Gute Mörder, Schlechte Mörder
Über Rhetorik, Ideologen, Medien und Medienkompetenz.
Eines meiner Steckenpferde ist ja, Rhetorik zu analysieren und Propaganda zu erkennen. Ich möchte ja auch in „Medienkompetenz” schulen, dem Leser Werkzeuge vermitteln.
Ein ganz zentrales Werkzeug ist, unterschiedliche Maßstäbe aufzuzeigen. Wenn gleiche Dinge, gleiche Vorfälle, gleiche Handlungen ohne greifbare Grundlage so ganz anders bewertet werden. Wenn man für sich selbst, oder für das, was der eigenen Ideologie oder politischen Richtung entspricht, ganz andere Maßstäbe, Schlussfolgerungen, Standpunkte anwendet, als für das, was ihr widerspricht.
Ich halte es für eine ganz wichtige Erkenntnismethode nicht nur der Medienkompetenz, sondern auch der Politikkompetenz und Ideologie-Erkennung, solche Brüche, solche Willkürlichkeiten, die einem als verbindliche, unantastbare Wahrheiten hingestellt werden, zu erkennen, zu entdecken, zu verstehen. Wie wir von den Medien, der Presse, der Politik manipuliert und gedanklich gelenkt, gesteuert werden.
(Wer mich beleidigen wollte, könnte dazu sogar sagen, ich wäre soziologisch tätig.)
Nach jedem islamistischen Terroranschlag, wie jetzt der von Anis Amri in Berlin, beeilt man sich zu sagen, das man dies auf gar keinen Fall auf alle Menschen der gleichen Kategorie (in der Regel Religion, aber auch Herkunft) verallgemeinern dürfe. Das seien Einzelfälle, Islam und islamistisch zwei völlig verschiedene Dinge, man dürfe niemals verallgemeinern, dies auf andere Personen, die mit dem Täter etwas gemeinsam haben, ausdehnen. Alle seien in der Regel friedlich.
Ich will das jetzt gar nicht angreifen, kritisieren oder als falsch hinstellen. Bitte wissenschaftlich denken, wertungsfrei. Es geht mir hier um die nüchterne, trockene, empirische Beobachtung, dass es so ist, nicht ob das so gut, schlecht, richtig oder falsch ist.
Jetzt bitte ich den Leser um einen Gedankentest.
Wisst Ihr noch, wie die islamistischen Attentäter dieses oder letzten Jahres hießen?
Der aktuelle heißt Anis Amri, das geht gerade durch die Presse. Geschenkt.
Aber die davor?
Der mit der Axt im Zug?
Der mit der Bombe vor dem Bierfest?
Der mit dem LKW in Nizza?
Die mit den Bomben in Paris?
Die vom Anschlag auf Charlie Hebdo?
Na, kommt schon. Die müsst Ihr doch wissen. Wir waren doch alle bei Je suis Charlie dabei.
Wer von Euch kann noch genau sagen, wieviele Anschläge es in Paris gab? Oder ganz Frankreich?
Oder in Brüssel?
Worauf wurden dort Anschläge verübt? War’s ne Apotheke? Ein Supermarkt? Eine Metrostration? Ein Flughafen? Na?
Wieviele Namen islamistischer Attentäter fallen Euch – abgesehen vom aktuellen Anis Amri – überhaupt ein?
Das wird verdammt dünn. Weil man die kurz nach der Tat publizistisch beerdigt. Wird nicht mehr erwähnt.
Achtet mal drauf, wie lange sich der Name Anis Amri in der Presse hält. Das gibt jetzt noch ein paar Schuldzuweisungen und dann ist die Sache erledigt.
Werft mal einen Blick in diese Liste. Verblüffend, nicht?
Ich will das jetzt gar nicht angreifen, kritisieren oder als falsch hinstellen. Bitte wissenschaftlich denken, wertungsfrei. Es geht mir hier um die nüchterne, trockene, empirische Beobachtung, dass es so ist, nicht ob das so gut, schlecht, richtig oder falsch ist.
Ein Experiment
Ich sage dem Leser jetzt einen einzigen Namen.
Anders Breivik.
Verblüffend viele Leute wissen sofort, um wen es geht.
Das war der, der auf der Insel Utøya die Kinder erschossen hat. Auch ein Massenmörder. Aber von der Gegenseite, islamfeindlich.
Das hat man in den Medien rauf- und runtergekocht, aber nicht nur für drei, vier Tage, sondern monate-, jahrelang.
Und: An verblüffend vielen Stellen hat man Breivik als den Prototyp, den Stellvertreter schlechthin des weißen Mannes ausgegeben. Jahrelang. Es ging mir vorhin so durch den Kopf, auf wievielen Veranstaltungen ich das schon erlebt habe, dass Anders Breivik als das Universal-Argument gegen den „weißen Mann” eingesetzt wurde. Über viele dieser Veranstaltungen habe ich ja auch gebloggt, denn merken könnte ich mir das unmöglich alles.
So wurde besonders betont, dass Breivik blond ist. Wehe den Blonden.
Jahrelang wurde der in Foren, Diskussionen als das Zauberwort für das Böse, als das Universalargument verwendet, löste schon die Reductio ad Hitlerum durch die Reductio ad Breivikum in Godwin’s Law ab.
Und natürlich ganz wild auf feministischen Veranstaltungen. „Was tun gegen Antifeminismus?” – Alle Männer als verkappte Anders Breiviks hinstellen. Es gibt nur diesen einen Typ Mann. Meinen sie.
Jahrelang ist mir das aufgefallen, besonders auf feministischen Veranstaltungen und denen der SPD (Friedrich-Ebert-Stiftung), dass da immer wieder „Anders Breivik” genannt wurde, um alle „weißen” Männer in einen Topf zu werfen.
Breivik wurde systematisch und intensiv als der Prototyp, der ultimativ Verallgemeinerbare für alle Menschen seiner Hautfarbe, seiner Haarfarbe, seiner Sprache, seiner Herkunft, seines Kulturkreises, seines Geschlechts hingestellt.
Ich will das jetzt gar nicht angreifen, kritisieren oder als falsch hinstellen. Bitte wissenschaftlich denken, wertungsfrei. Es geht mir hier um die nüchterne, trockene, empirische Beobachtung, dass es so ist, nicht ob das so gut, schlecht, richtig oder falsch ist.
Ich will, dass Ihr Euch eine Meinung darüber bildet, selbst erarbeitet.
Wetzt Euch Euren Verstand daran.
Werdet medienkompetent.