Soziologen, Schmerz und Argumentationen
Es ist schon gruselig.
Häufig schreiben mir Geisteswissenschaftler, darunter vornehmlich Soziologen, wegen meiner Soziologenwatscherei.
Da gibt es den einen Grundtyp, von denen mir gerade vor ein paar Tagen wieder einer schrieb, meine Schreibe über Soziologen sei polemisch, vernichtend, gnadenlos, brutal, geringschätzig und so weiter, und sie würden mir ja soooo gerne widersprechen, aber sie könnten es nicht, denn ich hätte ja mit allem recht.
Und da gibt es den anderen Grundtyp, der meine Rede genauso bewertet (da zumindest sind sie sich einig), aber meint, ich hätte unrecht. Wie gerade eben wieder einer. Und die Argumentation verläuft dabei immer gleich: Sie sagen nicht etwa, dass die Soziologen gut und meine Kritik falsch wäre, sondern kommen immer damit, dass es ja auch gute gäbe (Wenn schon Soziologen, die antreten, um sich gegen meine Kritik zu verteidigen, damit kommen, dass es ja auch gute gäbe..), und dann wird meist auf Max Weber verwiesen (von dem mir Soziologen schon schrieben, nach dem hätte man eigentlich aufhören sollen, danach kam nichts Gescheites mehr), oder wie heute einer mit Bezug auf diesen Artikel
Mit den Gedanken zur Soziologie bin ich aber überhaupt nicht einverstanden. Es stimmt, daß Leistungen, Disziplin, Innovationsfähigkeit etc. in vielen Unis gegen Null gehen. Es gibt allerdings durchaus Professoren und Studenten, die sich anstrengen.
Verfehlt wirken die Schlußfolgerungen Einschätzungen Ihres Informanten über “die” Soziologie (ebenso wie das naive Lob der Volkswirtschaft). Soziologie sei Religion und dergleichen. Mag vielerorts so sein, aber Luhmann, Weber, Noelle-Neumann oder Schelsky sind für Ihn offenbar Böhmische Dörfer. Ich finde Ihr Informant hat unübersehbare Kenntnislücken und sollte in Ihrem Blog nicht als Durchblicker präsentiert werden.
Kritische Soziologie (bspw. eine unvoreingenommene Darstellung der Islamisierung oder der Vergreisung oder der Verkrustung der öffentlichen Diskurse) ist im Kontext der politisch korrekten deutschen Universitätslandschaft kaum möglich, jedenfalls dann nicht, wenn man eine akademische Karriere machen möchte. Das ist ähnlich wie bei den Historikern, wo bestimmte Themenbereiche und Bewertungen schlicht tabu sind. Darunter leidet die Sozologie; sie ist nicht per se Schrott.
Ich hatte das zwar früher schon mal in irgendeinem Blogartikel mit angesprochen, will es hier aber nochmal aufgreifen, denn die Argumentation zeigt einen ganz typischen Denkfehler der Soziologen.
Wenn man sich irgendeine Größe heraussucht, die man etwa statistisch erheben und bewerten will, dann reicht es eben nicht, sich die Werte zu holen und dann daraus irgendetwas lesen zu wollen. Man muss sich immer überlegen, was man eigentlich werten will: Minimum, Maximum, Durchschnitt, Median, Streuung, Ableitung, oder sonst irgendetwas. (Ein Gutsel für IT-Erfahrene: Deshalb muss man sich sowas bei Erfassungstools wie rrdtool auch vorher überlegen, was man da eigentlich haben und aufzeichnen will.)
Beispiele:
- Dichtigkeit von Kernkraftwerken: Wen würde das beruhigen, wenn man ihm sagt, es gäbe schon auch welche, die dicht sind? Oder dass alle Kernkraftwerke der Welt im Mittel die Anforderungen einhielten?
- Wer würde sich von einem Arzt operieren lassen, der sich damit beschreibt, dass es schon auch schon Leute gab, die diese Operation bei ihm überlebt haben.
- Ein Architekt, der sagt, er könne unter all den Häusern, die er schon gebaut habe, durchaus auch 4 aufzählen, die noch nicht eingestürzt wären?
- Ein Autohersteller, der sagt, es seien auch schon welche darunter gewesen, bei denen die Bremsen funktioniert hätten? Oder welche, die die Dieselabgaswerte eingehalten hätten?
