Unter Pressesprechern
Ich war vorhin auf einer Veranstaltung zum Thema „Was tun gegen Hatespeech?”
Meine Kritik dazu.
Heute mittag hatte mich ein Leser auf diese Veranstaltung aufmerksam gemacht. Diskussion in einer Berliner Kneipe (die sich für ein Cafe hält). Drei Diskutanten
- Andrea Dernbach (Politische Reporterin beim Tagesspiegel)
- Christiane Germann (Social Media Expertin)
- Rechtsanwalt Jan Mönikes (Justiziar beim Bundesverband deutscher Pressesprecher)
dazu eine Moderatorin und zwei leere Stühle, weil das als „Pub-Talk” ausgegeben war, bei dem sich das Publikum dazusetzen und mitdiskutieren kann. „Der Berliner Pub Talk wird von Mitgliedern des Toastmaster-Clubs Berliner Redekünstler organisiert.”
Um es gleich zu sagen: Ich fand es unglaublich seicht. Wiederkäuen des schon tausendmal gehörten in schlaffer Version. Zudem Leute auf dem Podium (und im Publikum), die sich in ihrer Meinung sehr, sehr ähnelten und auf einer 360°-Skala um vielleicht 5 bis 10° unterschieden. Der Rechtsanwalt Mönikes hatte zumindest ab und zu mal ein paar andere Standpunkte, obwohl er das moralisch auch so sah, und wies immerhin darauf hin, dass nur, weil einem etwas nicht gefällt, es noch lange nicht rechtswidrig ist, und der Versuch, etwas anzuzeigen, häufig im Frust endet, weil man da nur erfährt, dass der Beschuldigte das eben sagen darf. Gar zu oft könnten Leute, die sich an „Hate Speech” störten, ihren Wunsch, dass etwas strafbar sein möge, und ob es wirklich strafbar ist, nicht auseinanderhalten. Und er sagte auch mal direkt, dass man „mit Arschlöchern eben leben müsse”.
Das war aber dann auch schon das Höchste und Einzige an Kritik an der politisch korrekten Einheitsmeinung. Ansonsten ist man so bei Zimmertemperatur so im eigenen Saft vor sich hingemodert. So ne typische Selbstbestätigungsveranstaltung. Ich habe versucht, mitzuschreiben, aber in der ersten Hälfte (sie machten bei einer 90-Minuten-Veranstaltung nach der Hälfte eine Zigarettenpause, sagt das nicht schon ziemlich viel?).
Was sie nämlich nicht sagten, ist, was Hate-Speech eigentlich ist. Die reden und reden und reden über Hate-Speech, was man dagegen tun könne, ohne auch nur ein einziges Mal klarzustellen, was es eigentlich sein soll. Nur der Anwalt sagte eben mal, dass man da schon das Strafbare und das, was man einfach nur nicht hören wolle, auseinanderhalten müsse.
Die „Social Media-Managerin” Germann (hört sich an, als wäre sie Managerin bei Facebook oder sowas, twittert im Auftrag des Bundesministerium des Inneren. Ich kenne die Frau nicht, und kann sie nur nach dem beurteilen, was sie heute sagte, aber ich wusste nicht, was mich da mehr entsetzt, dass sie sich für eine Social-Media-Expertin hält oder dass das BMI sich solcher Leute bedient. Auf mich hat sie naiv gewirkt. Ich bin gerade erstaunt über die Berufsbezeichnungen auf ihrer Profil-Seite: Diplom-Medienwirtin, Diplom-Verwaltungswirtin und zertifizierte Social Media-Managerin (depak). Sorry, das hört sich für mich wie diese Pseudo-Diplome, die man im Internet von amerikanischen Titelmühlen und Religionsgemeinschaften kaufen kann, wie Doktor der Metaphysik oder des Exorzismus. Man muss sich deren Urkunde mal anschauen: „Das E-Learning-Studium umfasste 16 Lehrmodule mit insgesamt 27.5 Webinar-Stunden und nachträglicher Aufgabenstellung.”
