
gerade viele pol. interessierte Informatiker(nach 1. Definition) sind doch schon geflohen, genau wie die, die anfangs noch Hoffnung hatten und mit denen man etwas anfangen konnte.

“Man muss es offen sagen, die Piraten waren einfach zu doof dazu. Und das hängt auch damit zusammen, dass es da so viele Informatiker gab.”
Naja ich denke eher, dass es damit zusammenhängt, dass die Mitglieder auf die ganzen egoistischen, nur auf eigenen Vorteil fixierten Selbstdarsteller reingefallen sind.
Das hat allerdings weniger mit Informatiker oder nicht zu tun – Du bist doch auch Informatiker und fällst nicht so leicht auf solche rhetorischen Täuschungen rein.

@Hadmut
Ich bin schon gespannt auf das Resümee über dein Jahr bei den Piraten.


Martok
3.12.2012 19:08
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@energist: sehe ich auch so.

@Andrea: gut, unser LV hat sich erst kurz vor der BTW gegründet. Da fiel das dann alles zusammen. Hype hab ich da gar nicht so direkt mitbekommen, nur Unmengen an Arbeit, bei der die nicht-Techniker übrigens sehr aktiv waren. Also der Glaube an die richtige Methode war da, auch wenn die Umsetzung vielleicht schwieriger geworden sein würde (gibt’s diese Zeitform überhaupt?).

Was mir dazu grade per Twitter zufliegt:
Die LINKE will das “vor Jahren bereits ins Gespräch gebrachte” Konzept vom fahrscheinlosen Nahverkehr für die BTW nutzen und sie hatten die superneue Idee, dass ein Parteitag auch eine Mitgliederversammlung sein kann.
Mit andern Worten, sie kopieren die Piraten. Was’n da los, Übernahme nicht geglückt?


FullHD
3.12.2012 19:21
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Eine neue Dolchstoßlegende. Wie lächerlich. Als wenn die Piratenpartei angeblich durch einen „Dolchstoß“ der Linken um den Sieg gebracht worden sei. Im Rechten nichts Neues.


Hadmut
3.12.2012 20:43
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@FullHD: Durch alberne Vergleiche hat man noch nie etwas widerlegt. Die Piraten sind auch nicht durch „Dolchstoß” der Linken um den Sieg gebracht worden, völliger Blödsinn, sondern aufgrund eigener Kontur- und Wehrlosigkeit feindlich übernommen worden. Und dann gab’s im Linken Wählerkreis eben nicht mehr Stimmen als schon vorher. Das ist etwas völlig anderes als die Dolchstoßlegende. Aber aus dem Pseudonym heraus lässt sich trefflich dummes Zeug daherreden…


FullHD
3.12.2012 21:18
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Hadmuts Kommentar bestätigt den Vergleich vortrefflich. Geschichtsinteressierte können unter “Dolchstoßlegende” nachsehen. Die polemische Argumentationsweise ist im Übrigen kein allein der deutschen politischen Rechten vorbehaltenes Phänomen. Der französische Oberbefehlshaber Henri Navarre argumentiere beispielsweise ähnlich, um die Schuld der Niederlage im Indochinakrieg bei den Linken und Intellektuellen des Landes auszumachen.


Hadmut
3.12.2012 21:25
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@FullHD: Du kapierst es einfach nicht.

Es geht überhaupt nicht darum, irgendwem anderen als den Piraten eine Schuld zuzuweisen. Ich hab ja nun in aller Deutlichkeit geschrieben, dass die Piraten selbst schuld sind. Es geht darum zu erklären, wie das passieren konnte. Also die Schuldanalyse der Piraten, nicht irgendjemandes anderes. Der Vorwurf gilt nicht den Linken, die ihre eigenen Interessen vertreten, sondern den Piraten, die nicht aufgepasst haben. Etwas völlig anderes als die von Dir zitierten Dolchstoßlegenden. Zeigt mal wieder den Unterschied zwischen Wissen und Bildung. Du kannst es aufzählen wie auswendig gelernt, aber verstanden hast Du es nicht.


Knorka Kinte
4.12.2012 0:15
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Ach Hadmut, du kapierst einfach nicht, dass FullHD mit seinem Geschichtswissen angeben wollte und daher auf Teufel kommr aus so einen Vergleich bringen wollte, selbst wenn er vollkommen sachfern ist.

