Ansichten eines Informatikers

Parteien und Populismus

Hadmut
29.4.2016 0:40

Ständig hört man den Vorwurf des Populismus. Was steckt eigentlich dahinter? Es ist im Zeitalter der Worthülsenrhetorik gar nicht mehr so einfach, noch die Semantik von Kampfbegriffen zu erfassen. Ich glaube, ich komme der Sache inzwischen auf die Spur.

Ich hatte es ja geschrieben, dass ich gestern abend bei dieser tieftraurigen SPD-Veranstaltung war. Eigentlich wollte ich viel mehr schreiben, war aber schon so müde, dass ich beim Schreiben in meinem Wohnzimmerliegesessel eingepennt, dann wieder halb aufgewacht bin und schnell auf „publish” gedrückt und mich ins Bett gelegt habe, bevor’s noch schlimmer wird. Das war einfach zu ermüdend. Ich habe aber gestern auf dem Heimweg und heute morgen noch weiter drüber nachgedacht, gerade weil ich es nicht so erschöpfend beschrieben hatte.

Was mir gestern abend – wieder mal – aufgefallen ist, wie oft, immer wieder, in fast jedem Satz der Vorwurf des „Populismus” erhoben wurde. Aber sie haben nie explizit gesagt, was sie darunter eigentlich verstehen.

Implizit haben sie es aber schon gesagt. Vor allem dann, wenn sie diesen Tonfall drauf hatten, der so eine Mischung aus Neid und Angewidertheit hatte. Als sie darauf schimpften, dass die AfD Leute anzieht, dass die Politik-Verdrossenen plötzlich wieder wählen gehen, dass die Leute plötzlich offen ihre Meinung sagen.

Und dann dieser Spruch, wie der Wähler zu wählen habe, wenn er „ernst genommen werden will”. Ich habe gedacht, ich falle vom Stuhl. Nicht die Partei muss dem Wählerwillen entsprechen, sondern umgekehrt hat der Wähler sich parteigefällig zu verhalten. Und diese völlige Unfähigkeit zur Selbstkritik: Nie auch nur ein Gedanke, dass die SPD irgendetwas falsch gemacht oder irgendwie Wähler verprellt haben könnte: Sie halten den Wähler ja noch nicht mal für willensfähig. Wähler gehen in deren Augen nur deshalb, weil sie von der AfD verführt, verlockt, getäuscht werden, als könnte man niemals aus eigenem Willen die SPD nicht mehr wählen. Sie haben ja auch davon gesprochen, dass die bei ihnen „wildern” würden. Quasi wie Viehdiebe, die Eigentum der SPD gestohlen haben.

Was für eine unglaubliche Arroganz dahintersteckt. Die betrachten Wähler als ihr Eigentum, das ihnen andere gestohlen haben.

Dazu muss man natürlich sehen, dass die SPD seit Jahren in absurden Ideologien hohldreht und sich völlig von der realen Welt – und damit auch vom Wähler – verabschiedet hat. Die sind voll von sich überzeugt, dass sie irgendwelche erleuchteten höheren Ideen haben, und das schnöde Volk gefälligst zu folgen und das Maul zu halten hat. Und daraus erwächst auch dieser Populismus-Vorwurf: Aus der Beobachtung, dass andere sich nicht an dieses vermeintliche Politik-Ideal halten, erwächst diese Verachtung – in der Hoffnung, sich selbst erhöhen zu können. Parteien wie SPD und Grüne beruhen inzwischen darauf, auf irgendwelchen Ideologie-Phantasien herumzuschweben, und alles als populistisch zu bewerten, was noch irgendwie Richtung Boden guckt.

Und da wurde ja auch sehr klar deutlich, dass sie dem Wähler, dem Souverän eigentlich jede Wahlfähigkeit absprechen, der hat zu wählen, was die SPD ihm sagt. Ich habe ja schön öfters geschrieben, dass Demos, Populus und Volk das gleiche Wort sind (Griechisch, Lateinisch, Deutsch). Das ist paradox, denn die SPD beschimpft andere des Popularismus, will aber selbst Volkspartei sein und hält sich selbst für demokratisch (sagte sie ja auch, dass sie eine demokratische Partei seien, die AfD dagegen sei populistisch).

Interessant dabei war, dass einer aus dem Publikum, nach eigener Aussage Sozi seit 40 Jahren, sagte, dass die SPD ihre Kernklientel komplett verloren habe. Die SPD ist inzwischen eine Partei ohne Wähler, ohne Klientel, und hält das für eine Gemeinheit anderer, eine Nichterfüllung ihres Anspruches, gewählt zu werden.

So ist denn auch klar und wurde gestern abend mehr als deutlich, was es bedeutet, eine Partei für „populistisch” zu erklären: Es ist ein Schimpfwort für Parteien, die Kontakt zu ihren Wählern halten. Für die, die nicht dem Schema folgen, sich als Partei einfach selbst genug zu sein.

Darin erkennt man ein Muster. Eigentlich habe ich es schon öfters beschrieben, aber auch viele Leser haben das so erkannt, und erkennen dieses Muster wieder: Feminismus hat die Piraten zerstört. Feminismus unterwandert die Linken. Und Feminismus scheint gerade die SPD zugrunde zu richten.

Wie ich das finde? Beruhigend. Es scheint ein heilsames Korrektiv zu sein, dass alles, dessen der Feminismus habhaft wird, daran stirbt. Dass diese Ideologosierung letztlich selbstvernichtend ist.