Frontalangriff der Politik auf die Pressefreiheit
Ui. Da ist mir ja ein tolles Timing gelungen.
Ich habe ja im November vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen die Humboldt-Universität erhoben, weil die mir als Blogger – auch wegen des fehlenden Presseausweises – keine Presserechte wie den Auskunftsanspruch zugestehen will.
Nun kocht da gerade an anderer Stelle was hoch. Denn seit letzter Woche lässt die Pressestelle des Deutschen Bundestags Blogger nicht mehr als Presse zu, die verlangen nun einen Presseausweis. Siehe dazu den Blogartikel bei isarmatrose, den Blogartikel bei Telemedicus und den Artikel der TAZ von heute.
Interessant daran ist, dass das jetzt nicht eine spontane Idee irgendeiner Beamtenseele in einem Anflug von lokalem Machtgefühl war, sondern dass da Methode dahintersteckt. Denn wie die TAZ schreibt, ist das Teil des Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD, in dem auf Seite 94 steht:
Journalistisch-redaktionell verantwortete Medien sind von zentraler Bedeutung für Demokratie, Informationsfreiheit und Meinungsbildung und zwar unabhängig von der technologischen Verbreitung. Die Koalition unterstützt eine Initiative der Länder zur Wiedereinführung des „amtlichen Presseausweises“.
Liest sich erst mal gar nicht so schlecht („unabhängig von der technologischen Verbreitung”), aber „redaktionell verantwortet” heißt in deren Sichtweise, dass es die großen Medien sein müssen, auf die man – man kennt das ja – inzwischen längst so großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss hat, dass man die steuern oder zumindest zum Schweigen bringen kann. Siehe dazu hier.
Heißt im Klartext: Es darf keinen Journalismus geben, der nicht politisch zentral gesteuert ist. Es geht darum, die Blogger und damit eben die Pressefreiheit kaltzustellen.
Die Sache hat natürlich Pfeffer. Denn während bei der Bundestagssache zwar schon die ersten Widerspruch eingelegt haben, ist mein Verfahren schon in der Schriftsatzwechsel-Phase und damit schon fortgeschritten. Und das Schönste: Für Bundesbehörden ist das Verwaltungsgericht zuständig, das für deren Standort zuständig ist. Also das Verwaltungsgericht Berlin. Und in diesem Fall deren Pressekammer, das ist die 27. Kammer. Und genau bei der bin ich gerade mit – unter anderem – genau der Klage, dass ich auch als Blogger Presserecht haben will.
Natürlich gilt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dann formal erst mal nur für den Streit zwischen mir und der Humboldt-Universität. Aber das Gericht wird ja nicht in zwei kurz hintereinander stattfindenden Streitigkeiten um exakt dieselbe Streitfrage unterschiedlich entscheiden (sofern man jetzt nicht auf Unterschiede zwischen dem Landesrecht von Berlin und dem Bundesrecht abheben wollte, was ich mir aber nicht vorstellen kann, weil es hier vor allem um Verfassungsrecht geht). Letztlich wird damit also auch die Bundestagsangelegenheit mitentschieden, ohne dass der Bundestag da vortragen könnte.
Hehe: Während da der Bundestag da gerade neue Regeln durchsetzen will, läuft die Klage gegen sowas schon, und die wissens noch nicht. Manchmal geht sowas schneller, als die sich das vorstellen können.
Das war doch mal Timing, oder?
😀
23 Kommentare (RSS-Feed)
Ja, das ist eine durchaus sehr spannende Sache 🙂 Ich freu mich schon auf Neuigkeiten. Viel Erfolg, Hadmut!
@Hadmut: Können Sie eine Entscheidung zugunsten des Presserechts für Blogger noch abwürgen? Oder später dann jeweils mit irgendeiner Begründung anders entscheiden?
@Karl: Weiß man nie, kommt drauf an, wer „Sie” ist. Ich gebe mir Mühe, das so festzunageln, dass sie das nicht können.
Danke für den Hammer und die Nägeln und wünsche es Ihnen und allen, dass Sie es gezimmert bekommen. 😉
*daumen*
Susanne Baer, Alice Schwarzer, …, die Einschläge kommen näher.
Wenn jetzt noch 1 Million Deutsche auf die Straße gehen würden wie in Frankreich …
Wäre aber typisch deutsch.
Gewisse Dinge dürfen eben nur zugelassene Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater und nun eben auch Journalisten. Die logische Konsquenz ist dann das Staatsexamen für Schreiberlinge.
Auf die Straße gehen?
Wo finde ich denn das Formular, um dazu die Erlaubnis zu kriegen?
Nur seriöse Medien sollten Zugang zu Informationen bekommen. Ansonsten könnte einfach jeder da kommen. Darüber hinaus erwirtschaften private Blogs von irgendwelchen Spinnern weder etwas, noch werden sie mit staatlichen Fördermitteln finanziert.
