Ansichten eines Informatikers

Über die Gleichheit von links und rechts

Hadmut
21.2.2016 20:36

Oder: Die Rhetorik von Politik und Presse erkennen.

Mir geht dieses Doppelmoral-Denken zunehmend auf die Nerven. Ich hatte das ja neulich schon mal beschrieben, wie man versucht, gleichartiges Handeln (da: Feuer legen, oder Fremdenfeindlichkeit) bei Rechten und Linken moralisch, politisch, strafrechtlich völlig unterschiedlich zu bewerten.

Kam heute morgen im Radio: Vergangene Nacht hat es in Berlin wieder Zoff gegeben, wieder Rigaer Straße. Angefangen hat es damit, dass ein Rechtsradikaler in eine linksradikale Kneipe ging und dort so verprügelt wurde, dass die Ärzte Verdacht auf Schädelbruch hatten (er wollte sich aber nicht behandeln lassen und hat das Krankenhaus verlassen). Inzwischen auch in der WELT.

Da heißt es dann in Presse, in Kommentaren und linken Bekennerseiten: Selbst schuld, was geht er auch in die falsche Kneipe. Der hat ja Streit gesucht. Und warum sind dann die böse Bullen gekommen und haben die Kneipe auseinandergenommen? Man hat doch nur einen Nazi verprügelt.

Ich bin Informatiker.

Und Informatiker tun mit Vorliebe und berufsimmanent etwas, was man auch als Orthogonalisieren bezeichnet: Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Objekten, Klassen, Phänomenen suchen und die Unterschiede durch möglichst wenige, vor allem voneinander möglichst unabhängige Parameter beschreiben. Dieselbe Denkweise findet sich auch im Programmieren. In Neuschwafel hat sich für diese altbekannte Technik ein neuer Begriff ausgebreitet, mit dem man so tun will, als hätte man etwas Neues erfunden: DRY-Programming. DRY steht für Don’t repeat yourself. Hat man wiederkehrende, gleiche oder ähnliche Aufgabenschemen, dann versucht man, sie in einer allgemeinern Prozedur unterzubringen und die Unterschiede auf Parametrisierung zurückzuführen. Dinge so beschreiben, dass die Gleichheit und die Zusammenhänge einerseits und die Unterschiede andererseits so hervortreten, dass man sie also solche erkennt. Das bedeutet auch, alle Gleichheiten zusammenzufassen und die Unterschiede auf das zu reduzieren, was wirklich unterschiedlich ist. Das macht dann gutes Programmieren aus.

Diese Denkweise, verschiedene Dinge strikt daraufhin zu betrachten, was an ihnen gleich(artig) ist und die Unterschiede auf möglichst wenige Parameter herunterzubrechen, ist dem Informatiker immanent – oder sollte es zumindest sein.

Und diese Denkweise meldet sich in letzter Zeit eigentlich immer, wenn es um die Auseinandersetzungen zwischen links und rechts geht, denn: Die kommen mir immer so gleich vor, mit nur geringen parametrischen Unterschieden (hab ich ja schon öfters angesprochen).

Tauscht einfach in der obigen Story mit der Kneipe mal zwei Parameter aus: Kommt ein Schwarzer in die Nazi-Kneipe… Der Rest ist gleich. Wird aber völlig unterschiedlich bewertet. Obwohl die Ähnlichkeiten enorm sind:

