Ansichten eines Informatikers

Klaus sprang aus dem Fenster

Hadmut
6.5.2018 16:23

Zum Stand der Lage.

Ein wütender Vater sprach mich an.

Ein Vater eines Sohnes. Einer, der wütend über das Gymnasium ist, an dem sein Sohn Schüler einer 6. Klasse ist.

Schon auf das Gymnasium zu kommen, war schwierig. Obwohl der Sohn einer der besten an der Grundschule war und nur Einsen und Zweien im Zeugnis hatte, wurde er an dem präferierten Gymnasium nicht angenommen, stattdessen aber Flüchtlingskinder, die noch gar keine Schulbildung hatten und weder Deutsch noch näher lesen oder schreiben konnten. Erstaunt fragte er nach, warum die, aber nicht sein Sohn einen Platz am Gymnasium bekam. Die Lehrerin belehrte ihn, dass das politisch vorgegeben sei und Noten oder Vorwissen keine Rolle mehr spiele. Das werde ausgelost und dabei auf Diversität geachtet (was man heute eben so unter Auslosen versteht).

Also musste man an ein anderes Gymnasium, was ungünstiger liegt. Der Knabe besucht die 6. Klasse.

Aktuelle Aufgabenstellung (ich glaube, es war eine Klassenarbeit, bin mir jetzt aber nicht sicher, ob es nicht doch eine Hausaufgabe war): Ein Satz, in dem ein Wort fehlt. „Klaus * aus dem Fenster.” Dann muss man per multiple Choice wählen, welches Wort da reinpasst. sprang. spregt. Sprung. und so. Man muss nicht mal selbst drauf kommen, sondern einfach das passendste aus vieren auswählen.

Der Vater ist ungefähr meine Altersklasse. Wir mussten damals in der Grundschule schon Diktate schreiben, und ab der 5. Klasse Aufsätze, Nacherzählungen und sowas. Bei uns hieß das: Leeres Blatt, Füllhalter, 45 Minuten. Los geht’s.

Außerdem hatte ich ab der 5. Klasse auch Lateinunterricht. Wir mussten da in der Klassenarbeit lateinische Texte übersetzen. Weiß ich noch: serpens in horto. Marcus und Cornelia im Garten, sie entdecken eine Schlange und rufen den Vater zu Hilfe. (Ich habe das Schulbuch übrigens noch: redde rationem, orationes.) Wir haben in der 5. Klasse lateinische Texte selbständig ins Deutsche übersetzt. Und einzelne Sätze von Deutsch nach Latein. Solche Auswahlrätselfragen hätten wir damals nicht mal auf Lateinisch bekommen.

Verstört fragte der Vater die Lehrerin, warum man in einer 6. Klasse kein angemessenes Niveau erreicht. Nun, sprach die Lehrerin, das sei politisch so vorgegeben. Viele Flüchtlinge könnten eben nicht mehr und müssten erst Deutsch lernen, und der ganze Unterricht sei inklusiv an deren Leistungsfähigkeit auszurichten.

Ja, aber wie soll sein Sohn denn dann jemals Abitur machen, wenn sie nicht zum Lehrstoff kommen, fragte der Vater entgeistert.

Da brauche er sich wirklich gar keine Sorgen zu machen, entgegnete die Lehrerin. Auch das sei politisch vorgegeben. Jeder, auch jeder Flüchtling, erreiche und bekomme das Abitur. Damit selbstverständlich auch sein Sohn. Es bestehe überhaupt kein Anlass zur Sorge, dass der Junge kein Abitur bekommen könnte.

Mir dagegen fehlte es da etwas an der Zuversicht der Lehrerin. Der Junge ist weiß und männlich. Wenn das alles politisch vorgegeben ist, würde ich nicht darauf wetten, was die sich bis dahin als Vorgaben ausdenken.

Die Frage, die mich jetzt bewegt: Wie soll man eigentlich im Zeitalter der Digitalisierung und des Unterrichts mit Tablets 40 Jahre später noch belegen können, was man damals gelernt hat? Schulbücher aufheben geht dann nicht mehr.