Netzwerkdurchsetzungsgesetz geknackt?
Maas intellektuell-juristisch gegen die Wand gefahren?
Manche Leser werden sich erinnern: Vor fast einem Jahr war ich in Hamburg auf der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche, auf der der dafür zuständige Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Gerd Billen, eingeladen war, auch auftrat und was zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz sagen sollte. Ich hatte mich damals im Rahmen der Fragemöglichkeit aus dem Publikum mit dem angelegt, den auch lautstark da festgenagelt und unter Druck gesetzt, er solle doch endlich mal sagen, was eigentlich ist und welche Rechte ein Bürger hat, wenn Inhalte gesperrt werden, die nicht strafbar sind oder deren Strafbarkeit nie festgestellt wird, weil kein Strafverfahren eröffnet wird. Billen hatte nämlich im Gespräch auf der Bühne ständig davon geredet, dass der Staat strafbare Inhalte unterbinden müsste und das deshalb auch zulässig sei, weil Meinungsfreiheit eben nicht gestatte, Strafbares zu äußern. Deshalb hatte ich den damals auf die Frage festgenagelt (und weil er sich wand, ziemlich laut und ruppig zur Erklärung aufgefordert) und zu der Aussage gebracht, dass es auf die Strafbarkeit eigentlich nicht ankäme, weil das BMJV der Meinung sei, dass Facebook aufgrund seiner AGB gar nicht verpflichtet sei, irgendetwas zu veröffentlichen, und deshalb kraft Willkür einfach alles löschen könnte, was es wolle.
Muss man sich klarmachen: Ein Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz will Verbraucher völlig rechtlos stellen und grenzenloser Willkür eines Konzerns ausliefern um politische Zwecke zu verfolgen. Und solche AGB wären in Deutschland auch schlicht AGB-rechtswidrig. AGB dürfen nämlich nur die Modalitäten der Vertragserfüllung regeln, aber nicht den Vertragsgegenstand an sich verändern. Man kann nicht in AGB schreiben, dass man seinen Vertrag nur erfüllt, wenn man gerade Lust hat. Sowas ausgerechnet von einem Verbraucherschutzministerium zu hören ist kurios, aber eben das Niveau von Maas und der SPD.
Nach der Veranstaltung sprachen mich diverse Journalisten darauf an und drückten mir großes Lob dafür aus, aber geschrieben hat meines Wissens niemand darüber. Da sitzt man mitten im Norddeutschen Rundfunk in einem großen Saal proppenvoll mit Journalisten, bringt das Justizministerium zum Offenbarungseid, und niemand erwähnt es. Weil das großjournalistische Interesse eben in Richtung Zensur ging. Das ist der Zustand unseres Journalismus, reines Interessengeplapper.
Heute morgen nun kam eine Meldung im Radio und ging auch durch die Presse: Zuerst die „Funke Mediengruppe” habe darüber berichtet, dass erstmals ein deutsches Gericht Facebook die Löschung eines Artikels untersagt habe.
Wenn die Meldung von der Funke Mediengruppe kommen soll, schaut man nicht in die unzähligen Abschreiberlinge, sondern etwa in die WAZ: Gericht verbietet erstmals Löschung von Facebook-Kommentar
Demnach eine einstweilige Anordnung, nicht begründet, nicht rechtskräftig, Facebook wurde gar nicht erst gehört.
Ein Berliner Facebook-Nutzer hat vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es dem Netzwerk untersagt, einen Kommentar des Mannes zu löschen und ihn zu sperren. Die Entscheidung vom 23. März (Aktenzeichen 31O21/18), die Facebook noch nicht zugestellt wurde, liegt unserer Redaktion vor. Es ist das erste Mal, dass ein deutsches Gericht es einem Netzwerk verbietet, einen Nutzer-Kommentar zu löschen.
Der Berliner hatte Anfang Januar in seinem Facebook-Account geschrieben: „Die Deutschen verblöden immer mehr. Kein Wunder, werden sie doch von linken Systemmedien mit Fake-News über ‚Facharbeiter’, sinkende Arbeitslosenzahlen oder Trump täglich zugemüllt.“
Der Kommentar wurde von Facebook gelöscht. „Du hast kürzlich etwas gepostet, was die Facebook-Richtlinien verletzt“, teilte das Netzwerk dem Nutzer mit, dessen Account zudem für 30 Tage gesperrt wurde.
Der Rechtsvertreter des Berliner Nutzers, der Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel, argumentierte in dem Verfahren damit, sein Mandat habe als Facebook-User mit der Plattform einen Vertrag: Sie könne dessen Daten nutzen, im Gegenzug sei es dem Berliner erlaubt, Inhalte abzusetzen, die nicht gegen geltendes Recht verstoßen. An diesen Kontrakt habe Facebook sich zu halten. Es ist anzunehmen, dass die Richter diese Rechtsauffassung teilten. Begründet haben sie ihre Entscheidung aber nicht. In dem Verfügungsverfahren wurde Facebook als Gegenseite nicht gehört.
Meines Erachtens ist diese Aussage ohne weiteres zulässig, rechtmäßig und von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ich sehe da keinerlei Ansatz für eine Rechtswidrigkeit. Offenbar aber zensiert Facebook – und dahinter steckt wohl der damalige Justizminister Heiko Maas und Zensurprotagonisten wie die Amadeu-Antonio-Stiftung, die offenkundig Meinungszensur betreiben – Kritik an Medien, jede Abweichung von der Propagandalawine.
Wenn aber nun – ich kenne weder Anträge noch Urteil – das Gericht Steinhöfel folgt und den Vertrag so versteht, dass Facebook im Gegenzug für die Datennutzung (und das weiß ja nun aktuell jeder, dass die Milliarden damit scheffeln) auch Verpflichtungen hat, nämlich zu veröffentlichen, was der Nutzer veröffentlichen will (und nur darin liegt ja die gegenseitige Leistung und Vertragsgrundlage), dann ist die Argumentation von Gerd Billen, dass es auf die Rechtswidrigkeit für eine Löschung nicht ankäme, weil Facebook nach AGB tun und lassen kann, was sie wollen, hinfällig und erledigt.
Und damit wäre das Netzdurchsetzungsgesetz nicht mehr durchführbar, weil man Strafbarkeit nicht einfach so ins Blaue behaupten kann, und bei der oben genannten fraglichen Äußerung (die ich ohne weiteres auch in meinem Blog so schreiben würde und ähnliches schon geschrieben habe) gab es wohl auch nie die Behauptung der Strafbarkeit, sondern nur des Verstoßes gegen Facebook-Richtlinien, die nicht ersichtlich und nicht klar sind, also reine Willkür.
Wenn das Bestand hat, dürfte sich das Netzdurchsetzungsgesetz erledigt haben.