Im Rausch der Verbote
Das Käseblatt DIE ZEIT dreht durch und stimmt uns schon mal auf die Verbote ein, die uns unter Rot-Rot-Grün so blühen. [Rindvieh-Nachtrag]
„Ich will Verbote!“ heißt der Artikel von Sebastian Dalkowski, und es ist schier eine Verbotsorgie.
Fertige Salate dürfen wir nicht mehr kaufen, weil da eine überflüssige Plastikgabel drin ist. Wir müssen Salate roh kaufen und sie selbst herstellen. Und den Rest des Salates, den wir nicht brauchen, dann wegwerfen – äh, nein, denn auch schrumpelige Tomaten dürfen wir nicht entsorgen, die müssen noch gegessen werden. In einem sozialistischen Staat soll nichts wegkommen, und Tomaten sind da ja schließlich knapp. Dressing dürfe man auch nicht im Plastiktütchen kaufen, das könne man ja selbst zusammenrühren. Worin die Zutaten enthalten sind, die man dafür kaufen muss, wird freilich nicht erwähnt. Und ob eine Glasflasche mit Salatöl oder was sonst so in ein Dressing kommt, ökologisch günstiger ist, wage ich zu bezweifeln, denn bei Getränken erreichen Glasflaschen ihren ökologischen Vorteil nur, weil sie etwa 50 mal wieder befüllt werden. Pfandflaschen für Salatöl wären mir noch nicht untergekommen, und bedenken sollte man, dass Glas schwer ist und transportiert werden muss, und man das Geschirr ja hinterher auch wieder abwaschen muss. Ich wage anzuzweifeln, jedenfalls so a priori, dass das Selberrühren in jedem Fall ökologisch besser ist.
Urlaubsreisen sollen ganz verboten werden und von München nach Berlin darf man auch nicht fliegen. Klar, die Bahn stößt deutlich weniger CO2 aus als ein Flieger. Aber vielleicht ist das allein nicht maßgeblich, denn die billigsten Flugtickets sind deutlich billiger als die billigsten Zugtickets. Irgendwas sonst muss mit dem Geld ja passieren, und das ist in der Regel auch nicht umweltfreundlich. Am CO2-günstigsten ist übrigens der Reisebus. Und gegen Diesel machen sie ja gerade Krieg. So offensichtlich ist das, was die da tröten, für mich also nicht. Außerdem fährt man nicht im Sommer nach Neuseeland, sondern im Winter. Dann ist da nämlich Sommer.
Es ist nicht grundsätzlich ein Fehler, Lebensmittel und ähnliches fertig einzukaufen, denn Arbeitsteilung und großindustrielle Herstellung steigern die Effizienz und reduzieren damit Abfall und Energie. Wie die Kartoffeln und so weiter alle zu uns kommen, damit wir sie selber schnippeln, wird da nicht bedacht. Es wird immer unterstellt, dass wir eine Agrargesellschaft wären und das Zeug direkt vor dem Küchenfenster selbst anbauen. Sich mal eben so den Salat selbst zu machen, wird immer als so ökologisch hingestellt, aber die Konsequenzen werden nicht bedacht. Wie soll man Leute in der Stadt so mit frischem Gemüse versorgen, dass da auch nichts übrig bleibt und nichts in Plastik verpackt ist?
Die Arbeitszeit rechnet auch niemand. Unsere Produktivitätssteigerung beruht nämlich auch zu weiten Teilen auf der Optimierung und Ausnutzung unserer Arbeits- und Tageszeit. Durch Senkung der Effizienz wird es in der Regel auch nicht besser, sondern schlechter.
Wie leicht sich solche Öko-Mythen als Irrtum herausstellen, hat man gerade am Beispiel Car-Sharing entdeckt: Da hieß es auch immer, dass Car-Sharing ökologisch so vorteilhaft sei, weil man das alles mit weniger Autos hinbekäme und die besser ausgelastet seien, man also weniger Autos brauche. Stellt sich heraus, es stimmt nicht. Weil es gar nicht so auf die Zahl der Autos, sondern auf die gefahrene Wegstrecke ankommt, und mit Car-Sharing wird mehr gefahren, weil jetzt Leute auch für kurze Strecken Auto fahren, die sich selbst kein Auto kaufen würden, ohne Car-Sharing also mit dem Fahrrad oder den Öffentlichen gefahren wären. Nicht alles, was so ökologisch erscheint, ist es auch. Wollte nicht neulich jemand Privat-Autos verbieten und Car-Sharing verpflichtend vorschreiben?
Man kann das auch mit Zahlen belegen. In Deutschland ist der Gesamtstromverbrauch heute zehn Prozent höher als noch vor 20 Jahren, nämlich rund 7.380 Kilowattstunden pro Kopf und Jahr. Um diese Menge auf einem Hometrainer zu erzeugen, müsste man 3.075 Tage lang in die Pedale treten.
