Ansichten eines Informatikers

Ausgespringert oder ausgelauert?

Hadmut
2.1.2016 11:46

Höhö. Nachrichten aus der Personalabteilung des Axel Springer Verlags.

Es gab 2015 diese seltsame Personalie: Ex-Oberpirat Christoph Lauer war als „Leiter der strategischen Innovationen“ beim Axel-Springer-Verlag eingestellt worden, auf dass sich dort derselbe Erfolg wie bei den Piraten und deren „Liquid Democracy” einstelle. Es drängte sich der Gedanke auf, dass das nur eine Tarnbezeichnung für einen Danke-Schön-Posten war.

Anscheinend lief das anders, als Springers sich das vorgestellt hatten. Lauer hielt nämlich nicht die Klappe, sondern redete weiter und öffentlich piratentypisches Zeugs daher. So sagte er zu einem Feuer in einem Nachbargebäude eines Flüchtlingsheimes

„[…] Die Piratenfraktion verurteilt diesen rechtsterroristischen Akt aufs Schärfste.

Ich fordere Frank Henkel dazu auf, mit der vollen Härte des Gesetzes gegen all jene vorzugehen, die an Unterstützung, Planung und Durchführung dieser Tat beteiligt waren. Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen machen klar, dass diese Terroristen vor nichts zurückschrecken.

Ich erwarte weiterhin, dass die Berliner Polizei in Zukunft deutliche Präsenz in der rechten Szene Berlins zeigt und Nazistrukturen endlich konsequent bekämpft. Außerdem müssen Flüchtlingseinrichtungen umfassend geschützt werden. Wer in Zweifel zieht, dass es sich bei diesem Brandanschlag um einen rechten Terrorakt handelt, hat aus dem Nationalsozialistischen Untergrund nichts gelernt. Eine Haupterkenntnis des NSU-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag war:

Rechter Terror braucht keine Bekennerschreiben, die Tat spricht für sich.”

Sehr piratig, sehr politisch korrekt, sehr im Wind der Zeit. Hatte nur einen Schönheitsfehler: Es stimmte nicht.

Es gab keinerlei Hinweis darauf, dass das Feuer aus der rechten Ecke kam. Zunächst wusste man einfach gar nichts dazu. Und dann stellte sich heraus, dass kokelnde Achtjährige aus der Flüchtlingsunterkunft das Feuer verursacht hatten.

Ist natürlich super und ein Aushängeschild für einen Nachrichtenverlag, wenn man da schon den Standpunkt vertritt, dass man zum Beschuldigen keinerlei Beweise mehr braucht, sondern schon die Abwesenheit von Beweisen genug Beweis ist, um Schuldzuweisungen zu machen und politische Konsequenzen zu fordern. Dumm gelaufen.

Ich bin ja massiv gegen jegliche Form von Brandstiftung und differenziere da nicht zwischen links und rechts. Ich gestehe niemandem und keiner Seite irgendeine moralische Legitimation zu, irgendwas oder irgendwen anzuzünden, ganz egal ob es um Flüchtlingsunterkünfte, Autos, Bahnstellwerke oder was auch immer geht. Brandstiftung geht gar nicht. Dafür müsste es noch weit härtere Strafen geben.

Aber gerade mit solchen Idiotenaktionen, aus dem Nichts heraus Schuldzuweisungen als sicher hinzustellen, die sich dann als völlig verfehlt herausstellen, erreicht man das Gegenteil, nämlich dass man alles anzweifelt oder künftig Flüchtlingsheime anzündet und dann sagt, och, das waren bestimmt wieder deren eigene Kinder.

Der political mainstream wird sicherlich den Standpunkt einnehmen, dass wer Lauer kritisiert, Rechte verteidigen wolle. Weil es nunmal politisch notwendig sei, ständig auf die Gefahr von rechts hinzuweisen. Ich sehe das aber ganz anders. Der Idiot Lauer hat in meinen Augen denen, die gegen rechte Gewalt und Brandstiftung kämpfen, einen Bärendienst erwiesen. Es ist eine der Grundregeln, dass man einen politischen Gegner nur mit wasserdichten Vorwürfen angreifen und deshalb lieber sparsamer sein sollte, als sich an der Quantität zu erfreuen. Es gibt zwar auch den Grundsatz, dass man stets mit Scheiße werfen sollte, weil irgendwas immer kleben bleibt. Die Regel sagt aber nichts darüber, an wem es kleben bleibt. Manchmal geht’s halt auch nach hinten los und am Ende steht der Beworfene sogar besser da, weil der Werfer schlechter da steht. Ganz schlechter Stil.

Ich hatte mir mal den Spaß erlaubt, Springer anzuschreiben, was die dazu sagen. Springer antwortete erst gar nicht, und dann, dass man ihn persönlich fragen müsse, denn seine politischen Aktivitäten seien dessen Privatangelegenheit, die mit seiner Tätigkeit bei Springer nichts zu tun hätten.

Damit hat sich Springer grundsätzlich völlig korrekt und rechtskonform verhalten, wenn man denn Springer als normalen Arbeitgeber ansieht, denn normalerweise gehen den Arbeitgeber private Dinge nichts an. Man kann das allerdings durchaus auch anders sehen, denn Springer ist nun einmal kein Margarine-Hersteller, sondern publiziert politisch relevante Presse, und da man das ja auch per Pressemeldung groß rausposaunt hat, dass Lauer dort arbeitet, man also selbst dafür gesorgt hat, dass er Springer repräsentiert, könnte man das schon so sehen, dass er Springer nach außen hin repräsentiert und es da auf Arbeitszeiten nicht ankommt. Das ist halt der Haken, wenn man Personalien rausposaunt. Dazu kam, dass Lauer auch Zeitungsartikel verfasst hat, also explizit nach außen in Erscheinung trat.

