Ansichten eines Informatikers

Mündliche Verhandlung MDR ./. Hadmut Danisch

Hadmut
11.3.2017 1:04

Bin gerade (als ich angefangen habe zu schreiben, war es „gerade“) vom Landgericht Leipzig zurückgekommmen. [Ein Haufen Schreib- und Sprachfehler korrigiert] [Nachtrag 3]

Vorbemerkung: Es war heute ziemlich turbulent, ging sehr durcheinander, und ich habe mir in der Hektik kaum Notizen gemacht. Ich gebe das jetzt mal so wieder, wie mir das gerade im Gedächtnis hängen geblieben ist. Es waren viele Zuschauer da, und die würden das sicherlich besser und präziser wiedergeben können. Ich kann nicht mal sagen, wie lange die Verhandlung gedauert hat, weil ich nicht auf die Uhr gesehen und unter der Belastung mein Zeitgefühl etwas verloren habe und es eben ziemlich durcheinander ging.

Wie gesagt: Die anwesenden Zuschauer werden das sicherlich besser wiedergeben können.

Äußeres und Ablauf

Insgesamt war ich rund 10 Stunden unterwegs, bin heute morgen gegen 9.30 Uhr losgefahren und nach 19.00 Uhr zurückgekommen. Fernbusse lagen mir nicht passend und waren zu unflexibel. Die Bahn warnte selbst, dass die Züge wegen der Flughafenstreiks überfüllt sein würden. Also bin ich mit dem Auto gefahren.

Eigentlich ging es für mich aber schon los, als ich noch zuhause war. Früher habe ich häufig Business-Anzug mit Krawatte getragen, mir das aber längst komplett abgewöhnt. Ich habe zwei Kleiderschränke voll Anzüge, Sakkos, Hosen, Krawatten. Dunkelblaue Anzüge kann ich nicht ab, ich habe keine. Braun habe ich, gefällt mir aber nicht mehr. Grün habe ich, passe aber nicht mehr rein. Meine bevorzugte Farbe ist schwarz bis grau, entsprechend dominiert das meinen Schrank. Dazu die Anforderung, damit heute 5-6 Stunden im Auto zu sitzen, also passende schwarze Hose genommen, dazu dunkles Sakko und… *Mist*.

Irgendwie klingelte da bei mir schon die kleine Alarmanlage irgendwo in der dritten Hirnwindung. Das Ding ist ja politisch brisant, und da geht’s ja um AfD und um Schlägerei, und ich lege ja immer großen Wert darauf, dass ich mit irgendwelchen rechtsmiefigen Organisationen und Parteien und so weiter überhaupt nichts zu tun habe, da nie war, auch nie bei irgendeiner Veranstaltung oder sowas, und dass man mich da nicht ohne weiteres in diese rechte Ecke drängen kann, wie man das heute so gerne macht. Und da mit schwarzer Hose anzukommen könnte einen ja optisch in die Nähe derer stellen, die da bei dieser Uni-Magdeburg-Randale für die AfD aufgetreten sind, am Ende mich noch als deren Helfer oder sowas dastehen lassen.

Also eine normale Blue Jeans und ein hellgraues Sakko zu grauem Hemd. Noch neutraler und aussageloser geht’s ja auch kaum.

So weit ist das schon gekommen, dass man sich überlegen muss, was man anzieht und welche Farbe man trägt, um nicht politisch angreifbar zu sein. Ich hatte mich nach der Verhandlung mit einigen Zuschauern noch unterhalten und das erwähnt. Sie bestätigten das und sagten, wie stark man uns schon diese „Schere im Kopf“ antrainiert hat. Es ist unglaublich, wie stark der Druck der Political Correctness und dieser ständigen permanenten Gesinnungsbekenntnisse geworden ist.

Und damit lag ich auch nicht falsch.

Denn mein Fall war dort in dem Verhandlungssaal heute der einzige Fall [Nachtrag: Nee, weiß ich nicht, weil sie Monitore haben, und die früheren Verhandlungen vielleicht nicht mehr angezeigt wurden, zumindest war der Saal abgeschlossen. ] , aber schon vorher liefen dort zwei bewaffnete und mit Schutzwesten ausgestattete Polizisten (oder vergleichbare Leute vom Gericht, ich weiß nicht mehr, ob Polizei auf den Westen stand, aber sie waren jedenfalls so uniformiert und ausgestattet), und während der Verhandlung saß auch einer davon ständig im Saal. Ich habe mir dazu eigentlich nichts gedacht, weil für mich unwichtig, irrelevant, und man ja seit einiger Zeit generell in den Gerichten die Sicherheitsmaßnahmen verbessert. Naja, und Leipzig… Nach der Verhandlung sagte mir aber ein Jurist, der Zuhörer gewesen war, dass das auch in Leipzig sehr ungewöhnlich sei, dass Schutzpersonal in der Verhandlung sitzt. War ja keine Strafsache. Ging nur um ein paar Sätze in einem Blog-Artikel.