Muss man sich mal klarmachen: Ein Wochenende lang auf irgendwelchen Webseiten rumklicken führt heute schon zu einer a) Berufsbezeichnung und b) Pressetätigkeit im Bundesinnenministerium. Und „Diplom-Medienwirt” hört sich halt auch schwer nach „irgendwas mit Medien” an. Irgendwie habe ich da gerade den Eindruck, dass man für die Frauen-Qualifizierung einfach irgendwelche Phantasieberufe erfunden hat. Du twitterst gerne? Also bist Du jetzt „Diplom-Medienwirt”!
Ich finde das irgendwie grotesk, womit man heute „Experte” wird.
Und die erzählte, dass sie gleich doppelt von Hate-Speech getroffen wäre, privat und dienstlich. Privat könne sie das eben einfach alles sperren und wegklicken, aber dienstlich müsse man sich damit eben befassen. Und dann gab sie Beispiele. Etwa dass Leute Unwahrheiten schreiben, neulich etwa die Sache mit dem Gerücht, dass die Bundesregierung die Flüchtlinge nun heimlich nachts einflöge. Oder eine hätte mal zwanzig Mal an einem Tag was getwittert oder gemailt, weiß nicht mehr, ich glaube es war irgendwas mit Ausländer nehmen die Arbeitsplätze weg oder sowas.
Ich habe mich da gefragt, wo ich da eigentlich sitze, denn niemand sonst im Publikum schien das zu stören.
Was die da beschrieb, war kein Hate Speech. Es war vielleicht falsch. Und es war vielleicht sogar blöd. Aber es war nun einmal das, was die Leute da umtrieb. Und die Gerüchte – ich hab’s ja auch an der Fülle der Zuschriften gemerkt – gingen nun mal herum. Und diese „Expertin” regt sich nun darüber auf, dass sie den Leuten schreiben musste, das das nicht stimmt.
Wofür wird die eigentlich bezahlt?
Wäre das nicht normales Tagesgeschäft, den Leuten mitzuteilen, dass das nicht stimmt, und wie es in Wahrheit sein soll, anstatt die Leute dafür als „Hate Speaker” zu brandmarken? Ist Hate Speech schon, wenn die Presseleute für ihr Geld mal arbeiten müssen?
Mir hat es da echt gegruselt, wie sehr sich da die Regierung und die Ministerien vom Volk entfremden und entfernen. Da geht’s ja schon gar nicht mehr darum, was das Volk (eigentlich der Souverän in der Demokratie) sagt oder denkt, sondern dass unsere Politik schon so abgehoben und entfernt ist, dass eigentlich schon jeder Kontakt mit dem Volk, der nicht in politisch korrekten Zustimmungshymnen verläuft, „Igitt!” ist und dafür das Wort „Hate Speech” gilt. Hate Speech ist, wenn Politik und Presse mit Volk und Leser belästigt werden.
Die Journalistin vom Tagesspiegel ging mir auch auf den Wecker. Sie hat da was erzählt davon, dass sie beim Tagesspiegel nur wenig blocken und auch nur die wüsten Dinge, was aber objektiv nicht stimmt. Leser hatten mich schon darauf hingewiesen, dass der Tagesspiegel deren Kommentare löscht, wenn sie auf mein Blog verweisen, mit der Begründung, dass mein Blog „unseriös” sei (siehe hier). Hate Speech haben sie mir nicht vorgeworfen, einfach nur, dass bei mir was anderes steht als sie gerne lesen möchten. Also ist das, was sie da heute behauptet hat, schlichtweg unwahr (von wegen seriös und so).
