Ansichten eines Informatikers

Wie ein Fähnchen im Wind

Hadmut
27.5.2014 20:41

Die Presse wechselt mal wieder die Richtung.

Focus schreibt jetzt darüber, dass die Strategie von CDU/CSU und besonders von Merkel ein Fehlschlag gewesen sei, weil sie Stimmen verloren und die AfD Stimmen gewonnen hätten.

Bei sowas muss ich immer an den Loriot-Zeichentrick-Sketch auf der Pferderennbahn denken. „Wer gewinnt denn, wer gewinnt denn? – Na, wer zuerst ins Ziel kommt! – Gott, wenn er drin ist, weiß ich’s ja auch…”

Das Wahlergebnis abzuwarten und dann hinterher eine nachträgliche Prognose in die Vergangenheit abzugeben, ist leicht. Nur brauch ich dann keine Zeitung mehr, denn wenn ich das Wahlergebnis kenne, weiß ich selbst, was erfolgreich war und was nicht. Nicht gerade Spitzenjournalismus.

Bemerkenswert aber, wie sie das jetzt begründen. Merkels urbane Beliebigkeit sei schuld und die linke Ausrichtung:

Fragte man bei Politikern und PR-Profis der Union, was denn mit den eher konservativen Stammwählern sei, die sonntags in die Kirche gehen, die ihre Kinder selbst erziehen wollen, die als Landwirte, Handwerker, Vertriebene stets und jahrzehntelang treu zu ihrer Partei gestanden hatten, so erhielt man den lakonischen Hinweis: „Die können ja nichts anderes wählen als uns.“

Insofern die (auf den ersten Blick) plausible Strategie, nach links zu grasen, weil rechts nichts verloren gehen könne. Und nun haben die doch was anderes gewählt. Nun nennen sie aber als einen der Fehler, die man gemacht habe:

Frauenquote? Die lehnt der Parteitag mit Mehrheit ab, wird dann aber dennoch Regierungspolitik, weil die grandiose Frau von der Leyen in Aussicht stellt, andernfalls zusammen mit den anderen Parteien zu stimmen. […]

Mit konservativer Politik allein kann hierzulande sicher keine Partei eine Wahl gewinnen. Aber ohne die Stimmen der Konservativen sind die goldenen Zeiten der Union an den Wahlurnen auch vorbei. Die Strategen im Adenauer-Haus sollten mal einen Strichzettel anlegen und notieren, wie viele Wähler es bringt, wenn ein CDU-Oberbürgermeister beim Christopher Street Day mit der Regenbogenfahne vorneweg hampelt, und wie viele Stammwähler es auf der anderen Seite kostet. Wie viele Stimmen bringt Alice Schwarzer als CDU-Wahlfrau und wie viele kostet sie?

Äh, Moment mal.

War die Presse nicht eben noch stramm auf Feminismus geeicht? Gab’s da nicht mal einen Focus-Titel mit Feminismus-Titel, der sich als massiver Umsatzeinbruch ausgewirkt hat? Und jetzt schreiben sie plötzlich, dass die CDU sich Wählerstimmen verscherzt, indem sie nur nach links/urban schielte, dabei aber übersah, dass sie am anderen Ende mehr Wähler verliert, als sie links dazuholt, und deshalb Stimmen verliert.

Lest den Artikel im Focus bitte noch einmal, aber ersetzt dabei

  • Partei durch Presse
  • Kanzlerin durch Chefredakteur(in)
  • Stimmen durch Verkaufszahlen
  • Wähler durch Leser

Tja…

5 Kommentare (RSS-Feed)

Emil
27.5.2014 21:26
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Der Autor des Artikels, Klaus Kelle, ist ein konservativer Journalist und Ex-CDUler. Er hat eine Kolumne bei der Rheinischen Post namens “Politisch Inkorrekt”, in der er regelmäßig etwas Systemktitik üben darf:

http://www.rp-online.de/politik/deutschland/kolumnen/politisch-inkorrekt/und-wenn-maedchen-nicht-mechatroniker-sein-wollen-aid-1.4136195

Wie schon öfter gesagt, hält sich die Systempresse ein paar Hofnarren, die ab und zu die Wahrheit schreiben dürfen, um der Leserschaft Pluralität vorzugaukeln.


Konservative, die sonntags in die Kirche gehen, gibt es keine 5% mehr – unter den Wahlberechtigten vielleicht doch, weil die nicht unter 18 sondern über 80 sind, und sie sterben weg wie die Fliegen.

Ob die CDU wählen oder ÖDP, NPD, Grüne – womöglich gar SPD oder FDP? Wozu gibt es denn in jeder Partei Pfaffen und Christenzirkel?