Außerdem gibt es noch einen anderen Aspekt. Das Landgericht Freiburg nämlich hatte im Falle einer Abmahnung entschieden, dass in manchen Fällen (hier: Autoverkäufer) der Arbeitgeber auch für private Aktivitäten, von denen er nichts weiß, haften kann, weil es zu leicht wäre zu sagen, das wäre ja nur eine Privataktivität gewesen. Wenn man wo Mitarbeiter ist, ist man das rund um die Uhr. Eine ganze Menge von Pflichten gelten auch außerhalb der Dienstzeit. So kann man auch rausfliegen, wenn man in seiner Freizeit den Arbeitgeber beleidigt oder anschwärzt, oder sonst irgendwie den Ruf schädigt. Und das kann man nun mal in Betracht ziehen, wenn einer so dumm daherredet und meint, man bräuchte für Beschuldigungen keine Beweise mehr, und schon das Fehlen jeglicher Erkenntnisse sei Grund genug für Beschuldigungen.

Springer meinte jedenfalls, dessen politische Aktivitäten gingen sie als Arbeitgeber nichts an.

Eigentlich eine Nebensächlichkeit, aber der Witz daran war, dass die BILD aus demselben Verlag zur gleichen Zeit öffentlich dazu aufrief, Rechte bei ihren Arbeitgebern anzuzeigen, um die politisch unter Druck zu setzen, sie rauszuwerfen. Also so eine Art politische Treibjagd auf Rechte zu veranstalten, eine Art organisiertes Stalking gemischt mit Selbstjustiz. Abschaffung des Rechtsprinzips und der Unschuldsvermutung, auch der Meinungsfreiheit. Das gemeine Volk wird aufgestachelt, selbst nach Gutdünken gegen Leute vorzugehen und die um ihren Arbeitsplatz zu bringen, selbstverständlich ohne Gerichtsverhandlung und erwiesene Schuld. Nicht, dass ich etwas für echte Rechte übrig hätte. Aber heute wird jeder, der nicht exakt linksextrem drauf ist, sofort als Rechter diffamiert und eingestuft, und ich halte eben an Grundwerten wie Meinungsfreiheit fest. Und Meinungsfreiheit fängt eben erst da an, wo man etwas sagt, was unerwünscht ist, und hört nicht da auf, wie es Linke immer haben wollen. Denn wenn man nur das sagen darf, was der Mainstream hören will, dann ist es eben keine Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit muss auch das Widerliche und Dumme abdecken, denn Freiheit ist mit solchen Eingrenzungen, zumal wenn sie sich nach der politischen Mode richten, unverträglich. Man kann ja auch einem Häftling nicht sagen, dass er frei ist, zu gehen, wohin er will, solange es innerhalb seiner Zelle liegt.

Das ist in doppelter Hinsicht pikant. Denn erstens hat es so deutliche Deckungsgleichheit mit Lauers Äußerungen, dass man das nicht mehr als Privatangelegenheit abtun kann, Springer ist ja in der Richtung sehr aktiv (obwohl man auch sagen muss, dass deren WELT auch flüchtlingskritische Artikel bringt). Zweitens aber zeigt es deren double standards, deren Doppelmoral: Bei Rechten soll der Arbeitgeber für deren private politische Aktivitäten verantwortlich sein und sie rauswerfen. Bei Linken (bzw. Springer selbst) gehen den Arbeitgeber private politische Aktivitäten dagegen nichts an.

Wirft ein ganz schlechtes Licht auf Springer.

Anscheinend sah Springer das wohl ähnlich.

Der SPIEGEL und der Tagesspiegel melden nämlich gerade, dass Lauer Springer verlassen habe. Schon nach einem Dreiviertel Jahr.

Zwar heißt es in den Meldungen, er habe selbst gekündigt (ja, ja,…), aber wer Arbeitszeugnisse lesen kann, der kann auch solche Artikel lesen. „Gegenseitiges Einvernehmen”. Ja,ja. Und ein Dreiviertel Jahr ist eine ganz blöde Zeit für einen Angestellten. Da sagt man dann gerne, dass der sich da nicht einfügen konnte und die nicht miteinander konnten. So als Faustregel gilt, dass man schon mindestens zwei, drei Jahre irgendo geblieben sein sollte.

Komisch ist auch die Einkommensfrage. Denn bisher hat Lauer fett verdient. Er hat sein Berliner Abgeordneteneinkommen und dazu ein Gehalt von Springer als „Leiter”, das mit Sicherheit nicht niedrig gewesen sein wird. Sein Abgeordnetensitz endet aber mit der Legislaturperiode 2016, und die Chancen auf Wiederwahl bei den Piraten, zumal er ausgetreten ist, sind gleich Null. Ich kann mir jetzt auch nicht vorstellen, dass irgendeine Partei oder irgendein Arbeitgeber auf den gerade gewartet hat. Zumal ich bei dem keine greifbare berufliche Befähigung entdecken konnte, von einem Berufsabschluss ist da auch nicht die Rede, und laut Wikipedia war die Tätigkeit für Springer seine bisher einzige berufliche Tätigkeit außerhalb der Piratenpartei und Berliner Politik. Und innerhalb der Piratenpartei und Politik hat er auch nicht gerade einen positiven Abdruck hinterlassen. Insofern kann man sich schon die Frage stellen, ob jemand in dieser Situation eine eigentlich sichere, bequeme und lukrative Stellung als Leiter bei Springer freiwillig kündigen würde, gerade auch weil die Presse ihn ja mit Aussagen zitiert, wonach er auch nicht wisse, was er jetzt macht, und vielleicht wieder in die Politik will. Hört sich an wie „sitzt auf der Straße” und nicht wie „hat gekündigt”.

Tja…