Eigentlich wollte ich da schon aufbegehren und mal einen freien Stuhl nehmen, da gab’s aber überraschend die Pause. Nach der Pause einen Themenwechsel, nämlich zur „Verantwortung der Plattformen”. Da hätte meine Kritik nicht mehr so reingepasst, außerdem wollte ich ja die und nicht mich selbst reden hören. Es gibt zwar ziemlich viele Leute in dieser Branche, die vor allem sich selbst reden hören wollen und niemanden sonst. Aber ich finde das langweilig, denn ich weiß ja schon, was ich sagen will. Kommt selten vor, dass ich es schaffe, mich in einer Rede selbst zu überraschen. Und mich selbst zu bestätigen, daraus mache ich mir auch nicht viel. Ich rede, wenn überhaupt, dann eher, um andere zum Reden zu bringen.
Naja, und dann eben die Rumhackerei auf Facebook. Man ereiferte sich darüber, dass auf Facebook Brustwarzen zensiert werden, aber rassistische Hetze bestehen bleiben könne. Ob jetzt die Verantwortung bei der Plattform oder doch eher beim Seitenbetreiber liege. (Fand ich auch drollig: Es gibt jede Menge linkeer anonymer Hetzblogs ohne Impressum, da stört sich aber niemand dran. Mit Facebook hat man aber so ein Feindbild geschaffen, auf das sie sich alle einschießen.)
Der Rechtsanwalt hat dann wieder was sinnvolles gesagt. Er hat nämlich gesagt, dass man sich mal den Iran ansehen solle. Im Iran sei Pornographie tatsächlich nicht verboten. Warum? Weil die Abbildung der unverhüllten Frau schlechthin verboten sei, da bräuchte man kein separates Pornographieverbot mehr. Sei halt deren moralische Vorstellung. Würde man sich aber auf einen internationalen Standard einigen oder den gemeinsamen moralischen Nenner, würde das ja dazu führen, dass wir deren Moralvorstellungen zu respektieren hätten und deshalb keine unverhüllten Frauen mehr zeigen dürften. Es wäre also nicht möglich, länderübergreifende einheitliche Standards zu finden. Wolle er auch gar nicht, der Preis sei ihm zu hoch. Manche würden daraus dann folgern, das man das Internet einfach ganz sperren oder abschalten wolle. Sowas würden zwar viele für „Schwachsinn” halten, dennoch habe er die Forderung in der SPD von vielen Politikerin gehört. (Muss ich zur SPD noch was sagen?) Trotzdem wolle man das Internet nicht „reterritorialisieren”.
Zudem sei bei uns schon der Zustand einer ähnlichen Moralisierung eingetreten, weil es inzwischen – wegen Leuten wie Maas – strafbar wäre, Menschen unter 18 Jahren nackt zu zeigen, und sie deshalb keine Baby-Fotos mehr zeigen könnten. Eine Pressesprecherin einer Diakonie merkte an, dass auch sie Probleme haben, weil sie Bilder von Geburten zeigten (die naturgemäß was mit nackter Haut zu tun haben) und die von Facebook geblockt wurden.
Ich finde das absurd: Sie schreien gleichzeitig nach Zensur und beschweren sich über Zensur. Bitte nur Zensur nach deutschem Geschmack, die Zensur aller anderen Länder bitte nicht!
Ich habe mich da dann doch mal gemeldet und auf einen Podiumsstuhl gesetzt, mich als Informatiker ausgewiesen, der schon im Internet rumspringt, seit es das in Deutschland gibt, und Social Media benutzt habe, lange bevor es den Begriff und Facebook gab (man muss sich ja von den „Social Media-Experten” abgrenzen, die Twittern für Expertentum halten). Ich habe gesagt, dass ich an dieser Veranstaltung viel Kritik hätte, mich aber wegen der Kürze der Zeit auf einen einzigen Punkt beschränken wolle: Nämlich den der Überheblichkeit.
Facebook sei nicht, wie andere sagten, ein „neues Internet”, sondern nur eine Serverplattform mit Software, die es auch dem Laien ermöglich, leicht und einfach Webseiten zu produzieren. (Fachbegriff wäre Content-Management-System; ich kringel mich immer, wenn die Leutinnen sich alls Social-Media-Experten oder Internet-Beraterinnen verkaufen, aber Facebook, Web und Internet nicht auseinanderhalten können, also eigentlich gar nichts verstanden haben.)