“Zeigt mal wieder den Unterschied zwischen Wissen und Bildung. Du kannst es aufzählen wie auswendig gelernt, aber verstanden hast Du es nicht.”

ok, hätte deinen letzten Beitrag wohl lesen sollen 😀

LG


Meiner Meinung nach liegt die Verlinksgrünung der PP nicht
an einer gezielten U-Boot-Strategie der Linken/Grünen, sondern
daran, dass man unglaublich viel Jungvolk reingelassen hat. So
direkt nach dem Abitur, d.h. noch mit allerlei grünen Flauseln,
ohne festen Job und ohne Kinder. Was wäre denn dein Vorschlag,
Danisch, zur “entlinkung” der PP? Bzw. wie hätten die Piraten den
Anstrum von links verkraften/abwehren sollen?


Hanz Moser
4.12.2012 0:52
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Den Ausführungen stimme ich in weiten Teilen zu und vieles deckt sich mit meinen Erfahrungen bei den Piraten. Aber nicht alles.

Zu Grund gerichtet haben die Piraten ihr Umgang mit den Medien und die Naivität eines Großteils der Mitglieder und Repräsentanten.

Ich hatte da mit einem Piraten in München ein Aha-Erlebnis. Irgendwie war der bei einem Porjekt seiner Uni dabei, wo es darum ging, angebliche Geister- und Spukgeschichten zu untersuchen. Da kam das Fernsehen, in Form eines Infotainmentmagazins. Er hat dann auch erzählt, dass der Beitrag am Ende nur Käse war. Einmal hätten sie ihn beispielsweise bedrängt, dass sie unbedingt eine Szene bräuchten, in denen er eine Wand abklopft und dran horcht. Dass das total sinnlos war, weil er jeden Hohlraum viel besser in der Wärmebildkamera sehen konnte, hat er den Redakteuren gesagt.
Der Kerl war nicht dumm und er war auch nicht vergeistigt. Er war aber zu naiv und zu friedfertig-nachgiebig-kooperativ, um den Fernsehaffen zu sagen, dass sie entweder seine Arbeit filmen oder nach Hause gehen sollen, weil er kein Theater spielt. Man rate jetzt, in welchem Anteil Wändeklopfen und das tatsächliche Vorgehen gezeigt wurden.

Genau so habe ich viele der Piraten erlebt. Nicht grundsätzlich weltfremd, nicht dumm, nicht unfähig, ziellos oder in Geschwafel verloren, sondern einfach viel zu lieb und zu nett, zu idealistisch und zu unverdorben.

Wenn solche Leute auf gestandene Journalisten treffen, die wissen, wie man aus härter zu knackenden Nüssen den Aussagekern herausholt, den man will, dann sind die komplett verloren. Genau so geht es aus, wenn da dümmliche Störenfriede kommen. Da wird zu vorsichtig, zu rücksichtsvoll und zu diplomatisch agiert. Zwei, drei merkbefreite Brüllaffen reichten teilweise, um die produktiven Piraten zu vertreiben, weil die keine Lust auf Konfrontation und Debatten mit Deppen hatten. Übrig blieben die Deppen.

Dass die Informatiker hier eine besondere Rolle gespielt hätten ist mir nicht aufgefallen. Vielleicht hatte ich das Glück, kaum einen aus der beschriebenen zweiten Reihe zu treffen, aber ich glaube viel eher, dass du, Hadmut, hier den Nagel siehst, weil dein Hammer passt.
Ansonsten sind wir uns aber ziemlich einig.


Herrmann
4.12.2012 8:49
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Ist bezeichnend, dass die ersten Forderungen der Piraten,
auf die man sich einigen konnte, elterliche Fürsorge auf den Staat
abbilden. Bedingungsloses Grundeinkommen = Taschengeld Kostenloser
öffentlicher Nahverkehr = Shuttle Service Papa Kostenloses WLAN im
öffentlichen Raum = Papas Router für die ganze Familie Totale
Transparenz = Papa und Mama müssen mir alles erklären. Dass sowas
aus einer Bewegung zur Legalisierung des Raubkopierens entspringt,
wundert dann nicht mehr. Weiss vielleicht jemand, wie hoch der
Anteil der Freischaffenden unter den Piraten ist im Vergleich zum
Rest der IT-Branche?


Oppi
4.12.2012 13:13
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” Die Grünen waren noch nie etwas anderes als eine ideologische Handelsmarke der Linken.”

Die Grünen sind heute die CDU mit Öko-Anstrich (Deren Projekte haben so gut wie immer was damit zu tun, dass irgendwas teurer wird, bestes Beispiel ist die Ökosteuer auf Sprit. Die zu wählen muss man sich eindeutig leisten können.), und die Piraten sind mit ihrer “wir lassen alles am liebsten unreguliert” Einstellung auch ganz sicher nicht von Linken unterwandert. Schön wärs aber. Dann gäbe es in unserem politischen Spektrum mal eine linke Partei, die nicht unter dem DDR Stigma leidet.