Was das für eine Aussage ist, wieviel Tage man in einen Hometrainer treten muss, um den Stromverbrauch wieder reinzuholen? Eine extrem dusselige, die zeigt, auf welchem Niveau sich DIE ZEIT inzwischen bewegt. Wir dürfen nur noch konsumieren, was wir uns selbst erstrampeln können.
Und natürlich ist auch eine Korrelation für Zeitungsleute mal wieder der Anlass, sich eine Kausalität frei auszusuchen.
Natürlich ist der Gesamtstromverbrauch heute pro Kopf und Jahr höher als vor 20 Jahren. Weil heute mehr Leute mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, während sie vor 20 Jahren mit dem Auto gefahren sind. Und eben hat der noch gegen Flugzeuge gewettert, aber Flugzeuge gehen nicht auf den Stromverbrauch, während die Bahn zu den größten Stromverbrauchern in Deutschland gehört.
Muss man sich klarmachen: Er will, dass wir alle mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, aber regt sich darüber auf, dass der Stromverbrauch (trotz immer energiesparenderer Geräte) steigt und nicht sinkt. (Ich hatte mal geschrieben, dass mein persönlicher Stromverbrauch in der Wohnung in den letzten 20 Jahren von deutlich über 2.000 kWh auf etwa und teils unter 1.000 kWh gesunken ist, obwohl ich meine Lebensgewohnheiten nicht wesentlich geändert habe, einfach weil ich deutlich energiesparendere modernere Geräte habe.)
Nur: Vor 20 Jahren habe ich so gewohnt und gearbeitet, dass ich mit dem Fahrrad hinfahren konnte. Heute fahre ich U-Bahn. Und verbrauche Strom. Nicht, weil es mir für das Fahrrad zu weit wäre. Sondern weil radfahren in Berlin Selbstmord ist und mir mindestens zweimal die Woche das Fahrrad geklaut würde. Und wenn die sich schon darüber aufregen, wenn im Salat ein Plastiklöffel ist, wie wäre es dann zu rechtfertigen, wenn ich jede Woche ein ganzes Fahrrad nachkaufen muss? Wie wäre es, wenn man mal die Kriminalität bekämpft, damit man ein Fahrrad auch wo abstellen kann und es hinterher (unverändert und vollständig) wiederfindet?
Und reden sie uns nicht alle gerade so ein, wir sollten Elektroautos verwenden? Was glaubt der, wie die sich auf den Stromverbrauch pro Kopf auswirken?
Es sei denn, uns haut endlich jemand auf die Finger. Es sei denn, jemand sagt: Lass das! Liebe Angela Merkel, lieber Staat, liebe EU, liebe Weltregierung, ich fordere euch hiermit auf: Verbietet mir, was ich gerne haben möchte, aber besser nicht haben sollte. Anders ist die Welt nicht mehr zu retten. Protect me from what I want, sang schon die Band Placebo. Verbote zu fordern heißt, die Fehlbarkeit des Menschen verstanden zu haben.
Wir sollen eingestimmt werden auf eine Gesellschaft, in der alles verboten ist, in der wir den Salat selbst schneiden müssen, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren müssen und zum Urlaub nicht weiter weg dürfen, als wir strampeln können.
Hört sich schon wieder so verdammt nach DDR an. Auferstanden aus Ruinen. Und Plastikgabeln.
Wer wählt sowas?
Und noch ein Öko-Tipp von mir: Man kann ganz viel Wasser und CO2 sparen und Bäume retten, indem man darauf verzichtet, Zeitungen zu kaufen. Denn vom Verlagshaus der ZEIT bis nach Berlin sind es 300 Km, und um die zu radeln, braucht ne alte Oma ja auch gut und gerne ne Arbeitswoche. Bis dahin ist die Zeitung veraltet. Es ist also gar nicht sinnvoll, Zeitungen zu kaufen, die man sich nicht frisch erstrampeln kann. Also: Wer kauft sowas?
Nachtrag: Ein Leser weist mich gerade noch auf einen Denkfehler im ZEIT-Artikel hin, der mir eigentlich auch hätte auffallen müssen:
Der behauptet im Text, für ein Kilo Rindfleisch würden 15.000 Liter Wasser „verbraucht“.
Schöner Kommentar zu der Behauptung: Propaganda mit Rechenfehler.
Denn ein Rindvieh wie das auf der Weide „verbraucht“ kein Wasser, so wie ein Auto Benzin verbraucht. Das Wasser ist ja nicht weg oder chemisch zersetzt, sondern wird wieder ausgeschieden und geht in die nächste Runde des Wasserkreislaufes, so wie jedes Wassermolekül in uns mit hoher Wahrscheinlichkeit schon in unzähligen anderen Lebewesen steckte. Und in einer Kuh kann auch nicht mehr Wasser stecken, als die Kuh groß ist.
Genausowenig, wie man beim Duschen Wasser verbraucht. Das Wasser ist nicht weg. Hätte man es nicht über sich laufen lassen, wäre es auf anderem Wege wieder ins Meer gelaufen, denn das Wasser kann ja nicht beliebig und endlos gestaut werden.
Auch da zeigt sich, was für einen Käse die glauben und publizieren.