Zu Vertriebenen fällt mir auch nur noch ein “vertrieben in der 3. Generation!”.


Fx
28.5.2014 7:51
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Ich tendiere dazu, das Wahlergebnis abseits des Links-Rechts-Schemas zu bewerten, so wie es dieser Kommentar formuliert:

“Die Europäer haben nicht wirklich rechts gewählt. Die Menschen haben
lediglich die Parteien gewählt, die sich am deutlichsten gegen Euro
und EU ausgesprochen haben.”
http://www.heise.de/tp/foren/S-Gong-Das-Ende-von-Euro-EU-hat-begonnen/forum-280265/msg-25281086/read/

Dafür spricht auch der enorme Erfolg von Linksparteien und zwar genau dort, wo sie eurokritische (oder in Neusprech: populistische und extremistische) Positionen vertreten – Beispiele: Spanien und Griechenland.


Angelo Neuschitzer
31.5.2014 8:12
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> Lest den Artikel im Focus bitte noch einmal, aber ersetzt dabei
> Partei durch Presse
> Kanzlerin durch Chefredakteur(in)
> Stimmen durch Verkaufszahlen
> Wähler durch Leser

Hmm… das liest sich spannend:

http://pastebin.com/M4ZLJtBq

Aus meiner Sicht ist das alles eine positive Entwicklung. Im Spektrum Links den CDU/CSU ist jede Menge Vielfalt. Man kann sich (bis zu einem gewissen Grad) das Gift aussuchen das einen umbringt. Insofern finde ich es gar nicht schlecht wenn das auf der anderen Seite auch passiert.

Wenn es nur noch Parteien mit 20% oder weniger gibt und Minderheitenregierungen oder Mehrparteienkoalitionen die Regierungen stellen fällt es eben diesen Regierungen immer schwieriger großen Unfug anzustellen. – Für funktionierende Entscheidungen muss man dann eher als jetzt (also > 0) Sachargumente finden um einzelne Oppositionsgruppen zu überzeugen, denn sie alle zu bestechen wird zu teuer.


Ich frage mal
31.5.2014 10:51
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Also ich bin vielleicht zu jung oder sowas, aber ich verstehe nicht, wie man die gegenwärtige Politik als links oder rechts bezeichnen kann. Ich sehe da nur ein riesenhaftes Rumgemauschel, daß mal links wirkt (wie die Mütterrente) oder mal rechts (wer betrügt, der fliegt) oder mal von beiden was (Totalüberwachung), aber ich sehe da nirgends eine klar linke oder klar rechte Linie. Daß man sowas noch meint zu sehen halte ich für aus Not geborenem Einordnungsreflex, der Natur der menschlichen Vernunft geschuldet.

Kann mir jemand sagen, was jemand, der “die Politik ist zu links” konkret fordern würde, daß es passiere oder unterbleibe?
Könnte das auch jemand für “ist zu rechts” und “ist zu grün” machen? Mich würde das wirklich mal interessieren, was in diesem Land mit “zu links” “zu grün” “zu rechts” eigentlich jeweils gemeint ist. Mir scheint das häufig so reflexhaft zu kommen (sehe ich mich dann selbst als links, sage ich zu dem, was ich schlecht finde “das ist rechts” und umgekehrt).

Auch mit dem klassischen “rechts = konservativ, links = progressiv” kann ich kaum etwas anfangen, weil sovieles aus dem konservativen Lager überhaupt nicht werterhaltend sein kann. Marktkonformität der Demokratie ist zb. nirgends jemals ein bundesweit geteilter Wert gewesen und doch leitet er unter dem Banner der Konservativen die Politik.

Nur mal als Beispiel: ich denke nicht, daß dieses Land zu links ist, weil es hier seit 20 Jahren für 90% der arbeitenden Bevölkerung Lohnnullrunden, total impotente Gewerkschaften in nahezu jedem Arbeitssektor und seit knapp 10 Jahren HartzIV gibt (oder ist das links?). Ich denke aber auch nicht, daß dieses Land zu rechts ist, weil ein rechtes Land seinen Immigranten _mindestens_ abfordern würde, daß sie verpflichtend bis Tag X die Landessprache beherrschen müssen, sonst Abschiebung (außer bei politischen Flüchtlingen)

Das Einreise”verbot” von Snowden zb. kann ich eigentlich weder als links noch als rechts einordnen, da dieses Überwachungsding ja sowohl links wie rechts ist (Hiter hat es geliebt und Stalin hat es geliebt und Mao hat es geliebt und jeder Dikator unserer Zeit liebt es einfach, total zu überwachen). Und selbst bei Wirtschaftsfragen fehlt mir eine klare Orientierung (war die Bankenrettung links oder rechts?)