Ansichten eines Informatikers

Frankreich

Hadmut
2.12.2018 18:18

Was ist das jetzt?

Ich habe mich in den letzten Urlaubswochen (und ich war in der glücklichen Lage, fast 5 Wochen am Stück Urlaub zu machen, nachdem ich in der unglücklichen Lage war, über ein Jahr lang praktisch gar keinen Urlaub gehabt zu haben, ich war quasi in Zugzwang, zum Jahresende musste der Urlaub genommen sein) kaum um die hiesigen Nachrichten gekümmert. Schon um Nachrichten, aber eher neuseeländische.

Ich hätte zwar ab und zu die Möglichkeit gehabt, deutsche Nachrichtensendungen zu sehen, weil zu dem Touristen-Mobilfunktarif (prepaid, ist nach 2 Monaten tot) auch gehörte, pro Tag per WLAN 1GB Daten an den mit WLAN ausgerüsteten Telefonzellen des Anbieters zu ziehen. Weil man die eher in den Städten findet und dann meist irgendwo eine Parkbank in der Nähe stand, kann man sich da mitten in der Stadt mal zur Pause setzen und mit dem Handy beispielsweise Mediathekenfernsehen gucken. Habe ich dann aber doch nur sehr selten gemacht. Das neuseeländische Fernsehen ist … naja, die Höflichkeit verbietet es mir, passende Begriffe zu gebrauchen, sagen wir, es entspricht nicht meinen Erwartungen an Fernsehen und ist eher dem Umstand geschuldet, dass es nicht so viele Leute in Neuseeland gibt und sie eher einkaufen, was sie aus Australien und den USA so bekommen. Dazu kam, dass das Wohnmobil zwar einen DVB-T-Fernseher hatte, aber auch nach der reparierten Antenne fast nie irgendwas reinbekam. In Dubai war die Lage auch eher dünn. Zwar listete der Fernseher im Hotel auf der Rückfahrt sogar ZDF in der Senderliste, brachte dann aber nur die Fehlermeldung, dass das Signal zu schwach sei. (Ich warte ja noch drauf, dass ein Fernseher mal meldet, dass das Fernsehprogramm zu schwach sei.) Letztlich habe ich in Dubai ein wenig CNN International und Al Jazeera gesehen, aber das auch nur am Rande. Im Ergebnis habe ich die letzten 5 Wochen an Nachrichten nur das mitbekommen, was man bei gelegentlichem Blick per Handy auf Webseiten und die Leserzuschriften so mitbekommt.

Ich habe zwar mitbekommen, dass es in Frankreich gerade kracht, aber noch nicht richtig verstanden, warum eigentlich und wer gegen wen.

Jemand schickt mir das da:

In einem Artikel der WELT heißt es:

Seit zwei Jahrzehnten stellt sich immer wieder die Frage, wann Frankreich kippt, wann die Gesellschaft ein politisches System abwirft, das nie zu liefern scheint, was es vollmundig verspricht. […]

Dass etwas grundsätzlich nicht mehr stimmt im Land, könnte die Regierung seit 2005 wissen, als die Vorstädte brannten und sich eine diskriminierte, von Arbeitslosigkeit gequälte und bis dahin schweigende dritte Einwanderergeneration zum ersten Mal Gehör verschaffte. Es war ein Weckruf. Aber kaum jemand fühlte sich angesprochen.

Dreizehn Jahre später, zu Beginn eines grauen Dezember, im 19. Monat der Regentschaft Emmanuel Macrons, erreicht die Revolte das Land. Oder ist es jetzt die Revolution? […]

Wenn sie erzählen, warum sie hier sind, benutzen alle dieselben Worte: Wut, Überdruss, Misere. Sie wollen von ihrer Arbeit leben können. Ein würdiges Leben führen. Nicht schon zur Hälfte des Monats in den Miesen sein. Es ist, als stünden sich zwei Teile der Gesellschaft gegenüber, zwei Kategorien, die unterschiedliche Prioritäten haben: Die einen das Weltende, die anderen das Monatsende. Die einen das Klima, die anderen den eigenen Kontostand.

Anabelle ist eindeutig auf der gewaltfreien Seite des Protestes. Die junge Frau, Sozialarbeiterin, erzählt, dass sie alles tut, um über die Runden zu kommen: Sie hält Hühner, pflanzt Gemüse an, sie strickt. Aber die Rechnung sei einfach: „Wir brauchen zu viert 3000 Euro, sonst sind wir am Monatsende in den Miesen.“

Sie verdient, wie ihr Mann, den Mindestlohn, und kommt auf 1153 Euro netto. […]

Niemand hat diese Entwicklung besser beschrieben als der Geograf Christophe Guilluy. Er sagt seit 20 Jahren die Explosion einer Gesellschaft voraus, in der nur wenige von der Globalisierung profitieren, die Mehrheit aber darunter leidet.

Es scheint die Entwicklung in Deutschland vorwegzunehmen.

Wenn ich das richtig verstanden habe (und da bin ich mir nicht sicher, mit Frankreich kann ich irgendwie gar nichts anfangen) ist Macron so eine Art Neo-Liberal-Sozialist, der an dieser großen globalisierten Einheitssuppe und dem Über-Europa arbeitet, und nach sozialistischem Prinzip die Steuern erhöht und die Leute immer ärmer macht, bis alle irgendwo in derselben Tristesse angekommen sind.

Letztlich unterscheidet sich das wohl nicht sehr von der Vorgehensweise unserer Linken, die Leute mit immer höheren Steuern und immer stärkerer Gleichmacherei auf ein arbeitsunabhängiges sozialistisches Gleichheitsniveau zu bringen, das kein ordentliches Leben mehr erlaubt.

Mal sehen, wie es hier so läuft.