Sawsan Cheblis neueste Idee…
Ich sitze da vorm Bildschirm, lese das, und frage mich, wie sie das anstellen wollen.
Manchmal frage ich mich, auf welchem Planeten die leben.
Der Tagesspiegel schreibt gerade:
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, eine Tochter palästinensischer Flüchtlinge, hat vor kurzem vorgeschlagen, den Besuch einer KZ-Gedenkstätte zur Pflicht zu machen – für Deutsche und für Migranten. „Ich fände es sinnvoll, wenn jeder, der in diesem Land lebt, verpflichtet würde, mindestens einmal in seinem Leben eine KZ-Gedenkstätte besucht zu haben. Das gilt auch für jene, die neu zu uns gekommen sind“, sagte sie.
Zwar stimme ich mit ihr darin überein, dass man das getan haben sollte. Nur mit dem wie bin ich nicht so einverstanden.
Bei uns war das an der Schule Pflichtveranstaltung, Klassenfahrt nach München mit Besuchen von Kloster Andechs, Kernkraftwerk und KZ-Gedenkstätte Dachau. Hatte sowas touristisches an sich. So ne Mischung aus Horror und Disneyland.
Soviel Respekt ich vor diesen KZ-Gedenkstätten auch habe, ich glaube nicht, dass deren isolierter Besuch ohne Wissenskontext irgendetwas bringt. Das ohne Wissensfundament zu präsentieren wird leicht zur Leichenshow und – gerade mit Hinblick auf islamischen Antisemitismus und Terror – womöglich zum Vorbild. Hört man sich die Äußerungen mancher neoantisemitischer Migranten an, und was auf Berliner Schulhöfen so abgeht an, dann habe ich eher die Befürchtung, dass ein KZ-Besuch erstens auf ein „Schaut her, so macht man das” hinauslaufen könnte, und es zweitens einen moralischen Dammbruch hervorruft, quasi das Broken-Window-Syndrom auslöst, und die Botschaft „Ihr seid ja nicht mehr die ersten, die das tun” transportieren könnte.
Das Problem daran ist, dass KZ-Gedenkstätten – der Sache und ihrem Auftrag gemäß – einen Schwerpunkt auf dem konkreten Morden an diesem konkreten Ort haben. Ihre Darstellung ist damit stark vorrangig moralisch, auf Gefühlsebene. Die inhaltliche Information muss da zwangsläufig außen vor bleiben, nicht nur wegen der Komplexität, sondern auch weil sie das Wesen einer Gedenkstätte, das Grauen des Massenmordes, verdünnen würde.
Und was würde das auch für eine Information an Flüchtlinge liefern, die hier neu ankommen? Willkommen im Land des Mordens? Ihr seid vor Bomben und dem IS geflohen um hier im Land der Konzentrationslager und der Massenerschießungen „in Sicherheit” zu sein? Bitte erst die Bilder von verhungernden Häftlingen in den KZ-Baracken und den Erschießungen betrachten und heute abend geht’s dann in die vollgestopften Auffangbaracken in den Hangars von Tempelhof, alter Nazi-Flugzhafen?
Deshalb kann meines Erachtens eine KZ-Gedenkstätte nicht sinnvoll isoliert besucht werden. Der Besuch kann meines Erachtens nur der Abschluss einer inhaltlichen Information sein.
Und wie will man Leute überhaupt dazu zwingen? Wie sanktioniert man, wenn einer nicht da war?
Soll das eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit sein, dort nicht hinzugehen? Wie weist man nach, dass man dort war? Wie würde ich etwa nachweisen, dass ich schon dort war?
Und welche Wirkung hätte es wohl, Leute da zwangsweise hinzukarren? Was würde wohl einer davon lernen, dem man jetzt sagt, Guck Dir diese Bilder an? Das kann doch nur auf Trotzreaktion hinauslaufen, sowas kann doch gar nicht würdig und angemessen verlaufen.