Ich weiß nicht, warum die da vorher vorbeigelaufen sind und warum der da drin saß.

Könnte man womöglich auf den Gedanken kommen, dass die da Randale erwartet hatten und dachten, dass ich vielleicht von der AfD käme und/oder die Antifa da auftauche? Nichts dergleichen passierte. Ich habe überhaupt nichts mit der AfD oder wem da auch immer zu tun, und das Publikum bestand aus völlig friedlichen Juristen, Journalisten, anderen Leuten, die einfach nur dagesessen und zugehört haben.

Abträglich war der Sache aber, dass man thematisch ziemlich hin- und hergesprungen ist, und das ziemlich plan- und strukturlos verlief. Das Gericht schien zwar einen – kurzen – Plan zu haben, der sich aber nicht umsetzen ließ, und dann lief das etwas aus der Linie. Mein Anwalt hat sich relativ lang mit dem Gericht gestritten, ich habe manchmal etwas gesagt, der Gegenanwalt hat verblüffend wenig gesagt.

Insgesamt macht das Gericht auf mich schon einen voreingenommenen Eindruck, als ob sie mit vorgefasster Meinung reinkamen. Ungewöhnlicherweise wurde die Verhandlung mehr von der Berichterstatterin als von der Vorsitzenden dominiert. Die Berichterstatterin schien da vor allem eine vorgefasste Entscheidung nur noch fertig abschließen zu wollen. Die Vorsitzende wirkte auf mich anfangs etwas desinteressiert, mein Eindruck war aber, dass sie dann doch deutlich an Interesse aufgenommen hatte, weil das wohl anders lief als erwartet, vielleicht hatten die da wirklich mit irgendeinem Politspinner gerechnet. Die Beisitzerin (dritte Richterin) hat allerdings, so kam das zumindest bei mir an, ziemlich heraushängen lassen, dass sie keine Lust hat, und ihr das auf die Nerven geht. Da war ich dann schon der Meinung, dass das für einen Richter unangemessen ist, so geht man meines Erachtens nicht mit Parteien um. Rechtliches Gehört bedeutet, dass man es sich anhört.

Letztlich war die Meinung des Gerichts, die sie gleich zu Anfang mitgeteilt haben und auf die sie immer wieder hinauswollten, dass von den 8 Passagen, die mir der MDR verbieten will, 5 Meinungsäußerungen und nicht zu verbieten seien, und sie 3 für nachzuprüfende Tatsachenbehauptungen ohne Meinungsanteil hielten, die sie für problematisch hielten, wenn ich sie nicht in der Verhandlung belegen könnte. [Nachtrag: Das wichtigste habe ich natürlich vergessen: Die drei Stellen, die drei Passagen, die sie nicht durchgehen lassen wollen, sind a), c) und d). ]

Also 5:3 für mich.

Allerdings hatte ich auch den Eindruck (dazu unten mehr), dass man sich um Rechtsfragen nur in Bezug auf ein BGH-Urteil, ansonsten aber eher kaum kümmern wollte, und mehr so eine Kompromiss-Entscheidung haben wollte. Politisch ist es schwierig, mir Recht zu geben, juristisch dagegen auch nicht einfach, dem MDR Recht zu geben. Die Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit geht weit, und deren Anforderungen zu erfüllen, ist ein Stück Arbeit. Vor allem dann, wenn sich Meinung und Tatsachen mischen, und wenn der Kritisierte der Staat selbst ist, ist die Meinungsfreiheit schon ziemlich weitreichend.

Mit so einer halb-halb-Entscheidung hält man sich selbst politisch eher neutral. Außerdem besteht natürlich der Umstand, dass der MDR ja hier über unbegrenzte Geldmittel verfügt und womöglich in Berufung geht, wenn er nichts bekommt. Und Berufungen sind bei solchen Themen auch haarig, weil Meinungsfreiheit eben auch ein juristisch heikles Thema ist. Da gehen die Meinungen und Ansichten nicht immer konform.