Wir würden als Deutsche erwarten, dass die Amerikaner uns eine Dienstleistung wie Facebook kostenlos zur Verfügung stellen, aber sich dabei bitteschön nur nach unserem Recht richten, nicht mehr und nicht weniger sperren, als wir für richtig halten. Ich hielte es für überheblich und anmaßend, in einem fremden Land deren Dienste – kostenlos – zu nutzen und dann noch zu verlangen, dass man sich nach uns richten möge. Auf die Frage, was man gegen Facebook tun könne, gebe es meines Erachtens nur eine Antwort, nämlich sowas wie Facebook selbst zu schreiben und selbst zu betreiben, nach deutschem Recht und Gusto. Die Realität habe aber gezeigt, dass wir, die Deutschen, dafür zu doof waren und nichts derartiges hinbekommen habe. Wie das laufen würde, sähe man ja an De-Mail und dem Berliner Flughafen.
Wenn wir es aber selbst nicht hinbekämen, es uns nach deutscher Art zu bauen, könnten wir auch von den Amerikanern nicht verlangen, dass sie das für uns dann machen.
Da polterte die Tagesspiegel-Redakteurin gleich in voller Lautstärke los. (Geht ja gar nicht, dass jemand hier Facebook in Schutz nehmen würde. Nachdem sie Unsinn redete und mir falsche Vorwürfe machte, wollte ich einwerfen, dass das nicht stimmt, worauf sie mich förmlich anbrüllte, ich möge sie ausreden lassen, sie hätte mich ja auch ausreden lassen – als ob sie die Regeln macht und sich durch Nichtssagen das Recht falscher Vorwürfe erkauft hätte und ich mich gegen sowas nicht mehr wehren dürfte. Frauenlogik.) Natürlich hätte sich Facebook an unsere Gesetze zu halten. (Hätte sie dem Anwalt mal zugehört, hätte sie vielleicht gemerkt, dass die Zensur, die man von Facebook verlangt, nicht mal unseren eigenen Gesetzen entspricht, weil vieles von dem, was man sperren lässt oder lassen will, hier rechtlich nicht verboten ist, insofern die Forderung, Facebook möge sich nach unserem Recht richten, schon Unsinn ist.) Wenn Coca Cola hier Cola verkaufe, müssten die sich ja auch an unser Recht halten.
Ich habe dann doch erwidern können, dass Facebook aber im Gegensatz zu Coca Cola eben nicht hier gemacht wird, sondern die Server in den USA stehen. Wenn ich aber extra in die USA reise, um mir dort eine Cola zu kaufen, könnte ich ja auch nicht verlangen, dass sie deutschem Recht entspricht, weil ich Deutscher bin.
Passte einigen nicht.
Der Anwalt fing mit dem rhetorischen Schlich an, dass ich ja eigentlich Recht hätte, aber trotzdem falsch läge. Er sei noch in einer Internet Society (falls ich das richtig verstanden habe, dann wär’s ISOC, und die sind ja tatsächlich gegen alle Ländergrenzen, was ich für falsch halte) und deshalb gegen jede Form der Territorialisierung (das ist ISOC-Politik durch die Hintertür). Und deshalb verkündete er, das ich das ja als Informatiker gar nicht so gemeint haben könne, wie ich es gesagt habe.
Das fand ich eine absolute Frechheit.
Weil ich etwas sage, was einem Rechtsanwalt nicht in seinen politischen Kram passt, tut er so, als hätte ich ihm eine Mandat erteilt oder wäre er mein Vormund und verkündet, dass ich das ganz anders gemeint als gesagt hätte. Weil ich als Informatiker gar nicht anderer Meinung als ISOC sein könne und dürfe.
