Ansichten eines Informatikers

Die neueste Vergewaltigungskampagne

Hadmut
5.6.2016 12:34

Da kann man mal live mit ansehen, wie Leute öffentlich vernichtet werden.

Sagt Euch der Name Jacob Appelbaum was?

Ich habe den hier mal in Berlin bei zwei oder drei Veranstaltungen sprechen gehört, hörte sich recht vernünftig an, viel näher konnte ich den bisher nicht einordnen. Gehört irgendwie in das Umfeld von Assange und hat irgendwas am TOR-Projekt mitgeschrieben, steht also sicherlich nicht auf der Liste der Kandidaten, die der amerikanische Geheimdienst ins Herz geschlossen hat und für Auszeichnungen vorschlägt. Irgendwo hieß es mal, der wohne hier in Berlin. Auch in der Snowden-Affäre steckte der mit drin und an vielen Artikeln zur Snowden-Affäre mitgeschrieben. Und ist Doktorand in Kryptographie (Uuuuuhhh…).

Gegen den wird jetzt eine ganze Kanonade an anonym (!) erhobenen Vorwürfen gefahren. Komischerweise genau zu dem Zeitpunkt, als die EU gerade mit Vorschlägen um die Ecke kommt, anonymisierte Kommunikation in Social Media zu unterbinden. So’n Zufall aber auch.

Nun ist da eine – anonym betriebene Website – aufgetaucht, die auf seinen Namen lautet, nämlich jacobappelbaum.net, auf der Vorwürfe gegen ihn erhoben werden.

Die typische links-feministische Masche, die wir schon so oft gesehen haben, gehostet irgendwo in der Welt, Domain versteckt hinter Tarnorganisationen, Urheber nicht herauszufinden. (Hier aber eine Besonderheit: Löst auf die IP-Adressen 192.30.252.153 und 192.30.252.154 auf, und die gehören zu GitHub, und dass die gerade in einem feministischen Beschuldigungssumpf versinken, einschließlich code of conduct, ist bekannt und hier schon mehrmals beschrieben.)

Es ist seltsam. Ich stoße in diesem linken feministischen Umfeld immer wieder auf anonyme und getarnte Diffamierungswebserver (auch MünklerWatch und diverse feministische Blogs), und die Politik redet zum Thema Internet und Anomymität immer von „Hate Speech” und „rechter Gewalt”. Würde mich mal interessieren, was Heiko Maas dazu sagt, denn in dessen Weltbild kommt sowas ja gar nicht erst vor.

Hey there! We’re a collective of people who have been harassed, plagiarized, humiliated, and abused — sexually, emotionally, and physically — by Jacob Appelbaum. Jake enjoys manipulating people through his built-up social capital, influence, and power, in order to get what he wants.

Wenn man weiß, wie feministische Rhetorik funktioniert und was die alles als „Harassment” bezeichnen, und dass die Definitionshoheit beim Opfer liege, dass sich jederzeit und völlig beliebig und ohne jeden Beweis belästigt fühlen darf, dann enthält der Vorwurf genaugenommen gar nichts. Dann müsste man sagen, ist ja OK so, Business as usual.

Irgendwie finde ich diese Stories auch sehr seltsam.

Bei vielen bekomme ich da nur eine Placeholder-Anzeige, es sind also faktisch weniger Stories als behauptet. Und ein paar davon habe ich gelesen, wo ich dann danke, was, das soll ne Vergewaltigung oder was sein? Leute, die sich zum ihm ins Bett legen und dann über den Arm wundern? Oder da irgendwie alle zusammen in einer Wohnung pennen? Seltsame Sitten, seltsame Verhältnisse. Das erscheint mir alles sehr subjektiv, willkürlich, einseitig, aufgebauscht.

At a hacker event, Jake kissed me on the mouth in public in front of others without invitation or any indication of consent. I am personally very wary of communicable disease, especially cold sores and herpes (which I have taken great care to avoid). I expressed my concern, and others present voiced their disapproval of the surprise advance, especially given my concerns about disease. I do not recall being told even after the fact that there was no risk of contagion.

Das ist natürlich ein Fall schwerer Vergewaltigung, sowas verwindet man sein Leben lang nicht mehr.

(Wenn ich bedenke, wie das früher, vor Silvester, im Kölner Karneval oder anders wo zuging, wo das spontane Rumknutschen mit Fremden völlig normal war…)

Mal abgesehen davon, dass feministische Vergewaltigungsvorwürfe nicht mal mehr den Wahrheitsgehalt einer geworfenen Münze und eine Glaubwürdigkeit unter Null haben, sowas wäre nicht mal ein Grunzen wert, wenn es so stimmen würde. Ich könnte mir vorstellen, dass der Beschuldigte die Situation gänzlich anders darstellen würde.

