Streit um den Pressekodex
Anscheinend will man Reste von Glaubwürdigkeit retten, aber ich glaube, das wird nichts mehr.
Jemand hat mich auf eine Webseite eines seltsamen Berliner Vereins namens „Neue Deutsche Medienmacher e.V.” aufmerksam gemacht, der sich selbst so definiert:
Wir sind ein bundesweiter unabhängiger Zusammenschluss von Journalist*innen mit und ohne Migrationsgeschichte. Neue deutsche Medienmacher arbeiten als feste und freie Journalist*innen, Kameraleute, Fotograf*innen und Autor*innen für Print, Online, TV, Hörfunk.
Jemand machte mich nun auf einen Tweet aufmerksam
Keine Frage, wir sind uns einig. Deshalb haben wir einfach eigene, praktikable Empfehlungen rausgegeben, nachdem 12.1. Pressekodex nach rechts gerückt ist 💪👇https://t.co/6F7nlCcCUk pic.twitter.com/HC5eydQk01
— Konstantina V.-Enz (@KonstantinaNdM) February 5, 2018
Da kann man noch etwas die vorangegangenen Tweets anschauen, und sie verweisen auf diese Pressemitteilung, wonach sie sich an einer Änderung des Pressekodex stören und wieder zur alten Version zurück wollen.
Der Deutsche Presserat habe anhand von Beispielen erläutert, in welchen Fällen Journalisten den Migrationshintergrund von Tätern unbeanstandet nennen dürfen, nachdem man den Pressekodex dahingehend geändert hat, dass ein Migrationshintergrund dann genannt werden könne, wenn ein begründbarer Sachbezug oder ein begründetes öffentliches Interesse bestehe.
Mal abgesehen davon, dass ich nie verstanden habe, wie ein „Presserat” vorschreiben kann, was man nennen darf und was nicht, verstehe ich auch nicht, wieso sich dieser Verein an dieser Änderung stört, denn sie sagen – soweit daran jetzt erkennbar – nicht, dass man das nennen müsse. Wenn sie der Meinung sind, dass man das nicht nennen sollte, dann können sie es ja einfach bleiben lassen, aber wie kommen sie dazu, das auch anderen verbieten zu lassen?
Zum einen geht es um die Berichterstattung über Straftaten oder Bagatelldelikte wie Taschendiebstähle, wie man sie in Form von Polizeimeldungen auf den vermischten Seiten findet. In diesem Zusammenhang sollte die ethnische Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung von Täter*innen grundsätzlich nicht genannt werden, da sie für die Straftat irrelevant ist.
Religion und ethnische Herkunft seien für „Bagatelldelikte wie Taschendiebstähle irrelevant”?
Also ich halte Taschendiebstahl keineswegs für ein Bagatelldelikt. Das kann Leute in ganz enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Nicht jeder kann sich ohne weiteres Handy und Inhalt des Geldbeutels neu kaufen, und ich habe hier in Berlin schon eine Frau erlebt, für die der Taschendiebstahl ihres Tablets eine Weltuntergangskatastrophe darstellte. Selbst wenn es einen nicht finanziell umbringt, kann einen der Verlust von Ausweispapieren in enorme Schwierigkeiten bringen und viel Aufwand bedeuten, besonders in Berlin, wo man mitunter 2 Monate auf einen Behördentermin wartet. Es ist mir schleierhaft, wie man so zynisch sein kann, Taschendiebstahl als Bagatelle hinzustellen, insbesondere wenn ich mir das Geheul und Selbstmitleid von Journalisten beim Leistungsschutzrecht oder Werbeblockern anhöre, denn das stellten sie als Verbrechen hin, ebenso das Rainer-Brüderle-Kompliment. Ein Taschendiebstahl soll eine Bagatelle sein, während ein bloßes Betätscheln eines Hinterns ein Schwerverbrechen sein soll.
Ich habe für diese Leute und ihre dubiose Maßstäbe, vor allem diese notorische Doppelmoral, keinerlei Verständnis mehr.
Was ich aber geradezu für eine Unverschämtheit halte, ist das:
“Die Entscheidungshilfen tragen nicht zu mehr Klarheit bei. Im Gegenteil, sie dürften eine pauschalisierende und stigmatisierende Berichterstattung befördern.”
Hat sich irgendwer bei der „Berichterstattung” über Harvey Weinstein oder Dieter Wedel daran gestört, dass man nannte, dass sie Männer sind, dass man pauschalisiert und stigmatisiert hat?
Nein. Wenn es gegen Männer, besonders weiße Männer geht, dann ist jede Form der Hetze, Pauschalisierung, Stigmatisierung willkommen,
Und wieder diese widerliche Doppelmoral.