Sie wollten mehrmals auf einen Vergleich hinaus, ohne aber zu sagen, wie der aussehen sollte. Sie deuteten mal an, ich solle den Blog-Artikel löschen und verändert neu schreiben. Ich habe mich aber nicht auf einen Vergleich eingelassen, denn der wäre für mich teurer. Bei einem Vergleich trägt jeder seine Kosten, ich also mehr als 50%, weil ich für mich und meinen Berliner Anwalt noch die Reisekosten zahlen müsste. Bei einem avisierten 5:3-Sieg hätte ich nur 3/8 der Gesamtkosten zu zahlen, also weniger als die Hälfte der Verfahrenskosten und nur 3/8 der Reisekosten. Außerdem kann man mit einem Vergleich gar nichts machen, beispielsweise keine Rechtslage kritisieren. Man kann einen Vergleich, den man freiwillig geschlossen hat, nicht kritisieren, zumal er keine rechtliche Begründung enthält.

Auch der Gegenanwalt wollte keinen Vergleich, er begründete das damit, dass mich das ja nicht davon abhalte, das in anderen Blogs nochmal zu schreiben, und er wisse ja nicht, wieviele Blogs ich so habe und schreibe. (Dieser Blog hier lastet mich schon voll aus. Es hörte sich aber so an, als glaubte er, dass ich unter Pseudonymen noch weitere Blogs führte. Halten die mich für eine Kunstperson, nur eine Inkarnation des großen Multi-Autors? Dieser ganze Streit wirkt auf mich unlogisch und sinnlos. Ging es vielleicht am Ende darum herauszufinden, ob ich echt bin? Dachten die vielleicht, ich bin da so einer, der sich nur als Informatiker und anderes ausgibt, aber so eine Art Zentralpropagandist ist? Er äußerte jedenfalls die Befürchtung, dass ich noch an anderen Stellen schreiben würde, die er nicht kennt.)

Das Ergebnis ist, dass es kein Ergebnis gibt. Das Gericht will eine Entscheidung am 31.3. verkünden. Auch das ist sehr ungewöhnlich, immerhin geht es hier doch um ein – angeblich – eilbedürftiges Verfahren im Einstweiligen Rechtsschutz, nicht um eine Hauptsache. Da wird normalerweise sofort entschieden, zumal sie ja ihre Entscheidung schon fest gehabt zu haben schienen. Das wäre rund 7 Wochen nach Antragstellung und fast 3 Monate nach Erscheinen des fraglichen Artikels. Was eigentlich an sich schon unzulässig ist, denn einstweiliger Rechtsschutz ist kein zweiter Klageweg, sondern darf nur gewährt werden, wenn das Hauptsacheverfahren nicht schnell genug laufen kann. Man hätte aber genauso gut und genauso schnell ein Hauptsacheverfahren durchziehen können, weshalb der einstweilige Rechtsschutz meines Erachtens hier unzulässig ist. Sowas wie „Klage-Light“ gibt es nicht.

Schlechter als 5:3 kann es wohl nicht werden, denn dann hätten sie falsch informiert und damit das rechtliche Gehör abgeschnitten. Besser als 5:3 wäre nach dem, was sie sagten, unwahrscheinlich, aber die ungewöhnlich lange Entscheidungsfrist von 3 Wochen deutet darauf hin, dass sie sich schon nicht mehr so sicher sind, wie sie anfangs waren, und das vielleicht doch noch mal näher prüfen und überdenken.

Antragsschwund und Spekulationen

Seltsam kam mir auch vor, wie sich der Gegenanwalt gab.

In seiner Abmahnung hatte er ja noch ziemlich viel gerügt, Urheberrecht, Tweets, die ich nicht hätte zitieren dürfen, einen Reporter als Verletzten, mehrere Blog-Artikel angeführt.

In seiner Antragsschrift war das dann schon viel, viel weniger, da war der Reporter raus, das Urheberrecht raus, der Tweet raus, die Erklärung, dass ich nie wieder deren Werke zitieren dürfte, raus, es ging nur noch um die acht Textpassagen. Irgendwie war das ja schon mächtig zusammengeschnurrt.

