Ansichten eines Informatikers

Das Bundesverfassungsgericht heuchelt wieder (und die FAZ macht mit)

Hadmut
5.10.2017 23:16

Ich hätte ja fast gesagt, die heucheln, ohne rot zu werden. Aber die haben ja sogar rote Kittel dafür.

In der FAZ ist vor wenigen Tagen ein Kommentar des Verfassungsrichters Peter M. Huber erschienen. Also der hier. Titel: „Deutschland in der Sinnkrise“.

Er meint, der Rechtsstaat schwächele. Die Demokratie stecke in der Krise. Es gebe eine Verschiebung der Macht in Richtung der demokratisch nicht legitimierten Exekutive.

Ach, was.

Das hatte ich diesem Bundesverfassungsgericht (allerdings dem anderen Senat) in meiner Verfassungsbeschwerde 2008 geschrieben. Dass nämlich nicht der Gesetzgeber, sondern die Exekutive in Form von Professoren nach individueller Lust und Willkür über Prüfungen und Prüfungsanforderungen entscheidet. Dass das verfassungswidrig ist, nicht nur aus der allgemeinen Erfordernis, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber die wesentlichen Dinge selbst normieren muss, sondern auch, weil das Bundesverfassungsgericht selbst das 1991 (da waren sie anscheinend noch halbwegs seriös und bei Verstand) für Hochschulprüfungen entschieden hatte. Nicht die Professoren und Universitäten, sondern der Gesetzgeber muss die Anforderungen und Maßstäbe festlegen.

Das hat sie dann 20 Jahre später aber nicht mehr interessiert, vermutlich haben die Richter, die dann im Verfassungsgericht saßen, auch nicht mehr die fachliche und juristische Ausstattung, um das überhaupt noch zu verstehen und darin noch begründet zu urteilen, sie haben es – entgegen ihren eigenen Verfahrensvorschriften – kommentarlos 2012 nicht zur Entscheidung angenommen. Regelmäßige Leser wissen, worum es geht.

Es geht nämlich darum, dass das Bundesverfassungsgericht durch Pseudorichter wie Susanne Baer unterwandert wird, deren Ziel es im Namen des Feminismus und der linken Staatsübernahme – nämlich durch die Exekutive – es ist, alles demokratisch legitimierte auszuhebeln und außer Kraft zu setzen, und durch lokale Willkür der Exekutive zu ersetzen. Schreibt sie ja sogar, Gleichheit durch Ungleichheit. Ergebnisgleichheit durch willkürliche Ungleichbehandlung durch Exekutive und Judikative. Und genau das ist ja diese Entkopplung. Beide – Exekutive und Judikative – sind demokratisch nicht legitimiert und deshalb nach der Konstruktion des Grundgesetzes an die Gesetzgebung gebunden, die wiederum von gewählten Parlamenten ausgeübt wird. Nur: Gesetze sind immer allgemein, sie dürfen keine Einzelfälle regeln. Deshalb ist jede demokratisch legitimierte Machtausübung immer eine allgemeine, keine Einzelfallentscheidung. Und das ist mit den Zielen etwa einer Verfassungsrichterin Baer, nämlich Ergebnisgleichheit durch Ungleichbehandlung herzustellen, völlig unverträglich, weil Ungleichbehandlung nicht nur wegen der Allgemeinheit der Gesetze nicht möglich ist, sondern auch dem Grundrecht der Gleichheit vor dem Gesetz diametral zuwiderläuft.

Das heißt, dass diese Verfassungs- und Demokratiesabotage, die durch Entkopplung der Rechtsprechung und der Verwaltung von der Gesetzgebung abläuft, direkt aus dem Bundesverfassungsgericht heraus erfolgt. So, wie unsere Presse alles wegschweigt und vorenthält, was ihr politisch nicht in den Kram passt, so drückt das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden ohne Entscheidung und Begründung weg, die nicht erwünscht sind. Presse und Juristen lesen und nehmen nur die Begründungen zur Kenntnis, nicht die begründungslosen Nichtentscheidungen.

Und in meinem Fall ging es genau darum, Exekutive und Judikative wieder an die Legislative zu binden und die Legislative zur Erfüllung ihrer Pflichten – nämlich zur Normierung dessen, was sie zu normieren hat – zu zwingen. Und genau das haben die Verfassungsrichter nicht gewollt und verfahrensordnungswidrig weggewischt. Es war Rechtsbeugung. Denn auch die Verfassungsrichter selbst halten sich nicht mehr an die Norm, das Grundgesetz. Nur wenn es ihnen gefällt und in den Kram passt.

Und jetzt, wieder 5 Jahre später, kommt dieser Verfassungsrichter daher und warnt, die Demokratie sei in Gefahr, weil sich die Macht von der Legislative auf die Exekutive verlagere.

Kann man wüster heucheln?

„Ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung steckt der durch das Grundgesetz verfasste Nationalstaat in einer Sinnkrise, der Rechtsstaat zeigt Erosionstendenzen, die Demokratie schwächelt, das Gewaltenteilungsgefüge hat sich weiter zugunsten der Exekutive verschoben und die Entwicklung des Bundesstaats lässt eine Orientierung vermissen“, schreibt der Münchner Staatsrechtslehrer und frühere Thüringer Innenminister (CDU) in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die CDU hat aber gerne mitgemacht und weggesehen, als die Richterkandidatin Baer den Bundestag getäuscht und unrichtige Angaben gemacht hat (Tätigkeit während der Professur und falsche Angabe als Direktorin einer Forschungseinrichtung), weil man sich da ja nach Proporz abgesprochen hat, und sich nur gegenseitig die parteispezifischen Wunschkandidaten bestätigt.

Das Ergebnis ist, dass Baer nicht nur auf einem Niveau juristischer Kompetenz liegt, das meines Erachtens überhaupt nicht für eine Richtertätigkeit genügt, sondern auch die Gewaltenteilung außer Kraft setzt, denn durch diese Falschangaben hat sie es erreicht, dass sie nicht nur in der Exekutive tätig war, sondern jahrelang getarnt auf die Legislative eingewirkt hat, um dann als Richterin in eigener Sache für genau das zuständig zu sein, was sie vorher in den anderen Staatsgewalten durchgedrückt hat.

Und dann kommt dieser Verfassungsrichter daher und warnt, das Gewaltenteilungsgefüge sei in Gefahr. Ich glaub’, ich steh im Wald.

„Das Verständnis für Sinn und Zweck des im Dienste seiner Bürger stehenden Nationalstaats ist geschwunden.“ Auf Dauer werde das zum Problem, „weil Akzeptanz und Legitimität des Staates davon abhängen, dass er seine Zwecke auch zur Zufriedenheit seiner Bürger erfüllt,“ schreibt Huber, der im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts für Europa- und Völkerrecht zuständig ist.

Dieser Staat führt aber Krieg gegen seine Bürger. Der Staat erfüllt nicht mehr die Aufgaben und Zwecke, die der Bürger ihm zudenkt, sondern wir haben eine zunehmend leninistische Konstruktion, in der eine kleine, sich für eine Elite haltende Kaste sich zum Entscheider und Vormund aufschwingt, und die Bürger nur noch als Gegner und Melkvieh ansieht. Beispielsweise sind die Gender Studies der Verfassungsrichterin Baer nichts anderes als der frontale Krieg gegen Bürger und Wissenschaft.

Dass das Verständnis des Bürgers dafür schwindet – das will ich doch schwer hoffen. Denn dafür blogge ich mir seit Jahren die Finger wund, um dafür zu sorgen, dass der Bürger immer weniger Verständnis für das aufbringt, was da abläuft.

Je stärker die Fragmentierung der Gesellschaft in ethnischer, religiöser, sozialer und kultureller Hinsicht werde, desto mehr müsse der Staat Gemeinsamkeit stiften. „Gerade als Einwanderungsland ist Deutschland auf einen Staat angewiesen, der seine Werte durchsetzt und seinen Staatsbürgern Vertrauen und Stolz vermittelt.“

Fragmentierung. Gemeinsamkeit stiften. Deshalb wiegelt man – vor allem durch Gender Studies – mit allen Kräften Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf und versucht mit allen Mitteln, Streit und Zwietracht zu stiften.

Auch hat nach Hubers Ansicht die Bindung der Politik durch das Recht an Wirkmächtigkeit verloren.

Ja. Aber genau davor macht das Bundesverfassungsgericht einen Bogen, wenn es um seine Rechtsprechung geht.

Huber kritisiert auch die „inhaltliche Annäherung der großen Parteien“, die dem Wähler die Möglichkeit zur Einflussnahme nähme. „Wo es keine Alternativen gibt, gibt es auch keine Wahl.” Hinzu komme, „dass das Wahlrecht, die Ausgestaltung der Politikfinanzierung, das Fehlen direkter Demokratie auf Bundesebene sowie die Organisationsstrukturen der politischen Parteien die Selbstreferentialität des politischen Systems begünstigen und die Sprachlosigkeit zwischen Bürgern und Politik verstärken. Auf Dauer gefährdet dies die Akzeptanz der verfassungsmäßigen Ordnung.“

Könnte man in Stein meißeln und dem Bundestag vor die Hütte nageln.

Versteht mich nicht falsch. Der Mann hat in der Sache völlig recht. Das ist von vorne bis hinten richtig, wichtig, zutreffend, was er sagt. Aber es ist halt eine elende Heuchelei, wenn er das zu anderen sagt, während das Bundesverfassungsgericht selbst dagegen verstößt.

Es wirkt auf mich, wie wenn man einem, der verdurstet, das Wasser vorenthält und dann, wenn er tot ist, warnt, das sei nicht gesund, zuwenig zu trinken. Die Aussage an sich stimmt, aber es ist halt eine groteske Unverschämtheit.

