Politisch korrekte Mädchenphysik
Oder: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft hat jetzt offiziell festgestellt, dass Mädchen für normalen Physikunterricht zu doof sind.
Gut, sie haben es etwas anders formuliert.
Die haben nämlich eine Studie über Physik in der Schule erstellt. Die gibt’s in vier Teilen, nämlich Zusammenfassung, Hauptteil, Basiskonzepte und Anhänge.
Generell geben sie den Physik-Unterricht an Schulen einfach auf. Seite 4 der Zusammenfassung:
Trotzdem müssen wir – angesichts der gewaltigen Stofffülle, der großen Heterogenität der Lernenden und der weit über die reine Wissensvermittlung hinausgehenden Anforderungen an den Physikunterricht – Abschied von der Idee nehmen, dass Physik in der Schule in ihrer fachkanonischen Gänze vermittelt werden könnte – und sei es auf einem noch so elementaren Niveau. Die Lehrpläne müssen dramatisch reduziert werden. Stattdessen sind wesentliche Aspekte der Physik beispielhaft zu vermitteln.
Abschied von der Idee nehmen, Physik könnte vermittelt werden?
Komisch. Zu meiner Zeit ging das noch. Wir hatten richtig guten Physikunterricht mit jeder Menge Experimente und der Abdeckung eigentlich aller Bereiche der Physik. Ich hatte dann noch einen Leistungskurs Physik und die sehr guten Schulbücher habe ich heute noch im Schrank stehen. Während einen an der Uni in Mathe erst mal er Schock ereilt, dass der gesamte Leistungskurs Mathematik der Oberstufe so ungefähr in der ersten Dreiviertelstunde der ersten Vorlesung abgehandelt wird, bin ich mit meinem Leistungskurs Physik eigentlich ziemlich gut durch die Uni gekommen. Und ich hatte im Vordiplom und Hauptdiplom jeweils Nebenfach Physik. Da habe ich gegenüber meinem Oberstufenleistungskurs nicht mehr allzuviel machen müssen. Trotz Kernphysik.
Wieso also kommt ausgerechnet die Deutsche Physikalische Gesellschaft nun auf die Idee, man müsse sich von der Idee verabschieden, Physik in der Schule zu vermitteln? Früher ging das doch prächtig.
Das solle sich auf ein paar exemplarische Beispiele reduzieren? Ergebnis keine Ahnung von Physik, aber ich hab’s schon mal aus der Ferne gesehen?
Das stinkt doch von der Formulierung her schon gewaltig nach dem feministischen Konzept der „Methodenkompetenz”: Man muss das Fach nicht mehr können, es reicht, wenn man mal in der Nähe war, wenn einer drüber gesprochen hat.
Und tatsächlich findet sich auf Seite 10 der Zusammenfassung:
Physiklehrer und Physiklehrerinnen sollten sensibel einer strukturellen Benachteiligung von Mädchen in den MINT-Fächern entgegenwirken. Mädchengerechte Kontexte (die erfahrungsgemäß keinen Interessenabfall bei den Jungen hervorrufen) und positives Feedback sind einfache und wirksame Strategien gegen den Interessenabfall bei Mädchen. Ziel muss es sein, mehr Mädchen für die Physik in der Oberstufe zu gewinnen, und den Anteil von Frauen in natur- und ingenieurwissenschaftlichen Berufen zu steigern. In Anhang G.3 finden sich zu dieser Thematik zahlreiche weitere Anregungen für die Unterrichtspraxis.
Daher weht der Wind. Mädchen interessieren sich nicht für Physik und Jungs haben bessere Noten. Also muss Physik raus aus der Schule. (So werden die besseren Noten der Mädchen gemacht.)
Und auf Jungen wir da keine Rücksicht mehr genommen. Es wird einfach behauptet, dass solche „Mädchenaufgaben” bei denen keinen Interessenabfall bringen würde.
Anstatt sich an standardisierten Aufgabentypen abzuarbeiten, sollten Schüler es (wieder) lernen, physikalische Probleme zu lösen. Die Aufgabenkultur im Unterricht muss vielfältiger und problemorientierter werden, binnendifferenzierte Lösungswege ermöglichen und so auch der Leistungsheterogenität der Schüler begegnen. Die zu vermittelnde Stofffülle muss drastisch verringert und das erwartete Leistungsniveau erheblich reduziert werden. Alternative Unterrichtsdrehbücher können der oft beklagten Monotonie des Ablaufs von Physikstunden entgegenwirken.
Stofffülle drastisch verringern und das erwartete Leistungsniveau erheblich reduzieren.
Damit mehr Mädchen mitmachen.
Kann man deutlicher sagen, dass man Mädchen für doof hält?
Und dass die Gleichstellungsschule bedeutet, alles aufs unterste Niveau durchzuverblöden?
Damit sogar die dummen Nüsse sich einbilden können, sie könnten Physik, Informatik oder was auch immer? Damit dann hinterher die Firmen jammern, dass sie keine qualifizierten Mitarbeiter finden?
Und wie soll das überhaupt funktionieren? Wie sollen die „physikalische Probleme lösen”, wenn Stoff und Leistung drastisch reduziert wurden?
Mal ne blöde Frage:
Warum muss es eigentlich Ziel sein, mehr Mädchen in die Oberstufenphysik zu kriegen und den Anteil von Frauen in Natur- und ingenieurwissenschaftlichen Berufen zu steigern, wenn man dafür so viel Substanz und Anforderungen opfern muss?
Worin liegt da dann noch der Vorteil, der das zum Ziel machen könnte?
Ist Physik (Informatik,…) mit hohem Niveau aber vielleicht kleinen Frauenanteil für die Gesellschaft nicht insgesamt nützlicher?
Wo liegt eigentlich der gesellschaftliche Vorteil, Frauen in die MINT-Fächer zu quetschen, wenn dabei das Niveau auf der Strecke bleibt und die Berufsausbildung zum Witz, die Eigenschaft „Physikerin” nur noch eingebildet ist?
Wer sich noch amüsieren will, wie das dann abläuft, kann in den Anhängen die Vorschläge ab Seite 178 lesen.
Ich bemühe mich darum, offene, nicht bereits von vornherein eindeutig zu beantwortende Fragen zu formulieren.
Jo. Physik als Meinungsaustausch.
Dann wohl auch keine Experimente mehr, denn die würden ja überprüfen, was stimmt und was nicht.
Und die sollen mal unsere Rente erarbeiten.
(Danke für den Hinweis.)