Dann hatte mein Anwalt erwidert, worauf der MDR-Anwalt seinerseits gestern noch schnell zurückerwidert hat und darin merklich fuchtig geworden ist. Darin schreibt er, dass es ihm nicht darum gehe, welche Motive und Absichten ich ihnen unterstellte, das sei ausdrücklich ausgenommen. Es gehe allein um die umwahre Behauptung, sie hätten Schlägereien bzw. linke Randale gar nicht gezeigt. (Der Leser möge sich das merken, darauf komme ich unten zurück.)

Auch hatte er sich in der Abmahnung noch auf Persönlichkeitsrechte berufen. Dann war ihm mit Reporter Schulz die natürliche Person aus der Sache gerutscht, und er berief sich für den MDR auf das Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Anstalten und Körperschaften öffentlichen Rechts haben aber kein Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Also kam er dann letztlich beim Ehrenrecht an, es wäre ehrenrührig, was ich da sage. Auch das Recht, das ich verletzt haben soll, schnurrt da immer weiter zusammen. (Bitte an den Leser: Schaut Euch mal diesen Artikel von Stephan Schulz und insbesondere die 8 Bilder in der Galerie an. Zeigt er da die Randale? Kann es also ehrenrührig sein, zu sagen, sie hätten Randale nicht gezeigt?)

Der ursprünglich große Haufen von Vorwürfen schnurrte also immer weiter zusammen und schmolz dahin. Es bleibt immer weniger davon übrig.

Was ich dann aber sehr komisch fand: Als die Richterinnen sagten, dass 5 von den 8 Anträgen nicht durchgingen, sagte er – nach meiner Erinnerung – dazu nichts.

Sein Ding schrumpft da von 8 auf 3, und dazu sagt er nichts? Fragt nicht, warum?

Das Gericht sagte auch nicht viel dazu.

Normalerweise hätte das Gericht ihm doch darlegen müssen, warum die Anträge nicht durchgehen, und er dagegen halten müssen, warum er das doch so sieht, mündliche Verhandlung eben, aber da passierte einfach nichts. Warum stellt man Anträge, wenn es einen nicht so ernstlich stört, wenn sie nicht angenommen werden?

Noch seltsamer kam mir vor, dass der Gegenanwalt in seinem gestrigen Schriftsatz schrieb, das Gericht möge doch notfalls nach § 938 Abs. 1 ZPO von seinen Formulierungen abweichen. Sowas mache ich manchmal, dass ich mir Formulierungshilfe vom Gericht erbitte, weil ich als anwaltlich nicht vertretener Nichtjurist die Fürsorge des Gerichts in Anspruch nehmen kann. Sowas geht aber eigentlich nicht, wenn man anwaltlich vertreten ist, noch weniger, wenn man Anwalt ist, denn der Anwalt ist ja selbst ein Organ der Rechtspflege. Der Anwalt ist der, der helfen soll, und nicht der, dem man helfen soll.

Das ganze Ding machte da auf mich einen hochspekulativen Eindruck. Als hätte man mal mit allem geworfen hat, was ihnen eingefallen ist, und darauf spekuliert, dass irgendwas schon durchgehen wird, soll das Gericht sich drum kümmern. Ich bin ja kein Jurist. Aber als Informatiker käme mir das doch seltsam vor, wenn ich mit einem großen Haufen anfange und der dann immer weiter schrumpft.

Ich habe nicht verstanden, warum das Gericht ihm nur 3 von 8 Anträgen durchgehen lassen will, das Gericht sich aber nur mit meinem Anwalt gestritten hat. Hätte es sich nicht eher mit dem anderen Anwalt streiten müssen?

Einige Zuschauer sagten mir später, dass sie sich da auch gewundert hatten. Zwei Zuschauer sagten mir später, dass ihnen etwas aufgefallen wäre, was ich aber nicht bestätigen kann, weil ich nicht darauf geachtet und nicht hingesehen habe, und auch nicht beweisen könnte. Deshalb sage ich hier auch nicht, was sie sagten. Sagen wir es so: Es gab Zuschauer, auch juristische, die mich auf etwas hinwiesen, was ihnen aufgefallen sei. Vielleicht schreibt ja einer dieser Zuschauer selbst etwas darüber.

Zulässigkeit

Normalerweise geht man in Verhandlungen so vor wie in Urteilen: Rubrum (wer ist erschienen), Zulässigkeit, Begründetheit.

Die sprangen hier aber gleich zur Begründetheit. Woraus es zum Streit zwischen meinem Anwalt und den Richterinnen kam, denn mein Anwalt hatte da erhebliche Einwände zur Zulässigkeit.

