Die Heuchelei des Staatssenders ARD
Ein paar kritische Worte zum öffentlich-schlechtlichen Rundfunk.
Der ARD-Vorsitz hat gewechselt. Ich hatte vor fast einem Jahr ja schon eine ganze Menge zum ARD-Vorsitz geschrieben, damals über die Abmahnung vom MDR, beauftragt von der damaligen ARD-Vorsitzenden und MDR-Intendantin Karola Wille, die mit dem monströsen Gehalt und den monströsen Pensionsansprüchen. Das stieß offenbar auf Interesse, es war einer der meistgelesensten Artikel meines Blogs. Ich hatte damals einige hunderttausend Netto-Seiten-Zugriffe pro Tag, das entspricht etwa 15% der durchschnittlichen Zuschauerzahlen der Tagesthemen. (Als einzelner Feierabendblogger. Normalerweise sind es etwas weniger, aber ich zähle nur in seltenen Stichproben, wenn ich es gerade mal wissen will.)
Nun hat der ARD-Vorsitz gewechselt, neuer Vorsitzender ist der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm. Der war von 2005 bis 2010 Chef des Bundespresseamts und Regierungssprecher der Bundesregierung für das Kabinett Merkel I und Merkel II. Nochmal zum Mitschreiben: Merkels Ex-Pressesprecher ist Vorsitzender der ARD.
Derweil schreibt Karola Wille (Ex-SED, auf das Ex würde ich jetzt nicht übermäßig viel Geld wetten) für die FAZ einen Gastbeitrag: Eine Koalition für die Medienfreiheit
Da prickelt’s beim Titel schon, wenn man bedenkt, dass sie mit Gebührenzahlergeld Abmahnungen verschickt und kleine Blogger über den ruinösen Streitwert erdrückt, wenn ihr was nicht passt.
Und sie schreibt:
Das Jahr 2017 war gesellschaftlich von Tabubrüchen und Ignoranz gegenüber den Fakten geprägt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich dem stellen und für einen fairen Diskurs sorgen. E
Ah, ja. Fairer Diskurs. MDR klagt mit Milliarden-Etat aus Fernsehgebühren gegen kleinen privat-Blogger, legt den Streitwert selbst fest, kann dank unerschöpflicher Geldmittel durch alle Instanzen und nennt das dann „für einen fairen Diskurs sorgen” – nachdem der fragliche Journalist Auskünfte verweigert, den Twitter-Disput gelöscht und seine ladungsfähige Anschrift verborgen hat. „Sich dem stellen” nennt sie das.
Wer glaubt diesen Leuten noch irgendetwas?
Meine Nachdenklichkeit geht am Ende unseres ARD-Vorsitzes allerdings über das Rundfunkrechtliche hinaus. Dies betrifft ganz generell, was wir in der Zivilgesellschaft zurzeit an Grenzverschiebungen, Tabubrüchen, Werteschwund und an Ignoranz gegenüber den Fakten gewärtigen müssen.
Und trotz solcher Fakten kommt die ARD beispielsweise mit dem Gender Pay Gap daher oder meint, man müsse über den Fall Kandel nicht berichten.
Denken wir doch mal an Donald Trump. Dessen bemitleidenswerte Pressesprecherin kam mit „alternative facts” und wurde von der Welt dafür ausgelacht, auch von der ARD. Ich habe es im Sommer im NDR selbst miterlebt, wie man dort über Trump und seine Pressesprecherin herzog.
Schalten wir mal das Hirn ein.
Wäre es in einer faktenbasierten Gesellschaft nicht jedermanns gutes Recht, neue Fakten vorzutragen, wenn man der (auch wenn unrichtigen) Meinung ist, dass diese Fakten zu anderen Schlussfolgerungen als die bisher betrachteten führen? Eigentlich ist das doch ein normaler Vorgang, dass man in einem Disput neue Fakten vorträgt und die Auffassung vertritt, dass die neue, nunmehr größere Faktenlage, zu anderen Erkenntnissen führt. Damit kann man falsch liegen, aber vortragen muss man es können.
Die dumme Presse- und Medienmeute hat aber nichts besseres zu tun als sich über „alternative facts” lustig zu machen.
Wer ist denn nun derjenige, der „Ignoranz gegenüber den Fakten” an den Tag legt?
Wer glaubt diesen Leuten noch irgendetwas?
Um mit dem jüngst Vergangenen zu beginnen: Wenn Zeitungen den Begriff „Staatsfunk“ benutzen und wenig später der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger von den Online-Angeboten der ARD als „gebührenfinanzierter Staatspresse“ spricht, dann sind das Sprachverschiebungen, die ich mir so am Beginn unseres Vorsitzes nicht vorstellen konnte.
