Über das Verfaulen der FAZ
Ein interessanter Artikel über den Niedergang einer Zeitung.
Auf Telepolis ist ein lesenswerter (wenngleich meines Erachtens auch nicht tief genug gehender) Artikel von Rüdiger Suchsland über den Niedergang der FAZ erschienen – anlässlich des Todes von Frank Schirrmacher vor vier Jahren. Die Kernaussage ist, dass er die Zeitung ge- und erhalten hat und sie sie ohne ihn nicht mehr halten können.
Schirrmacher wusste, dass es für die Faz wichtiger ist, sich einen Kulturkorrespondenten in Venedig oder Peking zu leisten, als die Auflage um ein paar Prozentpunkte zu steigern.
Ein halbes Jahr nach Schirrmachers Tod wurde der kommissarische Nachfolger als Faz-Herausgeber, Günther Nonnenmacher gefragt, ob die Faz nicht dringend eine Galionsfigur wie Schirrmacher brauche. Die Antwort Nonnenmachers die das ganze Mittelmaß dieser einstigen elitären Zeitung verdeutlichte war: “Hat Frank Schirrmacher, der wirklich ein berühmter Mann war, die Auflage der Faz steigern können? Kamen wegen ihm mehr Anzeigen?”
Inzwischen geht die Auflage deutlich zurück, inzwischen hat die Faz ihr Tafelsilber, die Societätsdruckerei und das Verlagsgrundstück in Frankfurt verkauft. Man versucht sich hilflos darin, mit teuren Versuchsballons wie “FAZ Quarterly” und “FAZ Weekly” Anzeigenkunden zu gewinnen – und bereitet doch mittelfristig den Abschied vom Print in die digitale Welt vor. Kürzungen in der Redaktion, Entlassungen, die Streichung von Korrespondentenstellen schönen kurzfristig die Bilanz. Aber das Ende kommt näher.
Das wusste ich noch gar nicht, dass die dort gerade die Decksplanken verfeuern.
Ich war einige Zeit der Meinung, dass sich ZEIT und FAZ im Gegensatz zu anderen noch halten könnten. Besonders weil die ZEIT in den Auflagenstatistiken sogar noch zunahm. Bis ich von denen irgendwann ständig Mails bekam, in denen sie mir kostenlose Verzweiflungsabos nahebringen wollen. An denen man dann merkt, womit sie ihre Auflagenzahlen halten müssen.
Bei der FAZ liegt das etwas anders. Die war früher mal die Professorenzeitschrift schlechthin. Ich erinnere an die Kuchenwetten (für Insider). Es geht aber halt schief, wenn man ein universitätsakademisches Publikum hat, und die Universitäten dann rapide verblöden.
Und so kommt er genau auf das Thema Verblödung der Universitäten:
Zeitungen: Gähnende Leere und reaktiver Modus
Die Doppelstandards vernichteten zuallererst den Qualitätsjournalismus. Der Zusammenbruch des Ost-West-Gegensatzes und die kurz darauf, in den 90er Jahren einsetzende Digitalisierung haben zu einem beispiellosen Verfall der Medienlandschaft geführt, der noch lange nicht an sein Ende gekommen ist.
Die Faz gehörte einst zu den “Leitmedien” und “Leichttürmen öffentlicher Kommunikation” (Kurt Imhof), aber diese Leuchttürme haben sich so lange gewandelt, bis ihre Entbehrlichkeit unübersehbar geworden ist. Sie haben ihr Publikum zerstört in ein riesiges Downsizing der Maßstäbe, des Niveaus.
Schirrmacher beschrieb triftig “die Deklassierung geistiger Arbeit, die schleichende Zerstörung der deutschen Universität, die ökonomische Unterhöhlung der Lehrberufe”.
Die Aussage ist fast richtig, aber zu kurz gegriffen und am hinteren Ende falsch.
Denn nicht die ökonomische Unterhöhlung der Lehrberufe hat geistige Arbeit deklassifiziert, sondern die ideologische Unterwanderung. Niemand sonst als die geballte, aggressive, alles erodierende Dummheit der Geisteswissenschaftler, der Soziologen, der Gender Studies, die im Zeichen der Gleichstellung jegliche Qualifikation und Leistungsanforderung für abzuschaffendes Schurkentum weißer Männer hielten, und darauf drängten, selbst die Dümmsten gleichzustellen.
Die Ökonomische Betrachtung hat das Gegenteil gebracht, sie hat die geistige Arbeit nicht desklassifiziert, sondern wertgeschätzt, und die Spreu vom Weizen getrennt. Denn vieles, was heute an den Universitäten läuft, ist eben keine geistige Arbeit, sondern erklärt sich nur im Rahmen des Betrugs um Lebensunterhalt dafür. Die Okönomie ist der Anwalt des Steuerzahlers. Wäre man der Meinung, dass es geistige Arbeit gäbe, die ökonomisch nicht greifbar ist, aber trotzdem ihren Wert hätte, so wäre das ein Widerspruch in sich. Denn auch wenn sie von irgendeinem fiktiven Wert wäre, so müssten sich immer noch Leute finden, die dafür ihm Rahmen der Arbeitsteilung Zeit gewähren. Und das Maß dessen, was andere zu gewähren bereit sind, ist nun einmal Geld. Dass es geistige Arbeit gäbe, deren Wert nicht in Geld zu bemessen wäre, ist ein rhetorischer Trick um zu überspielen, dass man selbst den Wert nicht artikulieren kann, nicht einmal den Wertmaßstab. Man erwartet, man verlangt von uns als Publikum und Steuerzahler, dass wir Leute wertschätzen, als wertig schätzen, die das nicht einmal selbst können.
Man wird sich – bei Journalisten wie bei Geisteswissenschaftlern an der Universität – immer die kanonische Wertfrage stellen müssen: Was ist für uns besser? Wenn er da ist oder wenn er nicht da ist? Für viele fällt die Antwort eben negativ aus.
Ein Lehr-Beispiel moralisch korrupten Journalismus waren die Kampagnen gegen Dieter Wedel in der Zeit, die alle “bürgerlichen” Werte verrieten: Rechtsstaatlichkeit, Unschuldsvermutung, Zuverlässigkeit, Loyalität, Kontrolle – eindeutige Standards für alle.
Schirrmacher immerhin hat dem Bürgertum der Spät-Demokratie noch einige Debatten geschenkt. Nach Schirrmachers Ableben ist der Zeitungs-Journalismus in einen reaktiven Modus zurückgefallen: Er setzt keine Themen mehr, sondern lässt setzen. Merkel, Trump, Putin und die AfD, sowie Facebook, Twitter, Instagram heißen die Agenda-Setter der Gegenwart.
Dieser Punkt ist zutreffend. Aber auch zu kurz gegriffen.
Sind die Medien längst abgehängt? Findet Meinung längst in den Social Media, in den Blogs, außerhalb des institutionalisierten Journalismus statt?
Täuscht die Presse ihre Existenz nur noch vor, indem sie den Social Media hinterherläuft und sie beschimpft, was immer da kommt?
Ist die Presse zum Speichellecker der Social Media verkommen?