Ramschpresse
Geht es in den Todeskrampf?
Ein neuer Effekt: Inzwischen tragen mir die ersten Leser – und das ist neu – Beschwerden vor, dass ihnen Zeitungen kostenlos aufgedrängt werden.
Ich hatte ja schon beschrieben, dass der SPIEGEL schon unter Null angekommen war, weil man ein Fahrradschloss im Wert von 76 Euro zusammen mit einem Spiegel-Abo für 40 bekommt. Heißt im Prinzip: Gib Dich als Abonennt her, und wir teilen uns die Werbeeinnahmen. Was ja im Prinzip schon Betrug am Werbetreibenden ist, es sei denn freilich, der weiß und ist damit einverstanden, dass man dem Leser noch Geld dafür gibt, dass er das Zeug nimmt. Aber immerhin muss man da noch einverstanden sein und aktiv mitmachen.
Ein Leser schreibt mir nun (mit Beweisfoto), dass da an irgendeinem Bahnhof jeden Morgen einer steht, der mehrere dicke Stapel der Süddeutschen verschenkt. Also nicht, wie man das kennt, im Tausch gegen einen Abo-Vertrag, sondern einfach so, kostenlos raushaut. Bekommt man so in die Hand gedrückt. Gut, könnte man sagen, das ist ja auch freiwillig, man muss ja nicht, und einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Aber: Laut dem Leser wird der die Zeitungen nicht los, die Leute wollen sie nicht haben, und wenn die da gehen, lassen sie die Stapel einfach stehen. Motto: Selbstbedienung. Heißt in der Realität, dass die Putzkolonne das wegräumt und entsorgt, was auch Schwindel ist, denn verschenkte Exemplare gelten als Auflage, sogar gestohlene, aber nicht weggeworfene. Auf die Weise werden aber sogar weggeworfene als verschenkte ausgegeben, um die Auflage hochzuhalten.
Ein anderer Leser schreibt mir (ebenfalls mit Beweisfoto des Schreibens), dass er vor langer Zeit mal Abonnent der WELT AM SONNTAG war, und ihm da so ein Schreiben ins Haus flatterte:
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Der wird gar nicht mehr gefragt, ob er das überhaupt will. Oder vielleicht in Urlaub ist. Die pumpen dem einfach mal so 5 Wochen lang einen Haufen Papier in den Briefkasten, Gegenwehr nicht vorgesehen.
Moment mal. WELT AM SONNTAG? Das war doch die, von der mich einer so anpöbelte: Hier und hier und hier.
Früher hat man Zeitungen abonniert und Geld dafür bezahlt. Heute geht man fast schon zum Gericht und beantragt eine einstweilige Anordnung, um von denen nicht mehr belästigt zu werden.
Das ist alles so runtergekommen, dass sich die Beliebtheit von bedrucktem Zeitungspapier der von benutztem Klopapier annähert.