Ich habe erwidert, dass ich ihn jetzt erschrecken müsste: (Alle stutzt.) Ich hätte es so gemeint, wie ich es gesagt habe.
Kam im Publikum aber nicht gut an, denn man war sich einig, dass es darum ginge, auf Facebook zu schimpfen. Ich wurde dann auch „abgeklatscht” (wenn jemand anderes aus dem Publikum auf den Stuhl will, kann er nach den Regeln wie beim Tanzen abklatschen).
Was mir dann aber wieder auf den Senkel ging:
Die Tagesspiegel-Redakteurin erzählte, dass Rassismus in den USA ein Unterschichtenproblem sei, in Deutschland jedoch ein Mittelschichten-Problem. Sie fände es ganz schlimm, was für einen ungebildeten Unsinn ihr die Leute auch in gutem Deutsch schreiben würden.
Das fand ich nun wieder derb. Denn ich mache ja keinen Hehl daraus, dass ich die meisten heutigen Journalisten (insbesondere aus meinen Beobachtungen aus vielen Journalisten-Konferenzen) für unglaublich blöd und ungebildet, dafür ideologisiert und schlecht erzogen halte, auch als Folge des Totalversagens der Geisteswissenschaften, aus denen sie ja stammen. Und es deshalb für völlig verfehlt halte, wenn Journalisten sich einbilden, sie wären schlauer und stünden irgendwie über anderen. Die meisten Journalisten sind nicht hochschulreif, und 90% der Zeitungsartikel wären so nie erschienen, wenn Journalisten noch gebildete Leute wären. Schon allein der Gender-Krampf zeigt ja, wie leichtfertig die jedem Schwachsinn hinterherlaufen, und nicht mal die gröbsten Denk-, Sach- und Logikfehler erkennen (oder schlimmer noch: sich nicht drum scheren).
Es kam aber so richtig herüber, wie sich aus dieser Einheitsmeinung bei Journalisten und der Verachtung für jede andere Meinung eine Leserverachtung herausbildet. (Es brannte mir eigentlich die ganze Zeit auf den Fingern, mal zu sagen, dass der schlimmste mir bekannte Fall von Hate Speech sei, den Betriff „Hate Speech” etabliert zu haben, weil der ursprünglich auf dem Charakterschaden und der psychischen Störung beruhe, sich selbst im Besitz der absoluten Wahrheit zu wähnen und daraus zu folgern, dass jede Abweichung davon nur auf Hass und Krankheit beruhen könne.) Da hat man so richtig gemerkt, wie diese Leute in ihrem eigenen Saft braten, sich immer selbst bestätigen, und dabei (auch stimmlich) in einem unsäglichen, arroganten, egozentrischen, herablassenden Ton alle für Idioten erklären, die anderer als ihrer heiligen Meinung sind. Deshalb finden die auch Podien in Ordnung, bei denen die Meinungsbreite bei höchstens 3° (von 360°) liegt.
Muss man sich klarmachen: Sie hält alle anderen für blöde. Aber erwartet von anderen, dass man ihre erhöhte und weise Sicht als Journalistin respektiere. Sie sagte später auch, dass sie schreibe, was sie für richtig und wichtig halte. Auf die Idee, das auch andere Leute, nämlich die, die sie der Hate Speech zichtigt, vielleicht auch nichts anderes machen, als zu schreiben, was sie für richtig und wichtig halten, kommt die erst gar nicht.
Und dann auch wieder das, was ich schon so oft bei Journalisten beobachtet habe: Diese unglaubliche Überheblichkeit bei den sprachlichen Fähigkeiten.
Da äffen die nach, wie Leute im Affenton unken, die Ausländer nähmen ihnen die Arbeitsplätze weg. Und sich über den Tonfall lustig machen.