Herrmann
4.12.2012 16:09
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“DDR Stigma”

Das ist echt witzig. Eigentlich will man alles nochmal wie in der Zone machen. Nur eben ohne das Stigma. Nach fast einem Vierteljahrhundert sehnen sich die Leute schon wieder nach staatlicher Mangelwirtschaft. Nicht zu fassen.


jck
4.12.2012 17:04
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Als ich in die Piratenpartei eintrat (2009), hatte diese kaum Programmpunkte, aber wenigstens welche, die mir wichtig waren. Die Mitglieder waren irgendwas zwischen libertär und anarchistisch, aber wir hatten ein paar Ideen, die wir teilten, und für die wir eintraten.

Wir waren eine Randgruppe, wir waren die, die nicht bevormundet werden und die mit möglichst wenig Regeln, möglichst wenig Staat und einem verantwortlichen solchen leben wollten.

Irgendwann in 2010 kamen dann die ersten Neumitglieder, die fanden, wir müssen uns mehr für XY einsetzen, was eigentlich niemanden interessierte. Aber wir waren ja basisdemokratisch, also durften die machen, was sie wollten. Und das wurden immer mehr, wie Hadmut das schön schildert – da kamen nicht die Deregulierer, die Freiheitsliebenden, die Anarchisten, die wir waren, da kamen die Linkskommunisten (die wollen, dass der Staat alles für sie bezahlt) und die Linksfaschisten (die wollen, dass der Staat alles vorschreibt). Und natürlich die Feministen.

So langsam liest sich das Parteiprogramm immer mehr, als komme man von der Beschlussversammlung eines antifaschistischen, antirassistischen, kommunistischen Feministenkongress. Hätte mich das je interessiert, wäre ich zu den Grünen oder den Linken gegangen. Hat es aber nicht. Ich bin jedenfalls wieder ausgetreten, wie viele andere Leute mit wichtigen neuen Ideen auch.


NurZurInfo
4.12.2012 22:46
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Ich habe die Piraten von Anfang an gewählt. WEIL sie eben ohne ideologische Scheuklappen VÖLLIG RATIONAL argumentierten. Sie vertraten keine Ideologie, sie vertraten das, was vernünftig und logisch war. Das war neu. Das war sympathisch. Es hat mir Hoffnung gemacht, daß am Ende die Vernunft noch irgendwie siegen könnte.

Sie waren nicht die Krawallredner, die sich jeglicher rationalen Diskussion verweigerten und die ich von früher aus meiner Studienzeit kannte: Linke Romantiker, die außer den immergleichen Kampfparolen mit nichts weiterem aufwarten konnten und jegliche “Diskussion” unmöglich machten (ich hörte davon, wie Lehrveranstaltungen unliebsamer Professoren an der philosophischen Fakultät regelmäßig per Trillerpfeiffenkonzert gesprengt wurden).

Es ist leider so wie du sagst, Hadmut:
“Diese Übernahme trifft zeitlich ziemlich genau mit der Wende bei den Stimmen zusammen. Seit die Piraten auf links umgestülpt wurden, geht es mit den Stimmen bergab.”

Wo vorher Vernunft und Logik vorherrschten, sind jetzt Ideologen am Werk.

Nur wen kann man noch wählen???


Hadmut
4.12.2012 22:48
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> Nur wen kann man noch wählen???

Viel mehr als die Klempner-Innung fällt mir da nicht mehr ein.


Herrmann
4.12.2012 23:32
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Partei der Vernunft


Hanz Moser
5.12.2012 0:17
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Naja, derzeit würde ich im Zweifel immer noch die Piraten wählen.

Es ist aber mehr Protest als wirkliche Alternative. Wenn es die APPD noch gibt und sie auf dem Stimmzettel steht, muss ich nachdenken.


Fx
5.12.2012 5:47
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> Partei der Vernunft

Ihr zwanzigster Aufguss macht die liberalen und libertären Ideen nicht besser, sondern noch noch fader. Historisch gesehen hat der Liberalismus eine absolute Daseinsberechtigung für die Befreiung aus feudalen Strukturen. Aber heute ist er längst ebenso zur toten Ideologie erstarrt, wie der als Korrektiv entwickelte Marxismus.


Heinz
5.12.2012 16:13
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> Nur wen kann man noch wählen???

Eine beliebige Partei, die die 1%-Hürde noch nicht geschafft hat.