Und wie sollte das aus Sicht Überlebender oder deren Nachkommen gesehen werden? Werden jetzt Migranten dann zwangsweise dort „eingeliefert” und eingesperrt, bis sie alle Bilder gesehen haben?
Sie schaffen es ja noch nicht mal, die Leute bei der Registrierung und der Auszahlung von Geld eindeutig zu identifizieren. Und dann wollen sie sie „verpflichten”, dort hinzugehen? Wie soll das laufen?
Ich sehe aber noch ein ganz anderes Problem.
1945, Ende des Krieges und der Naziherrschaft, sind jetzt fast 73 Jahre her. Bald werden es 100 Jahre sein.
Viele derer, die damals gestorben sind, würden heute nicht mehr leben, und kaum einer derer, die damals nicht gestorben sind, lebt heute noch. In geschätzten 10 Jahren wird vermutlich niemand mehr leben, der noch eigene Erinnerungen daran oder an damals gestorbene Personen haben kann.
Und damit müssen sich Gedenkstätten verändern.
Denn ein Gedenken im eigentlichen, persönlichen Sinne, für das sie vorrangig errichtet wurden und wichtig waren, ist dann nicht mehr gegeben. Es wird vom Gedenken zum Mahnen.
Und diese Funktion erfüllen wir derzeit in meinen Augen so gut wie gar nicht.
Wir leben in einer Zeit massivster Holocaust-Leugnung und -Verharmlosung, einer Art Naziinflation, weil heute jeder, der auch nur ein Wort der Kritik äußert oder einer eigenen Meinung ist, sofort als „Nazi” abgestempelt, und damit mit den Verbrechen des Dritten Reiches gleichgesetzt wird. Die Intention ist, den Geschmähten als Verbrecher hinzustellen. Die Wirkung ist, Nazis als harmlos anzusehen, als Leute, die nur von ihrer Meinungsfreiheit gebrauch machen. Motto: Nazis sind Leute, die was nicht gut finden und nicht der staatlich vorgegebenen Meinung sind.
Das ist nicht nur verharmlosend, es ist gefährlich falsch. Denn gerade diese Mechanismen des Meinungsdrucks, der Political Correctness, sind es, mit denen das Nazisystem damals funktionierte. Wollte man heute die Gefahren aufzeigen, sollte man bevor man zu den Verbrennungsöfen der KZ-Gedenkstätten geht, zeigen, wie Politik und Medien auch heute arbeiten, um die Leute auf eine Linie zu kämmen, und sich dann an den Öfen anschauen, worauf sowas hinausläuft.
Ich habe das schon oft beschrieben, wie die NS-Aufklärung da versagt:
Man reduziert den Nazi-Horror auf das visuelle, das bildliche, das, was auch dem Doofen leicht zugänglich ist, nämlich auf Symbole. Und das geht sehr leicht, denn auch die Nazis – und die waren zwar böse, aber nicht in jeder Hinsicht dumm – wussten, dass Symbole wichtig sind, um die Masse zu leiten. Deshalb hatten sie das Hakenkreuz, den Hitlergruß, die Uniformen, und natürlich den überaus markanten und charakteristischen Schädel Hitlers. Schon Bart und Frisur erkennt jeder, selbst wenn nur rudimentär angedeutet. Unzählige Komiker mussten sich nur den Haare mal nass rüberkämmen, und sofort hat jeder das Schema erkannt. Und genau an dieser Symbolik knüpfen heutige Politstrategen an, „recyclen” sie quasi, um aus dem Kult das Feindbild zu machen. Das hat den Vorteil, dass sich das Böse leicht aufzählen lässt: Hitler, Hakenkreuz, erhobene Arme, Stiefel, Ausländer kloppen. Fertig ist das Feindbild.
Über das eigentlich wichtige, die Methoden – und das ist weitaus wichtiger als irgendein dämliches Hakenkreuz – schweigt man sich aus. Das will man nicht erwähnen.