Kennt Ihr den blöden Witz von der Schwäbin, die an einem Bettler vorbeikommt, und der Bettler sagt „Bitte helfen Sie mir, ich habe seit 3 Tagen nichts mehr gegessen“. Und sie: „Sie müssen sich eben zwingen, junger Mann!“ War wohl eine Verfassungsrichterin.

Die FAZ druckt das übrigens kritiklos ab.

Kurioserweise erschien vorgestern auch ein passender Artikel in der Basler Zeitung: Mehr Demokratie wagen. Es geht um dasselbe Thema:

Die Macht gehört heute in Wahrheit einer Elite, die auf Wahlen nicht mehr angewiesen ist: Staatsbeamten, Richtern und Staatsanwälten, Lehrern und Universitätsangestellten. Und den staatsnahen Medien.

Das ist genau das, was ich schon so oft gesagt und geschrieben habe. (Auch in der Verfassungsbeschwerde, aber da passiert dann nichts.) Richter, Staatsanwälte, Professoren machen heute nur noch, was sie gerade wollen. Gesetzliche Normen gibt es kaum noch, und es hält sich auch keiner mehr dran. Und wenn man sich das genauer anschaut, dann sind die allermeisten unserer Abgeordneten viel zu blöd, um einen Gesetzestext zu formulieren, und sie wollen das auch gar nicht mehr. Und wenn sie doch mal müssen, lassen sie sich das von irgendeiner Lobby ausformulieren.

Zwar entscheiden Wahlen darüber, wer regieren darf und wer in die Opposition gehen muss. Auch können die Bürger Parteien das Vertrauen entziehen, so wie es bei den letzten Bundestagswahlen in Deutschland geschehen ist, und dennoch liegt es nicht in ihrer Hand, Machtverhältnisse zu beeinflussen.

Man wählt, aber man macht die Erfahrung, dass sich an den Verhältnissen, die man mit seiner Wahl beeinflussen wollte, nichts verändert. Die eigentliche Macht liegt nicht in den Händen des Souveräns, sie liegt nicht einmal in den Händen der Volksvertreter.

Stimmt. Egal, was man wählt, man bekommt immer denselben Quatsch. Deshalb regen die sich auch so über die AfD auf. Es gibt längst ein politisches Kartell, das keine Alternative duldet, wie einst bei Honecker.

Sie gehört in Wahrheit einer Elite, die auf Wahlentscheidungen gar nicht angewiesen ist und sie zur Legitimation ihres Handelns auch nicht braucht:

Staatsbeamte, Richter und Staatsanwälte, die vollziehen, was sie für angemessen halten, Lehrer und Universitätsangestellte, die darüber befin­den, mit welcher Gesinnung Schüler und Studenten ausgestattet werden müssen und die kommentierende Klasse in den Leitmedien, die sich eine Ent­schei­dungshoheit darüber anmasst, wie in der Öffen­t­lichkeit gesprochen und geschrieben werden darf.

Ja. Und dieser Zustand wird aus dem Bundesverfassungsgericht heraus gefördert und zementiert. Konkret mindestens in der Person der Verfassungsrichterin Baer.

Wer sich nicht so verhält, wie es die Regisseure verlangen, darf an der Theatervorführung allenfalls noch als Statist teilnehmen. Politiker sind nur noch machtlose Erfüllungsgehilfen jener Tyrannei der veröffentlichten Meinung, die sich als der eigentlicher ­Volkswille ausgibt.

Genau das ist der Zustand.

Politiker sprechen lieber über den Klimawandel und das Elektroauto als über die Woh­nungsnot und die Folgen illegaler Einwanderung. Tatsächlich gibt es keinen Resonanzraum, keine Fürsprecher mehr für jene, denen die Stimme versagt, weil sie nicht mehr gehört werden. Die Wut, die sich in den sozialen Medien entlädt, ist in Wahrheit eine Revolte gegen die kulturelle Hegemonie einer Klasse, die niemand gewählt und deren Interpretationsangebote niemand verlangt hat.

Ja. Und ich beteiligte mich daran.

Und eins der größten Probleme unseres Staates und Ursache für schwindende Demokratie ist, dass dieser abgeschmackte Saftladen von Bundesverfassungsgericht zum Operettengericht verkommen ist, zu Kleiderständern ihrer Roben. Eine Begründung für die Ablehnung einer Verfassungsbeschwerde bekommt man nicht. Was ich aber (bin auf der Mailingliste) bekomme, sind in letzter Zeit verblüffend viele Meldungen, an welchen Feierstunden sie teilgenommen haben, wohin sie eine Abordnung entstandt haben, mit wem und welchen anderen Gerichten sie sich gegenseitig besuchen und so weiter.

Dieses Bundesverfassungsgericht ist inzwischen so richtig widerlich und abstoßend. So korrupt und dysfunktional, wie der ganze Rest, über den dieser Richter gerade schimpft.