Halten wir fest: Als Karola Wille vor zwei Jahren ARD-Vorsitzende wurde, sprach – sagt sie – noch niemand von gebührenfinanzierter Staatspresse, aber nach zwei Jahren Wille-Vorsitz schon.
Was heißt das also?
Richtig. Eine sehr auffallende Korrelation.
Eine Kausalität nicht unbedingt. Oder eine, die umgekehrt vorliegt, als man sie sich einem zunächst in den Mund legt. Ich glaube nicht, dass Wille am Niedergang des Journalismus schuld ist. Ich glaube im Gegenteil, dass es eine Folge des Niedergangs des Journalismus ist, wenn jemand wie Wille Intendantin werden kann. Da muss vorher schon allerhand kaputt sein. Und die Presse ist ja auch nicht erst seit 2 Jahren kaputt.
Die teilweise dramatischen Umsatzrückgänge im Zeitungswesen bedeuten in der Tat eine Gefahr für den demokratischen Diskurs unseres Gemeinwesens.
Und die wirft anderen Werteschwund und Ignoranz der Fakten vor?
Meines Erachtens ist es genau umgekehrt: Die Demokratie wendet sich aus Selbsterhaltungstrieb von der Presse ab.
Leute wie Wille ignorieren dabei nämlich ein zentrales Faktum: Demokratie geht – wie Name und Grundgesetz sagen – vom Volk und nicht von der Presse aus. Das Volk kann ohne Presse Demokratie betreiben, aber die Presse kann es nicht gegen das Volk. Ein eigentlich selbstverständlicher Umstand, den noch kein Journalist verstanden hat (oder verstehen wollte).
Den Umstand zu verstehen fällt freilich besonders dann schwer, wenn man Ausbildung und Hintergrund aus der SED und deren Verständnis einer Deutschen Demokratischen Republik gezogen hat. Mag sein, dass man dann glaubt, dass Demokratie ist, was die Presse von oben herab mitteilt. Wir sehen das etwas anders.
Oder, um es mit dem BDZV-Präsidenten Mathias Döpfner zu sagen: Immer mehr Taschenlampen, mit denen die Bürger in der Öffentlichkeit ihren Weg suchen, gehen aus.
Ja, wenn man sie abmahnt oder auf Facebook sperren lässt. Denn die Taschenlampen sind eher die kleinen Blogger und Kommentatoren. Denn der Witz an der Taschenlampe ist, dass man sie selbst führt und dahin leuchtet, wo man hinsehen will. Döpfner hält sich zwar für eine Taschenlampe, aber wenn es fest installiert ist, man es nicht bewegen kann und es mit einem Kabel dauerversorgt ist, damit es niemals ausgeht, nennt man so ein Leuchtmittel eher Armleuchter als Taschenlampe. Naja, sagen wir es so: Ich habe ja gerade Bekanntschaft mit einem Chefredakteur aus dessen Verein gemacht. Besonders helle war der nicht, keine Leuchte. Bildet sich aber ein, er könnte anderen heimleuchten.
Der Grund für die teilweise erdrutschartigen Veränderungen sind nicht wir.
Schuld sind immer die anderen. Das war bei denen noch nie anders.
Die Gründe dafür sind in einer Änderung im Nutzungsverhalten der Bürger begründet, die das Internet in immer größerem Ausmaß zur Rezeption von Medieninhalten nutzen. Dies bekommen auch wir zu spüren, und damit geht aber auch eine massive Verschiebung der Werbung zugunsten von Online-Plattformen einher, wovon vor allem die großen US-amerikanischen Giganten profitieren.
Wie sagt man so schön? Konkurrenz belebt das Geschäft. Auf einmal hängen die Leute nicht mehr nur am Spoon-Feeding der Presse. Die haben jetzt so kleine Taschenlampen.
Das tatsächliche Problem ist allerdings noch viel größer. Es betrifft den Kern des Geschäftsmodells Online-Werbung, die perfektioniert wird. Anzeigen sehen wie Inhalte aus und Inhalte wie Anzeigen.
Welchen demokratierelevanten Wert hat ein Journalismus, der von Werbeanzeigen nicht mehr zu unterscheiden ist?
Soziale Netzwerke wie Facebook haben mit ihrer unerbittlichen Plattformlogik, die ohne publizistische Grundwerte Inhalte als Köder für Konsumenten auswirft, eine bisher nie gekannte Wirkmacht erreicht. Hier aber müssen wir gemeinsam, Verleger und Öffentlich-Rechtliche, eine Antwort finden.
Oh, das ist jetzt aber ganz dumm danebengegriffen.