Erstens, weil die Linken und vor allem die Genderisten sich so gerne derselben Methoden bedienen. Und das ist nicht verwunderlich, denn viele aus diesem Umfeld sind Soziologen, die die Nazis und das Dritte Reich eingehend studiert haben. Und sich derer Psychomethoden mit Wonne bedienen. Die perfide Aschenputtelmethode: Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Was man an Nazimethoden brauchen kann, verwendet man selbst, nimmt sich das Fleisch. Was man nicht brauchen kann, das Symbolgerippe, das verwendet man, um es dem politischen Feind anzuheften.
Und so sind wir an dem Punkt, an dem die Opfer der Nazis ein zweites Mal geschändet werden, weil Nazis nämlich nur noch der politischen Instrumentalisierung dienen.
Würde man nämlich tatsächlich versuchen, eine Wiederholung zu verhindern und inhaltlich zu lehren, wie das passieren konnte, würde man nicht so um die Symbolik tanzen, sondern sich um die Methodik kümmern.
Das aber ist politisch nicht gewollt. Das ginge nämlich in Richtungen, die politisch und medientechnisch nicht erwünscht sind, weil das Feindbild begrenzt bleiben soll.
Denn dann würde man merken, dass sich Linke heute derselben Psychomethoden bedienen, und dass – diversen Quellen folgend – die Nazis in der Rangliste der Massenmörder des 20. Jahrhunderts auch nur auf Platz 3 oder so kämen, dass auch die Chinesen, die Russen und die Kambodschaner gut im Mordgeschäft waren, und die im Zeichen des Kommunismus mordeten – bei den Nazis war es der (National)sozialismus. Dann würde man untersuchen und lehren, dass solche totalitären Systeme mit Moralvorgabe zu diesen Massenmorden in Millionenquantitäten führten – und nicht Hakenkreuze. Es war nicht das Hakenkreuz, nicht der erhobene Arm, nicht Hitlers Bärtchen, was Menschen zu Mördern machte. Es war das totalitäre System und das Ausnutzen des sozialen Gruppendrucks, eben dieser political correctness-Masche, und das ständig wiederholte Vorzeigen eines Sündenbocks. So wie heute. Oder auch nur so banale Dinge, dass man damals den Soldaten der Wehrmacht ähnliche Drogen gab, wie die, die heute gehandelt werden und deren Freigabe man begehrt. Damit sie leichter töten und dabei länger durchhalten. Während Berlin unter der Drogenschwemme verroht. Ich könnte mich nicht erinnern, diesen Aspekt in einer Diskussion um Drogenpolitik schon mal gehört zu haben.
Würden Menschen heute ordentlich darüber unterrichtet, wie der Nationalsozialismus funktionierte, würden sie der political correctness und dem Genderismus nicht auf den Leim gehen. Und sie würden auch den Islam weitaus kritischer einschätzen und ihm ablehnender gegenüber stehen, denn auch der verwendet ähnliche Methoden, die Symbolik, die moralische Norm, das Feindbild, die rituelle Handlung vor dem Götzen.
Das Prinzip ist das gleiche, und es läuft darauf hinaus, evolutionär erworbene Handlungsweisen wie den Herden- und den Nachahmungstrieb auszunutzen, um Leute zu steuern und zu manipulieren. Das müsste die Botschaft sein.
Und das machen wir in meinen Augen komplett falsch.
Der größere Fehler ist aber, eine so wichtige Aufgabe solchen Naivchen und Schwätzerinnen ohne Anstand wie Sawsan Chebli zu überlassen, die sie vor allem für eines missbraucht: Als Rhetorikargument für ihre Migrationsstrategie. Das nämlich haben die Toten nicht verdient. Das ist unwürdig, für billige Politinteressen verheizt zu werden. Und das wäre dann auch eine Entweihung der Gedenkstätten.
Und diese historische Verantwortung haben wir, diese Gedenkstätten vor der Instrumentalisierung durch Leute vom Schlage einer Sawsan Chebli zu schützen.