Herrmann
5.12.2012 22:33
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@Fx

Fade und tot sind Attribute für Mode, nicht aber politisch-wirtschaftliche Ansätze. Gerade in Deutschland muss der politische Vektorraum seit Generationen ohne freiheitlichen Basisvektor auskommen. Wir haben doch bloß Bismarck und die Sozialdemokratie in den Köpfen. Aber bitte. Befreie ich mich eben von den neofeudalen Strukturen der heutigen Zeit. Da sind genug Gemeinsamkeiten aufzuzeigen.


Fritz Schmidbauer
11.12.2012 16:29
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Ihren Gedankengang finde ich nachvollziehbar (PP durch hausgemachte, auf verschrobenem Idealismus aufgebaute Unfähigkeit unterwandert, dann kettenreaktionsartig demontiert), nur bei der linken Unterwanderung komme ich nicht mehr mit. Ich weiß heute kaum noch zu sagen, was die rechten/konservativen/libertären/linken Partein von einander unterscheidet. Die jeweiligen Partein wirken auf mich mehr wie ein Mashup aus dem, was gerade irgendwie opportun erscheint, wobei ich selten sagen kann, woraus sich ergibt, dass dieses oder jenes nun opportun wäre.

CDU und FDP haben zusammen mit Grünen und SPD das größte sozialistische Einzelprojekt gemacht (Bankenrettung mit Steuerzahlers Geld), von dem ich je gehört habe. Die Linken haben dagegen gestimmt und was von kaltem Putsch erzählt. Verkehrte Welt, hätte genau umgekehrt sein müssen. Ich weiß eigentlich nur noch, was rechtsfundamentalistisch ist: andere für die eigene poltische Überzeugung ermorden. Wo mir immer Nietzsche einfällt: “Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.” Vielleicht auch gefährlichere Feinde des Lebens.

Was verstehen Sie denn unter Links, Herr Danisch? Würde mich wirklich mal interessieren, ohne Shitstorminteresse oder sowas, mir fehlt da wie gesagt die Orientierung.

Ich wähle nur noch ungültig oder Partein mit lustigen Namen. Mir fehlt auch der Glaube daran, dass Wahlprogramme irgend eine großartig bindende Wirkung haben. Bei Licht betrachtet ist das aber eigentlich nichts als Apartheit, wie bei den Bibliotheken, die Zutrittsrecht nach Geburtsmerkmal veteilen.

zu denen tendenziell linken Studenten: aus meiner erst seit ein paar Monaten vergangenen 5-jährigen Studienzeit kann ich berichten, dass die meisten Studenten politisch desinteressiert sind, nicht selten auch schlecht gebildet, was zb. das Wahlsystem betrifft oder die Form der Gesetzesgebung. Studentisches Linkstum bzw. Politikinteresse ist glaube ich eher ein Relikt. Ich habe davon jedenfalls nicht viel mitbekommen, auch nicht in den soft sciences. Nur der Bildungsstreik war so eine kurze Ausnahme, aber bei dem ging es nicht so sehr um politische Grundfragen, sondern einfach um 500€ pro Semester, war jedenfalls mein Eindruck.

Kann man aus Ihrer ja doch recht kritischen Ausführung schließen, dass Ihr Projekt “Familienpolitik und Piratenpartei” ad acta gelegt wurde? Falls ja: schade, hätte sicher interessant werden können.


Hadmut
11.12.2012 19:54
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@Fritz Schmidbauer:
> Was verstehen Sie denn unter Links, Herr Danisch?

Gar nicht so einfach, die Linken inhaltlich von den Rechten zu unterscheiden. Faschistisch sind sie beide, aber die Linken beschimpfen die anderen als Faschistisch, was die Rechten nicht machen.

Die Rechten übertreiben, überbetonen, erfinden Unterschiede, während die Linken vorher alles gleich machen und erst dann Unterschiede übertreiben, überbetonen erfinden.

Der für mich wichtigste Unterschied ist die Vorgehensweise. Die unterschwellige Gesinnungsprügelei, das Verbreiten der Einheitsmeinung durch Desinformation und Gleichschaltung, das Vorgeben vorgefertigter Denkergebnisse, die nicht anzuzweifeln sind, ist für mich typisch links. Auch die Unterwanderung von Blogs, Foren, Wikipedia usw.

Es gibt aber eine ganz einfache Unterscheidungsmethode. Man muss die Leute nur kritisieren. Beschimpfen sie einen daraufhin als „Linke Sau”, sind sie rechts, beschimpfen sie einen als „Rechtsradikal”, sind sie links.

Da Feministinnen ihre Kritiker grundsätzlich in die rechtsradikale Ecke stellen wollen, sind sie folglich links.