Denn Döpfners Haus, der Springer-Verlag, hatte in einer Klage gegen Werbeblocker angeblich vorgetragen:
Und sie wirft Facebook vor, Inhalte als Köder für Konsumenten auszuwerfen.
Wer glaubt diesen Leuten noch irgendetwas?
Das Gebot der Stunde ist eine Koalition für die Medienfreiheit, eine große Koalition gegen Einschränkungen des Freiheitsbereichs.
Sagt die, die mit dem großen Geldhaufen Leute abmahnt, weil die was sagen, was ihr nicht passt.
Diese Freiheit muss vielmehr immer wieder zivilgesellschaftlich neu errungen werden; aber dieser Prozess muss der Wahrheit verpflichtet sein, und das heißt: Er muss auf dem Diskurs einer Zivilgesellschaft basieren, die zu Aushandlungen über ihre eigenen Wahrheiten bereit und in der Lage ist. Nicht der fehlinformierte, sondern nur der umfassend informierte Bürger ist demokratiefähig.
Ah, ja. Und deshalb blendet man auch alles weg, was irgendwie schlecht für Frauen oder Migranten erscheinen könnte. Deshalb hat man über die Kölner Silvesternacht und über den Mord von Kandel erst berichtet, als es nicht mehr anders ging. Weil man nur den umfassend informierten Bürger für „demokratiefähig” hält.
Wer glaubt diesen Leuten noch irgendetwas?
Nie war unsere Verantwortung, Meinungsvielfalt herzustellen, zur kulturellen Identität und zur gesellschaftlichen Integration beizutragen, wichtiger als in dieser Zeit. Wir in der ARD stellen uns dieser Verantwortung.
Und wegen dieser Meinungsvielfalt drückt man alles weg, was nicht der political correctness entspricht. Deshalb nennt man die alles rechtsradikal, und deshalb beschäftigt die ARD durchgeknallte Radikalfeministinnen als Zensorinnen der Benutzerforen. Ich hab die bei der Sommerkonferenz des NR im NDR live erlebt. Und deswegen lässt der NDR auch „pro quote” da schalten und walten und Jagd auf jeden machen, der es wagt, anderer Meinung zu sein. Und deshalb sitzen in den politisch wichtigen Talkshows auch entweder gar keine Gegenmeinungen oder kalkulierte Schießbudenfiguren.
Wer glaubt diesen Leuten noch irgendetwas?
Dazu gehört insbesondere, dass wir für die Menschen ein verlässlicher, relevanter und glaubwürdiger Qualitätsanbieter sind, der einordnet, Hintergründe erklärt und mit unabhängigem, verlässlichem und transparentem Journalismus Orientierung gibt – und dies in der klassischen Medienwelt und im Netz.
Unabhängig, verlässlich, transparent. Wollen sie sein.
Deshalb wird vieles gar nicht erst berichtet, deshalb erzählen sie uns unablässig vom Gender Pay Gap, der nicht existiert, und deshalb sitzen immer dieselben Lobbyisten in den Talkshows. Verlässlich.
Und deshalb lässen sich die ARD und Wille auch vor den Gender-Karren einer Maria Furtwängler (also ob die Milliardärsgattin das selbst nötig hätte) spannen. Transparenter Journalismus und so. Unabhängig. Transparent.
Dabei müssen wir Kritik ernst nehmen, die eigenen Qualitätsstandards ständig überprüfen und die Auseinandersetzung darüber auch öffentlich führen.
Haha, ja, durch Abmahnungen und Unterlassungsverfügungen.
Wer glaubt diesen Leuten noch irgendetwas?
Die ARD hat sich auf den Weg gemacht und mit der Vorlage ihres Zukunftspapiers über Auftrag und Strukturoptimierung im Zeitalter der Digitalisierung ein gutes Stück dieses Weges absolviert. Wir wissen aber alle: Ein mindestens ebenso großes Stück Arbeit liegt noch vor uns. Wir wollen als ARD diesen Weg mit dem ZDF und Deutschlandradio gemeinsam und im fairen Diskurs mit den anderen Medienhäusern gehen. Dafür benötigen aber alle Beteiligten politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die der dynamischen Entwicklung der digitalen Medienwelt gerecht werden und das in den Fokus stellen, worum es uns allen geht: das Interesse unserer Nutzerinnen und Nutzer als mündige, aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger im demokratischen Miteinander und Dialog.
In nur einem Absatz sagt sie, dass die Nutzer „mündige, aufgeklärte Bürger seien” und dass man den „fairen Diskurs” mit den anderen Medienhäusern führt. Die machen das unter sich aus, was man dem Bürger vorsetzt. Und wundern sich dann, dass der Bürger sich abwendet und seine eigenen Taschenlampen anmacht.
Wer glaubt dieser ARD noch irgendetwas?