Beispielsweise muss man für einstweilige Anordnungen gewisse Inhalte vortragen und begründen. Da kam aber nichts. Eigentlich ist nicht mal richtig greifbar, welche Rechte ich genau denn verletzt haben soll. Der BGH hat sich da so etwas herumlaviert (VI ZR 219/06), dass Rundfunkanstalten zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Äußerungen in Anspruch nehmen könnten, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt würde. Aber das müsste man halt näher begründen.

Auch war unklar, wie das zweite Schreiben gemeint war, weil darin Einschränkungen genannt waren, was alles nicht Streitgegenstand sein solle, was sich aber mit den Anträgen biss, so dass man das eigentlich auch als Rücknahme oder Antragsänderung hätte auslegen können und müssen.

Ich kriege das jetzt nicht mehr alles zusammen, aber mein Anwalt hatte einige Einwände zur Zulässigkeit, und das Gericht strich die einfach weg. Man ließ wissen, dass man die Anträge für zulässig halte, mehr wolle man da nicht diskutieren. (So sieht dann das rechtliche Gehör aus.)

Letztlich enbrannte daraus ein Streit und andauerndes Streitgespräch zwischen meinem Anwalt und den Richterinnen, die ihm auch immer wieder ins Wort fielen.

Ich persönlich fand das schon in seiner äußeren Form unwürdig und unangemessen. Ich weiß nicht, wie das kam, aber meines Erachtens muss man als Richter dem Anwalt eines Antragsgegners – gerade im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes, in dem es sehr auf Formalien und Zulässigkeit ankommt und Fehler oft nicht nachträglich zu heilen sind – Zeit einräumen, dazu vorzutragen, denn dazu ist die Verhandlung ja da. Das wollten sie aber nicht. Das Thema Zulässigkeit sollte da nicht näher erörtert werden.

Aus dem Streit und den daraus resultierenden gedanklichen Sprüngen – im Gegensatz zu Tatsachendiskussionen sind Zulässigkeitsdiskussionen eben nicht tatsachenthematisch geordnet – entstand eine deutliche Unruhe und ein großes Durcheinander, bei dem zumindest für mich keine so richtige Verfahrensführung deutlich wurde.

Das Gericht selbst wollte mehrfach darauf hinaus, die Textpassagen zu besprechen, wobei ich der Überzeugung war, dass das dann nie einzeln besprochen wurde, es aber irgendwann hieß, das sei schon besprochen. Der ganze Ablauf wirkte auf mich ungeordnet.

Zuschauer sagten mir nach der Verhandlung (und die kannten mein Blog, also die Hintergründe), dass ihnen nicht klar geworden ist, worüber jetzt eigentlich verhandelt wird, und das nicht so sonderlich gut vorbereitet wirkte. Auch da beschlich mich so unterschwellig das Gefühl, dass die mit was ganz anderem gerechnet haben, als dass da einfach ein Informatiker vorbeikommt und sein Blog verteidigt. Weiß nicht, ist nur so ein Gefühl.

Schlägerei oder keine Schlägerei?

Der vom Gericht beabsichtigte zentrale Gegenstand der Verhandlung war, ob die vom Gericht für Tatsachenbehauptungen gehaltenen Textpassagen durch die von mir vorgelegten „alternativen“ Videos belegt werden können oder nicht. Dazu haben wir uns auf dem Notebook des Gerichts die Videos angesehen, die der MDR und die ich vorgelegt hatten.

Der MDR hatte eine Sendung vom 12.1. vorgelegt (die ich im Blog auch eingebettet hatte, bis irgendwer sie von Youtube löschen ließ, ich weiß nicht wer, aber da nur der MDR die Rechte hatte, kann eigentlich nur der MDR das veranlasst haben) und eine weitere vom 13.1. von MDR Sachsen-Anhalt. Ich hatte zwei Videos aus Youtube vorgelegt, darunter einen von der Antifa selbst.

Meines Erachtens sieht man in dem Antifa-Film, wie die sich da im Hörsaal körperlich auseinandersetzen, während der MDR-Film – jetzt muss ich ja aufpassen, was ich sage – bei mir so rein subjektiv dieses Erlebnis nicht in dieser Form hervorruft. Darin sähe ich einen erheblichen Unterschied. Die Gegenseite bestritt das. Das Gericht, naja, folgen wollten sie mir nicht, zugeben mussten sie aber schon, dass da was zu sehen ist, was beim MDR so nicht zu sehen war.