(Ich überlege gerade. Hatte ich hier im Blog nicht mal eine Geschichte, in der eine Frau auf einer anonymen Webseite beschuldigt wurde, ihren Typen zu verprügeln, und man das in der Presse komplettt ignoriert und totgeschwiegen hat?)

Es gibt keine Gerichtsverhandlung.

Es gibt keine Untersuchung.

Es gibt kein rechtliches Gehör.

Es gibt keine greifbaren Zeugen.

Man weiß nicht mal, ob das überhaupt mehrere Autoren sind oder hinter allem ein einziger steckt.

Es gibt nichts als anonyme Beschuldigung und öffentliche Diffamierung ohne Möglichkeit der Gegenwehr.

Aber natürlich berichtet die Gender-Postille DIE ZEIT darüber, als wär’s wahr und bewiesen. Und die bei TOR selbst schreiben:

Over the past several days, a number of people have made serious, public allegations of sexual mistreatment by former Tor Project employee Jacob Appelbaum.

These types of allegations were not entirely new to everybody at Tor; they were consistent with rumors some of us had been hearing for some time. That said, the most recent allegations are much more serious and concrete than anything we had heard previously.

We are deeply troubled by these accounts.

We do not know exactly what happened here. We don’t have all the facts, and we are undertaking several actions to determine them as best as possible. We’re also not an investigatory body, and we are uncomfortable making judgments about people’s private behaviors.

That said, after we talked with some of the complainants, and after extensive internal deliberation and discussion, Jacob stepped down from his position as an employee of The Tor Project.

We have been working with a legal firm that specializes in employment issues including sexual misconduct. They are advising us on how to handle this, and we intend to follow their advice.

Heißt: Wenn Beschuldigungen nur oft genug wiederholt werden, müssen sie ja wohl wahr sein. Oder es reicht schon, dass sie wahr sein könnten. (Erinnert mich daran, dass es in den USA schon Haushaltsgeräte wie Staubsauger gibt, die damit beworben werden, dass sie im ganzen Land beworben werden, dass es also schon ein herausragendes Qualitätsmerkmal sei, dass viel Werbung für sie gemacht wird, und viele Amerikaner darauf reinfallen.)

Das heißt: Unabhängig davon, ob sie in diesem Einzelfall stimmen oder nicht, reicht es dort schon, jemanden einfach nur subversiv genug zu beschuldigen. Dann ist der schon erledigt, noch bevor er sich wehren konnte.

Und das heißt auch: Diese ganze Beschuldigungskultur ist in extremem Maße anfällig für geheimdienstliche Agitation. Ich sage nicht, dass das hier so war. Aber – und die gleiche Logik zu verwenden – es wäre möglich. Nein, im Ernst, abstrahiert mal vom Einzelfall und denkt darüber nach, was aus diesem Muster an Möglichkeiten hervorgeht. Ein paar Gerüchte streuen, eine anonyme Webseite mit genaugenommen gar nichts, ein paar heulende Tussies, das bekommt jeder Geheimdienst, jede politische Organisation hin.

So werden heute Leute abgesägt. Ich hatte das ja früher mal beschrieben, dass Linux Thorvalds in ständiger Gefahr ist, in irgendwelche Vergewaltigungsvorwurfsszenen gezogen zu werden und auf Konferenzen darauf achten muss, niemals mit irgendwem, schon gar nicht Frauen, alleine zu sein, weil man nur darauf laufert, ihn irgendwie erledigen zu können. Dementsprechend stellt sich auch die Frage (auf die mich ein Leser hinwies), warum ausgerechnet jemand wie Appelbaum, der mit Assange und Snowden zu tun hat und weiß wie das läuft, noch so doof sein sollte, sich in solche Gefahr zu begeben. Das ist nämlich der Punkt, der mir da auch nicht einleuchtet. Der Typ muss doch wissen, dass er auf der kleinen Abschussliste der Geheimdienste steht, und wie das so läuft. Und wer an Tor mitschreibt, der hat doch genug Gefühl für Bedrohung durch Geheimdienste.

Dass der sich noch so selbst kompromittieren sollte?

Seltsam.

Wisst Ihr, was mir in solchen Fällen durch den Kopf geht?

Was habe ich für ein Glück gehabt, dass sie mich als Kryptoforscher schon in den Neunzigern abgesägt haben. Da haben sie mir wenigstens nur die Promotion und die Karriere versaut, und mir nicht noch – wie das heute üblich ist – eine Vergewaltigung untergeschoben.