- Ein Lebensmittelhersteller, der sagt, zumindest wenn man seine gesamte Weltproduktion im Mittel nimmt, wären seine Produkte eigentlich nicht so giftig, und es wären auch ein paar dabei, die frisch wären.
- Ein Raser auf der Autobahn, der sich darauf beruft, dass hinter ihm eine Oma zu langsam fährt, und sie zusammen im Mittel die Höchstgeschwindigkeit doch einhalten.
Es läuft mit Soziologen immer auf denselben Diskussionpunkt hinaus: Sie hätten doch auch ein paar Schlaue. Wir haben zwar über 200 Universitäten, aber zum Zählen der dabei genannten Schlauen hat bisher immer eine Hand gereicht. Schon das ist ein Armutszeugnis. Man könnte damit sagen, dass es im Mittel an jeder 40. deutschen Universität einen befähigten Soziologen gäbe, wenn die meisten der Genannten nicht schon längst tot wären.
Über den Wert einer Wissenschaft, die sich praktisch nur auf die Leistungen Toter beziehen kann (insbesondere wenn die meisten davon, wie in der Philosophie, schon 2000 Jahre tot sind…), will ich hier jetzt noch nicht schreiben.
Sondern es geht einfach darum, dass ein paar Ausnahmen, die sich aus persönlicher Motivation heraus bilden und gute Arbeit leisten, eben keinen Rückschluss auf die Gesamtheit zulassen. Man versucht da immer wieder, über so eine Art Kollektiverbe zu argumentieren. Frauen sind Technikgenies, denn es gab ja Ada Lovelace und Grace Hopper. Die waren Frauen, also müssen es alle anderen Frauen auch sein. Eine völlig absurde Argumentationsweise, bei der man so künstliche Tribalismen und Analog-Schlüsse zieht, und meint, irgendeine Eigenschaft würde sich über eine andere Eigenschaft zwingend zusammen ausbreiten. Anders Breivik war Mann, also sind alle Männer Mörder. Sokrates war toller Philosoph, also müssen alle, die sich Philosoph nennen, auch toll sein. Max Weber gar gut, also müssen alle auch gut sein, sobald sie sich für den Studiengang Soziologie eingeschrieben haben.
Merkt Ihr schon, wie kaputt die soziologische Denke ist?
Die denken in mystischen Analogien. Eigentlich Aberglaube. Wenn einmal an einem Freitag den 13. ein Unglück passiert ist oder jemand starb, nachdem ihm eine schwarze Katze über den Weg lief, dann muss das immer so sein. Im Positiven wie im Negativen.
Und dann meinen sie eben, dass wenn es irgendwo mal einen gab, der was konnte, müsste das für alle gelten, die sich auch so nennen. Ich versichere, ich habe schon Leute erlebt, die Trompete spielen können, aber der Schluss, dass das dann jeder könnte, der eine besitzt, ist falsch.
Studiengänge im Wissenschaftlersinne, das, was man im Steuerzahlersinne so bezahlen muss und das, was einem im Wählersinne politisch zugemutet wird, muss eben danach beurteilt werden, was da als Minimum gelehrt und verlangt wird. Und das ist eben so ungefähr (oder manchmal auch exakt) Null.
Und selbst bei Durchschnitts- oder Medianbewertung kommen die Soziologen auf keinen grünen Zweig, denn deutlich über 90% (und ich neige da eher zu 99%) sind einfach so dämlich, dass es ein Max Weber (zumal tot) auch nicht mehr rausreißt.
Das ist auch einer der wesentlichen Gründe, warum die Statistiken, die Soziologen erstellen, meist wertlos sind. Man müsste nämlich vorher immer erst mal klären, warum man was wie erfasst und was man damit sagen will. Die meisten Statistiken kommen über Durchschnittswerte nicht hinaus.
Die Sache hat übrigens nicht nur ihre quantitativen Fallstricke, sondern auch noch einen qualitativen Haken: Wenn man nämlich darauf verweist, dass es auch schon fähige Soziologen gab, dann heißt es eben auch, dass es eben nicht nicht besser geht, sondern: Man könnte, wenn man wollte und sich Mühe geben würde.
Das ist der Grund, warum man beides, Minimum und Maximum erfassen muss. Damit man weiß, was man in der Soziologie leisten könnte, wenn man wollte, und um zu sehen, wie erbärmlich wenig die Fakultäten in der Realität davon leisten und verlangen. Die Diskrepanz zwischen möglichem Kann-Wert und realem Ist-Wert belegt die tiefe Erbärmlichkeit der real existierenden Soziologie.