Über Blogs und Maßstäbe zum Frauentag
Nur mal so am Rande:
Der Tagesspiegel kürt anlässlich des Weltfrauentages die Berliner Frauen des Tages.
Sie bloggen, forschen oder schwimmen. Sie leiten Galerien, Unternehmen oder Medienanstalten. Berliner Frauen sind vielseitig, engagiert und erfolgreich.
Sie bloggen?
Dass Feminismus und ein Mode-Blog eben doch zusammenpassen, zeigen Nike van Dinther (28) und Sarah Gottschalk (29) mit „This is Jane Wayne“. Die beiden Wahlberlinerinnen aus Kreuzkölln schreiben über weite Jeans-Hosen, Emma Watsons Brüste und warum sie diese auch als Feministin zeigen darf, Samtsofas und den Frauenverächter Donald Trump. „Ich könnte gar nicht über Mode schreiben, wenn ich mich nicht mit Politik auseinandersetzen würde“, sagt van Dinther.
Gegründet haben die besten Freundinnen das Blog im Oktober 2010, als sie beide mit dem Studium fertig waren und vor der Wahl zwischen unbezahlten Praktika und der Selbstständigkeit standen. Sie entschieden sich für letzteres und heute gehört Jane Wayne mit etwa 390.000 Visits im Monat zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Blogs. Das Team ist auf neun Mitarbeiterinnen angewachsen.
Neun Mitarbeiterinnen? 390.000 Visits im Monat?
Da hab ich mehr. Allein und nach Feierabend, als Hobby. Neulich beim ARD-Artikel hatte ich über 600.000 HTTP-Hits, davon netto über 150.000 Seiten-Zugriffe. An einem Tag.
Anscheinend gelten in den Medien für Männer und Frauen unterschiedliche Maßstäbe. Als Mann wird man dafür nicht mal erwähnt.
Wobei: Wenn sie davon 9 Mitarbeiterinnen bezahlen können, machen sie zwar mehr Geld (bei mir kommt nur etwas Kleingeld rein), aber eigentlich ist das, was die da machen, ja auch kein Blog mehr, sondern eine Art Werbeseite, die auf redaktionell macht (kann’s gerade nicht genau sehen, die haben wegen des Frauenstreiks so ein dämliches rosa Overlay drüber, das sich nicht wegklicken lässt, übrigens die einzige Beeinträchtigung, die ich heute vom Frauenstreik bemerkt habe, nichts ist peinlicher als zu streiken und dann stellt sich heraus, dass es keinen stört) und mit Vogue und Klamottenherstellern zusammenhängt.
Was man heute so als „Blog” bezeichnet, damit es sich nach „sie macht was“ anhört und nicht „Sie machen irgendwas mit Mode“. Da könnte man ja auf den Gedanken kommen, worüber sonst Frauen auch schreiben sollten, als über Mode (oder Sex).
Irgendwie habe ich immer stärker den Eindruck, dass es Presse und Politik sehr wichtig ist, in der öffentlichen Meinung einzupflanzen, wer Blogger ist und wer nicht. Folgt man den Talk Shows, bekommt man den Eindruck, dass es in Deutschland generell nur zwei Blogger gibt, Sascha Lobo und Katharina Nocun. Ich bekomme zwar bis zu 200 Zuschriften am Tag, aber noch nie hat jemand darin irgendwas von Lobo positiv oder von Nocun überhaupt erwähnt. Ich musste erst mal googeln um herauszufinden, wo ihr Blog überhaupt laufen soll. Sie kommt da kaum auf zwei Artikel pro Monat. Der anscheinend neueste Blogeintrag im Blog des „Bloggers“ Sascha Lobo stammt vom 22. Juni 2015.
Schon seltsam, wen uns Presse und Fernsehen immer als Blogger verkaufen wollen und welche Maßstäbe sie da anlegen.
Irgendwie erinnert mich das an den alten Sport-Witz aus der Zeit des kalten Krieges.
Kennt Ihr den noch nicht?
So kurz nach der Sport-Krise des Kalten Krieges, den gegenseitig boykottierten olympischen Spielen 1980 und 1984 stellte sich natürlich die Frage, wer besser ist, die Amerikaner oder die Russen. Beide behaupteten natürlich, das bessere Team zu haben, und so kam es auf neutralem Boden zu einer Zwei-Parteien-Olympiade, nur die Amerikaner gegen die Russen. Erbitterte Zwei-Kämpfe. Die Amerikaner gewannen aber mit haushohem Vorsprung.
Am nächsten Tag stand in den russischen Zeitungen: „Die großartige Mannschaft der Sowjet-Union konnte einen hervorragenden zweiten Platz erzielen. Dagegen wurden die USA nur Vorletzter.“
Wen und was man heute halt so unter „Blogger“ versteht…