Daraus entstand ein Streitgespräch zwischen meinem Anwalt und dem Gericht, worin der Unterschied zwischen einer Rangelei und einer Schlägerei läge, und inwieweit das nun in den Bereich der Meinung oder der Tatsachenbehauptung fiele.

Ich habe dann erklärt, dass man im Antifa-Video das MDR-Team sehen kann, das Kamera und Mikrofon so halte, dass sie zweifellos in Betrieb waren, und sie damit also aufgrund der direkten Nähe ähnliche Filme aufgenommen haben müssen wie die Antifa, und sie das also haben, aber herausgeschnitten haben müssen.

Und dann passierte etwas, dessen Gewicht mir eigentlich erst im Auto auf der Rückfahrt so richtig klar wurde.

Der Gegenanwalt bestritt plötzlich, dass es da überhaupt eine Schlägerei gegeben habe.

Gut, er sagte dazu, dass er nicht dabei gewesen ist. Aber er trat ja für den MDR auf, und der war dabei gewesen und hatte Filmaufnahmen.

Macht Euch das mal klar: Sie behaupten gleichzeitig, dass es unwahr und ehrenrührig sei, wenn ich sage, dass sie keine Schlägerei gezeigt haben, und dass es keine Schlägerei gegeben habe.

Bin ich der einzige, in dessen Wahrnehmung sich das diametral widerspricht?

In der Berichterstattung anderer Medien war ja die Rede davon, dass die von der AfD sich in einem Raum versteckt hatten und von der Polizei befreit und nach draußen gebracht werden mussten. Warum sollte die Polizei das tun, wenn die doch nicht bedroht wurden und es da nur Proteste gegeben habe?

Irgendwo hatte ich ein Bild gesehen, es nur leider nicht mehr gefunden, auf dem jemand deutlich sichtbar am Kopf blutet. (Weiß jemand, wo das war?) Meint der MDR, der hätte sich da selbst auf die Nase gehauen?

Und es gibt ja auch noch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.

Das finde ich schon sehr bedenklich, denn ursprünglich ging es darum, ob man eine Schlägerei gezeigt hat,

Mein Eindruck

Ich weiß nicht, ob das Gericht bei seiner Ansicht bleibt oder diese ändert. Nach dem, was ich heute gehört habe, habe ich erhebliche Zweifel, ob sie das angedeutete Verbot von dreien der acht Textpassagen so begründen können, dass es in die BGH- und BVerfG-Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit passt.

Dazu kommt, dass sie schon sagten, dass mein Blog in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fiele (was ja auch nicht für jede Publikation gilt). Aber auch (was nicht gesagt wurde, ich merke das hier nur an), dass es hier ja nicht um eine Privatangelegenheit geht, sondern wir Wahljahr haben und das damit auch besonders meinungsbildend und unter besonderem demokratischen Schutz steht.

Sollte das dann noch demokratisch sein, wenn man das vom Staat über seine Rundfunkanstalten Verkündete nicht mehr kritisieren und für falsch halten darf?

Rundfunk und Demokratie

Viel mehr als durch die ursprüngliche Berichterstattung des MDR zu den Vorgängen an der Uni Magdeburg ist mein Misstrauen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber durch das gewachsen, was hier abläuft.

Die Leute haben ja kein Risiko, denn sie bezahlen die Kosten ja nicht selbst, das zahlen ja Steuerzahler bzw. Gebührenzahler. Die können ja einfach mal mit der Schrotflinte drauflosballern und losklagen. Die meisten Blogger sind schon erledigt oder ruiniert, wenn sie die erste Rechnung über 1.500 Euro bekommen. Sein Recht zu verteidigen kann sich schon finanziell kaum einer leisten.

Ich halte diese Rechtslage für eine strukturelle Sauerei. Auf der einen Seite staatlich angestellte Leute, die auf beliebige Geldmittel zugreifen können, und auf der anderen Seite kleine Blogger und Privatleute, die sich selbst dann, wenn sie im Recht sind, die Vorauslage der Kosten nicht leisten könnten. Was hätte ich beispielsweise gemacht, wenn der Streit im Dezember stattgefunden und ich meinen Jahresurlaub schon aufgebraucht hätte?

Man redet in der Rechtsprechung immer gerne von Meinungsfreiheit, aber dass hier ein völliges Ungleichgewicht herrscht und es potentiell ruinös ist, eine Meinung zu äußern, wird nicht beachtet.