Supercleverer Schachzug 🙂 Das läuft alles wie am Schnürchen.
Zuerst gehen die Printmedien den Bach runter, die paar die es noch gibt hat man locker unter Kontrolle, und danach bringt man die Blogger zum Schweigen.
Zusammen mit anderen Aktionen die da gerade laufen ist das natürlich wunderbar. Wir als Bürger bekommen immer weniger Rechte und den meisten von uns ist es scheissegal. In diesem Land rennt jeder schon lange mit Tunnelblick rum.
Manchmal bin ich mir nicht sicher ob wir es vielleicht genau so verdient wie wir es jetzt bekommen werden.
Ich glaube inzwischen: JA 🙂
Die formale Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte mag ja gegeben sein, aber im Hinterkopf hatte ich da einen Streit, wo es eben schon einen Unterschied machte, ob es sich um eine Landes- oder eine Bundebehörde handelt: http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2013&nr=11
Das Berliner Pressegesetz gilt eben nur für Landesbehörden.
Interessant wird es dann werden, wie etwa das BVerfG eine eventuelle Beschneidung des Grundgesetzes sieht. Aber bis das zur Entscheidung ansteht, kann man ja noch die eine oder andere Neubesetzung vornehmen …
> Das Berliner Pressegesetz gilt eben nur für Landesbehörden.
Meines Wissens gibt es auch kein Bundespressegesetz. Und damit nicht mal eine Rechtsgrundlage für den Bundestag, einen Presseausweis zu fordern. Den Presseausweis gibt es nämlich streng-rechtlich gesehen auch nicht (mehr). Insofern würde mich das schon interessieren, wie die das Beim Bundestag eigentlich begründen wollen.
Laßt uns doch eine Organisation gründe, die Bloggern Presseausweise ausstellt. Nachdem es ja keine gesetzliche Grundlage gibt, das zu verbieten, sollte es ja kein Problem sein, einen gemein(nützig)en Verein auf die Beine zu stellen, der das macht.
“Den Presseausweis gibt es nämlich streng-rechtlich gesehen auch nicht
(mehr). ”
Deswegen soll er ja wieder eingeführt werden…?!
Stand das nicht so im taz-Artikel?!
> Deswegen soll er ja wieder eingeführt werden…?!
Ja. Aber dann kann man ihn eben erst fordern, wenn man ihn tatsächlich eingeführt hat, und nicht schon dann, wenn man es nur vor hat.
Volksempfänger 2.0
Danke für den Beitrag.
Wir haben ja bereits einen Artikel dazu gebracht. Jonas Kahl bringt die rechtliche Situation auf den Punkt: http://pressefreiheit-in-deutschland.de/fuer-wen-gilt-pressefreiheit-bundestag-sperrt-blogger-aus-90765/
Halte das Thema in Deinem Blog wach. Ich bin sehr interessiert an der Entwicklung Deines Falls.
Selbst wenn es vermessen ist, zwei Links in einem Kommentar zu bringen, und Admins dazu neigen, sie wegzuklicken…
Blogger sollten zum Thema medialen und politischen Druck erzeugen. Und siehe da: Wir haben schon was vorbereitet… http://blogwelt.org/
http://www.textlog.de/tucholsky-ein-briefwechsel.html
“[…] Wegen des ständig zunehmenden Fremdenverkehrs im Reichstag muß die Ausstellung weiterer Eintrittskarten aufs äußerste beschränkt werden. Ich bedauere daher, Ihrem Wunsche nicht entsprechen zu können. […]
Wird also Zeit, dass du dir einen Anwalt nimmst.
Presseausweise dürfen viel mehr Institutionen vergeben als man glaubt. Unsere lokalen Linksextremisten schleichen sich sich zum Beispiel mit Presseausweisen der GEW in ihnen nicht genehme Veranstaltungen und nutzen das, um Porträtaufnahmen aller Beteiligten und Zuschauer anzufertigen (bei uns bei einem Starbatty-Vortrag).
@Heinz T.:
Interessanter Punkt. Gibt’s da Quellen und nähere Angaben dazu?
Ich würde Ihnen(und damit uns allen) viel Glück wünschen, wenn ich nicht so desillusioniert wäre, was die Gesamtsituation angeht. Ich bin mir nicht sicher ob solche kleinen Scharmützel das unvermeidliche nicht einfach nur ein wenig länger hinauszögern. Aber wahrscheinlich braucht es das, um das System weiter zu demaskieren. Somit: Weitermachen!
Die verbindliche Zensur für Online-Medien soll jetzt kommen:
Netzpolitik.org hat auch schon darüber berichtet:
https://netzpolitik.org/2014/pressestelle-des-bundestages-erklaert-wir-machen-hier-keine-parlamentarische-berichterstattung/