Dass es da aber Leute gibt, die einfach Angst um ihren Arbeitsplatz haben, und sich vielleicht auch gar nicht besser ausdrücken können (weil ja nicht alle ein Frauenförderstipendium für’s Gammelgeistsstudium bekommen) kapieren die nicht mehr. Die haben nichts mehr im Hirn außer etwas Rhetorik, und meinen dann, sie wüssten alles besser, weil sie sich anders ausdrücken. Ich fand das Auftreten dieser Frau so widerlich. So selbstherrlich und selbstgerecht, so arrogant, so überheblich, so … ach, das ganze Programm an Vokabeln.
Ich frag mich da: Wer kauft sowas?
Denn, daran muss man ja auch mal denken: Journalisten jammern ja ständig und auf jeder Veranstaltung über sinkende Auflagen und sinkende Einkommen. Wenn andere Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz haben, dann sind sie üble Rassisten. Wenn aber Journalisten Angst um ihren Arbeitsplatz haben, dann geht es um Gerechtigkeit, Demokratie und staatliche Hilfen oder Zwangsabgaben. Merkt Ihr was?
Och, dachte ich mir, da frag ich doch mal die. Hatte mich gemeldet und dann gefragt, ob sie denn erwartet, dass die Leute, die sie da so herabwürdigt, denn ihre Zeitung kaufen würden.
Sie wollte sich da erst auf was ganz anderes hinausreden, ich habe aber nachgehakt. Sie sage, dass sie die anderen Meinungen anderer Leute nicht lesen wolle. Ob sie dann erwarte, dass die Leute, die mit ihrer Meinung dann ja auch nicht übereinstimmten, sogar Geld dafür ausgäben, um sie trotzdem zu lesen.
Hat ihr nicht gepasst. Wollte auf sowas hinaus wie, wem’s gefällt, soll’s zahlen, wem’s nicht gefällt, der nicht. (Hoffentlich bleibt’s dabei, denn die SPD will ja schon Zwangsabgaben für die Presse, dass man solche Leute also auch zahlen muss, wenn man es nicht lesen will. Mal gespannt, ob sie bei dieser Ansicht bleibt, wenn sie wegen sinkender Auflagen gekündigt wird.)
Dafür faucht mich ein Gast aus der letzten Reihe an. Das wäre ja so ein typischer Beitrag, mit dem man nichts anfangen könne, über den man nichts schreiben könne. (Unterton: Das war ja Hate Speech.)
Ich habe ihm (zum Erstaunen des Publikums) ebenso scharf geantwortet, dass das gar kein Beitrag, sondern eine Frage war, und es mir völlig wurscht sei, ob er damit was anfangen könne, weil ich erstens die Frage nicht gestellt habe, um etwas zu sagen, sondern um etwas zu hören, und ich zweitens für mich und nicht für ihn frage. Es sei ja nicht meine Aufgabe, so zu fragen, dass es ihm nutzt.
Gerade das fand ich aber sehr aufschlussreich:
Das kommt in deren Gedankenwelt gar nicht erst vor, dass jemand anderes auch etwas anderes denken und im Sinn haben könnte, als sie selbst. Leser, Publikum, Nicht-Journalisten sind in deren Vorstellung auf die Aufgabe reduziert, ihnen als Stichwort- und Vorlagengeber zu dienen und ihnen immer das zu schreiben, worauf sie schön weiterschreiben können, was sie schreiben wollen.
Und was man an der Veranstaltung eben auch merkte: Es wurde mal mit Bedauern festgestellt, dass die Social Media inzwischen ebenso wichtig sind wie die klassischen Medien.
„Hate Speech” ist am Ende nichts anderes als das Tarnwort für die Verletzung des nicht mehr existierenden aber herbeigesehnten Meinungs-, Wahrheits- und Redemonopols der Presse. Es hat längst nichts mehr mit Hass zu tun, sondern ist der Vorwurf die Dreistigkeit einer eigenen Meinung und der ungefragten Rede zu besitzen.
Ratet mal, was ihr nächstes Thema ist: Entgeltgleichheit zwischen Mann und Frau.
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