Ist das, was hier abläuft, überhaupt mit demokratischen Anforderungen vereinbar?

Viele Leute sind davon überzeugt, dass Akteneinsichts- und Auskunftsrechte elementarer Bestandteil einer Demokratie sind. Warum also sollte ich nicht das Recht haben, die Berichterstattung des MDR einfach mal zu überprüfen?

Warum sollte das nicht auch für Anstalten öffentlichen Rechts gelten?

Wäre es nicht im demokratischen Sinne richtig gewesen, wenn die gesagt hätten, Herr Danisch, kommen Sie vorbei und schauen Sie sich das Rohmaterial an?

Was läuft hier eigentlich für eine Nummer ab?

Es geht überhaupt nicht, an keiner Stelle, darum, ob die Berichterstattung des MDR richtig oder falsch ist. Die müssen sich nicht erklären, nicht rechtfertigen, nichts belegen, die müssen einfach gar nichts.

Es geht hier nur darum, ob ich als Bürger etwas sagen darf, wobei jedes Wort vermessen, ausgelegt und auf Beweisbarkeit geprüft werden soll.

Wie kann denn das sein, dass an mich als einfachen Bürger viel höhere Anforderungen gestellt werden und mir ein viel höheres Risiko auferlegt wird als dem staatlichen Fernsehen?

Wie kann das sein, dass an mein kleines Blog höhere Anforderungen gestellt und mir höhere Risiken auferlegt werden als einer Rundfunkanstalt mehrerer Bundesländer?

Ist nicht schon dieses Missverhältnis per se demokratiewidrig?

Wieso muss ich als jemand, der nicht dort war, Filmmaterial zum Beweis vorlegen, der MDR als öffentlich-rechtliche Einrichtung, der dort war, aber nicht darlegen, was er an Material hat, damit man sehen kann, was er gezeigt hat und was nicht?

Ich hatte in meinem großen Artikel zur Abmahnung schon angesprochen, dass es ein Rechtsproblem mit dem Zitatrecht aus dem Urheberrecht gibt. Faktisch gibt es das Zitatrecht nämlich nicht, wenn man nur Quellen verlinken darf, solange der Urheber da mitspielt und sie anbietet. Wenn es der Zustimmung des Urhebers bedarf, dann ist es eben kein Recht.

Ich hatte in dem fraglichen Blog-Artikel nicht nur ein Bild aus dem MDR-Video eingebunden, in dem ein Rowdie gegen die Tür tritt, also das schon mal gar nicht so behauptet, wie der MDR das jetzt darstellt, nämlich dass sie das gar nicht gezeigt hätten. Ich hatte auch das Video selbst eingeblendet, womit sich ja jeder Leser selbst eine Meinung bilden konnte.

Ich weiß nicht, wer das Video bei Youtube hat löschen lassen, aber da nur der MDR die Rechte daran hat, kann es meines Erachtens nur der MDR selbst gewesen sein. Wieso darf der MDR einem trotz des Zitatrechts das Zitat wegnehmen, und warum ist er dann nicht selbst daran schuld, wenn es dann anders aussieht als er will?

Warum nimmt der MDR überhaupt seine Sendungen aus der Öffentlichkeit, wenn er meint, dass sie falsch beschrieben würden? Müsste er sie nicht umgekehrt länger anbieten?

Was sollte der ganze Streit überhaupt?

Müsste man dem MDR hier nicht den goldenen Streisand-Orden am Bande verleihen?

Ist das, was die da machen, nicht kontraproduktiv? Hätte man das Thema nicht angesprochen, hätte das niemand mehr gelesen. So habe ich mehr Leser denn je, die das alle zur Kenntnis nehmen. Wo soll da der Nutzen liegen?

Ich hatte dem MDR in meiner Antwort angeboten, dass ich einfach so, auch wenn ich nicht muss, ihnen eine Gegendarstellung anbiete oder ein Interview mit ihnen mache. Sie sollen schreiben, wie sie das sehen, und ich packe es ins Blog. Haben sie nicht gemacht. Warum nicht?

Oder geht es vielleicht gar nicht so darum, irgendwelche Textpassagen zu löschen oder irgendjemandes Ehre zu schützen?

Könnte ein unbeteiligter Beobachter auf den Gedanken kommen, es ginge da vielleicht auch darum, Blogger und Meinungsäußerer einzuschüchtern und zu schädigen? Dass der Streit da vielleicht nicht nur Mittel, sondern auch das Ziel sein könnte?