  • Bei glauben, dass es in der Gesellschaft zwei Sondergruppen mit Sonderstatus gäbe: Eine Gruppe, die Leute verprügeln darf, und eine Gruppe, die man verprügeln darf. Und beide halten sich selbst für die Gruppe, die legitimiert wäre, jenseits allen Rechts Leute zu verprügeln. Nur die Bezeichnungen der Gruppen unterscheiden sich. Die Art der Gewalt ist gleich.
  • Beide lehnen Staat, Staatsgewalt, Gewaltmonopol ab, und glauben, sie hätten Selbstjustizermächtigung.
  • Beide errichten Territorien, in die Polizei und „Fremde” nicht reindürfen, und gegen deren Grenzverletzung sie mit Gewalt vorgehen dürften. Beide extrem fremdenfeindlich, beide wollen „unter sich” bleiben. Beide kleiden sich spezifisch mit äußeren Erkennungszeichen (Tribe-Zeichen). Beide beschmieren Wände.
  • Beide extrem gewaltorientiert, dafür wenig im Hirn. Wichtigstes Überzeugungsargument ist immer irgendwas zum Zuschlagen.
  • Beide halten ein Feindbild, das sie vorgeblich aus ideologisch-pseudorationalen Gründen haben. Realistisch geht es nur darum, immer genug Leute auf Vorrat zu haben, die man moralisch legitimiert verprügeln kann.
  • Beide sind extrem fremdenfeindlich. Beide glauben, Dinge anzünden zu dürfen, um unerwünschte Fremde vom Zuzug abhalten zu können, die ihnen Jobs und Wohnraum wegnehmen, und über deren andersartiges Aussehen, die andere Sprache, deren anderen Lebensstil sie sich aufregen, weil beide glauben, dass man nur nach ihrer Weise richtig leben könne. Bei einen sind es Schwaben und Bayern, bei anderen Türken und Araber.
  • Beide laufen rum wie Müll und bevorzugen Lebensumstände, die weit unterzivilisatorisch und irgendwo am Höhlenmenschen sind, beide massiv drogenaffin, oft mit Hygienedefiziten und intensivem Körpergeruch. Leute der Sorte, mit denen man nicht mal im selben U-Bahn-Waggon sitzen will. Trotzdem glauben beide, Fremden und Zuzüglingen gegenüber zivilisatorisch überlegen zu sein.
  • Bei beiden sind viele Mitglieder des Lesens, des Schreibens, der deutschen Sprache nicht ernstlich mächtig, beide glauben aber, ihrem Feindbild gegenüber intellektuell überlegen zu sein.
  • Bei beiden liegen viele Mitglieder dem Staat, den sie bekämpfen, auf der Tasche und lassen sich durchfüttern. Beide sind gesellschaftlich völlig nutzlos und nur teurer Ballast – werfen aber anderen vor, auf anderer Leute Kosten leben zu wollen.
  • Beide verlogen und einseitig blind, um ihr Weltbild zu stützen.
  • Beide folgen aus der Luft gegriffenen Ideologien von personifizierten Autoritäten.

Ich habe mir das deshalb eigentlich abgewöhnt, da noch inhaltlich zwischen rechts und links zu unterscheiden. Gewaltgeile Kriminelle, die sich per Ideologie und Feindbild einreden, sie wären zu Gewalt legitimiert. Sie dürften das. Ich beobachte schon lange, dass Rechts- und Linksextreme eigentlich aus dem gleichen Material gemacht sind.

Mittlerweile habe ich auch den Eindruck, dass „links” und „rechts” nur noch rhetorische Kunstgriffe sind, um gleiche Taten moralisch, politisch und journalistisch unterschiedlich zu bewerten.

Die Woche gab es irgendwo einen Bericht über eine Umfrage, wonach die Hörer, Zuschauer und Leser das Pressedauerfeuer dazu auch nicht mehr hören können, indem ständig nach rechts und links differenziert und das Böse auf „Pegida” reduziert wird.

Ich habe immer stärker den Eindruck, dass dieses rechts-links-Gerede und rechts-Gebashe dazu dient, künstlich zwei verschiedene rechtliche, moralische, journalistische Bewertungsräume für gleichartige Straftaten aufzuspannen.

Ich glaube aber nicht, dass man rechte Gewalt jemals wirksam wird eindämmen können, solange man doppelmoralig Leute mit gleichen Taten verharmlost. Daher ist auch dieses ganze linke antifaschistische Getue (Antifa usw.) verlogen, denn man bekämpft etwas ja nicht, indem man sich genauso verhält und nur unterschiedliche Bewertungen der gleichen Kriminalität vornimmt. Man wird Brandstiftung und Gewalt gegen »Andersartige« niemals eindämmen können, solange man gleichzeitig eine Sorte geduldeter Brandstiftung und Gewalt hinnimmt.

Ich finde dieses Billigen, Gestatten, Verharmlosen von Gewalt unerträglich.

Wie will man rechtsradikale Angriffe auf Ausländer eindämmen, wenn man gleichzeitig den Standpunkt vertritt, dass es da zwei Spezialsorten Leute gibt,