Die Intendantin

Der gegnerische Anwalt kam alleine. Niemand vom MDR dabei.

Manche Zuschauer fragten mich nach der Verhandlung, warum der Reporter nicht gekommen ist, das wäre doch sein Ding gewesen. Ich weiß nicht, warum der nicht gekommen ist. Woher soll ich das wissen? Es wird schon irgendwelche Gründe gehabt haben, warum er da nicht gekommen ist.

Immerhin weiß ich jetzt, wer vom MDR da den Auftrag gegeben hat, es war die Intendantin Karola Wille selbst, sie ist in der Antragsschrift als Vertreterin genannt und ich habe die Unterschrift in der Vollmacht gesehen.

Warum sich sich eine Professorin für Medienrecht und ein Fachanwalt darauf berufen, dass der MDR ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht hätte, obwohl er das nicht hat? Das weiß ich nicht, warum sie das tun.

Wie sich das auf die Ehre des MDR auswirkt, eine Ex-SED-Juristin als Intendantin zu haben? Das weiß ich auch nicht. Aber die Berichterstattung zu politische rechts-links-Themen zu kritisieren, das soll ihre Ehre verletzen.

Ich habe so den Eindruck, es gibt verschiedene Auffassungen von Ehre, und vielleicht nicht jeder hat dieselbe wie ich. Irgendwie scheint meine Auffassung von Ehre … wie sage ich das jetzt rechtssicher … ach, ich glaube, dazu muss ich gar nichts mehr sagen.

Wie geht es jetzt weiter?

Bis zum 31.3. dürfte jetzt erst mal Ruhe sein. Vortragen kann meines Wissens keine Seite mehr was, weil die Verhandlung beendet ist. (Ich weiß jetzt nicht, ob man noch zur Rechtslage vortragen kann.)

Das ist natürlich insofern riskant, weil bis dahin ja noch irgendetwas zu Schlägereien herauskommen kann, etwa polizeiliche Ermittlungen. Falls das nicht im Einklang mit dem steht, was der MDR behauptet, würde das interessant.

Vielleicht wird das Gericht aufgrund der Verhandlung seine Meinung noch ändern. Vielleicht auch nicht.

Dann kann ich mir überlegen, was ich damit mache, ob ich es dabei belasse, dagegen in Berufung gehe, oder das Hauptverfahren eröffne. Denn das war da nur das Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz, nicht die Hauptsache. Ich könnte das auch einfach mal hinnehmen und dann in Ruhe mehr Beweise sammeln (denn wenn das Gericht meine bisher vorgelegten nicht für ausreichend hält, dürften sie das ja im Hauptverfahren auch nicht) und dann (negative) Feststellungsklage erheben.

Was natürlich jetzt etwas zu spät, aber trotzdem noch sehr nützlich wäre, wenn ich noch Fotos, Videos, alles zu Schlägereien und dem Verletzten (blutende Wunde am Kopf) bekäme.

Irgendwer hatte mir geschrieben, dass selbst das Video der Antifa geschnitten wäre und die wirklich üblen Dinge herausgeschnitten wären. Tatsächlich findet da ein Schnitt statt, aber ich weiß halt nicht, was da war.

Wenn mir irgendwer dazu noch nähere Belege, Informationen, Hinweise, Videos, Fotos geben kann … wäre prima.

Letztlich sehe ich da schon gewisse Chancen, beim BGH (eher nicht dem BVerfG, die sind nicht gut auf mich zu sprechen) zu gewinnen, aber bis dahin wird es teuer.

Nachtrag: Das wichtigste habe ich natürlich vergessen: Die drei Stellen, die drei Passagen, die sie nicht durchgehen lassen wollen, sind a), c) und d).

Nachtrag 2: Mir schreibt jemand aus Luxemburg, dass die Gerichte dort kostenlos seien und sich dort deshalb zu 75% mit Garbage-Klagen auseinanderzusetzen hätten, die zur Einschüchterung und Vernebelung erhoben würden. Womöglich sei das auch hier so, wenn Kläger/Antragsteller wie öffentlich-rechtliche Einrichtungen nicht selbst zahlen müssen.

Nachtrag 3: Ich hatte das auf einem Notebook geschrieben, an dem mir manchmal das Mousepad etwas durchdreht, und gerade ein einsames <-Zeichen gefunden, das da nicht reingehörte. Kann sein, dass im Text zwischendurch etwas nicht sichtbar war.