Ansichten eines Informatikers

Wollte der Kommunismus der Demokratie zuvorkommen?

Hadmut
14.1.2019 2:19

Im Nachgang zu meinem Blog-Artikel von vorhin nochmal eine Frage.

Ich habe vorhin im langen Artikel geschrieben, dass ich den Eindruck habe, dass das heutige Linke im Prinzip die Wut darüber ist, dass der Kommunismus hier vor hundert Jahren nicht wie in Russland direkt von der Monarchie in die kommunistische Diktatur gewandelt werden konnte, sondern eben die Nazis und der Weltkrieg dazwischenkamen, im Westen eine Demokratie bzw. Demokratien entstanden und der Kommunismus dann erst mal viel Arbeit zur Überzeugung bekam, weil man nicht mehr so wie vorher mal einen umlegen oder verjagen und sich hochputschen konnte. Zumal daraus der direkte Vergleich zwischen BRD und DDR entstand, und die DDR da halt nicht so gut dastand.

Dazu ist mir noch ein Gedanke gekommen. Ein Leser schrieb mir gerade, ihm fehle im Artikel die Vorgeschichte zum Kommunismus, wie der entstanden ist. (Heißt: Warum ich am Sonntag-Nachmittag nur einen Blogartikel und kein ganzes Buch geschrieben habe. Dabei war der Artikel schon viel länger, als ich eigentlich wollte, eigentlich wollte ich nur das schreiben, was im letzten Absatz ganz unten steht. Aber dann wollte ich das motivieren und dann lief es mir halt einfach so geradeweg aus den Fingern. Schreibblockaden wären jetzt nicht mein größtes Leiden. )

Mit dem, was vorher war und wie der Kommunismus entstanden ist, habe ich mich noch nicht so intensiv beschäftigt – oder doch, genau das habe ich. Ihr wisst es nur noch nicht. Ich bin ja mit meinen Neuseeland-Bildern und Videos noch nicht durch, da kommt noch einiges. Stichwort: Dampfmaschine. 19. Jahrhundert. England. Die Produktion hängt nicht mehr linear von der Arbeitskraft ab und die Arbeitgeber sind gewerkschaftlich nicht mehr erpressbar. Die Dampfmaschine war der Brüller. Ohne Dampfmaschine kein Neuseeland wie wir es heute kennen. Ohne Dampfmaschine (als Dampflok) kein Wilder Westen, wie wir ihn kennen.

Es gibt in Berlin eine sehenswerte Ausstellung über die Entstehung unserer Demokratie im Berliner Dom am Gendarmenmarkt.

Eigentlich geht es um die Frankfurter Nationalversammlung 1848/1949 in der Frankfurter Paulskirche als das verfassungsgebende Gremium der Deutschen Revolution, das vorher und das nachher. Kennt man heute gar nicht mehr so. Kotzebue, Karlsbader Beschlüsse, Zensur und so. Mal aus Wikipedia:

In seinem Literarischen Wochenblatt, das er in Weimar – dank der dort existierenden Pressefreiheit – veröffentlichen konnte, griff er die deutschen Universitäten und vornehmlich die Burschenschaften und Turnerbünde als Brutstätten der Revolution sowie den politischen Liberalismus an (dessen Ziele Volksvertretung und Pressefreiheit waren), verspottete den von den Studenten verehrten Turnvater Jahn und verhöhnte die Ideale der deutschen Nationalbewegung. Auf dem Wartburgfest 1817 wurde im Zuge der dort zelebrierten Bücherverbrennung seine „Geschichte des deutschen Reichs“ ins Feuer geworfen, worauf er nach Mannheim umzog. […]

Ermordung

Der Jenaer Burschenschafter und Theologiestudent Karl Ludwig Sand folgte ihm nach Mannheim und erstach ihn am 23. März 1819 vor den Augen dessen vierjährigen Sohnes mit den Worten: „Hier, du Verräter des Vaterlandes!“ Ermordet wurde Kotzebue in seinem Wohnhaus in A 2, 5, an dem heute eine Gedenktafel angebracht ist. Sein Sohn August Julius wurde nach der Ermordung seines Vaters zum Austritt aus der Urburschenschaft gezwungen, in der Sand Mitglied war. Unter anderem mit diesem Mord wurden die im September 1819 vom Bundestag in Frankfurt in Gesetzesrang erhobenen Karlsbader Beschlüsse begründet. Im Mai 1820 wurde Sand wegen des Mordes hingerichtet.

Deshalb erließ man die Karlsbader Beschlüsse zur Zensur. Im Prinzip das, was uns Heiko Maas unter Merkel als Netzwerkdurchsetzungsgesetz eingebrockt hat, nur rund 200 Jahre früher. Wieder Wikipedia:

Obwohl sie tief in die Rechte der Einzelstaaten des Deutschen Bundes eingriffen, wurden die Karlsbader Beschlüsse am 20. September 1819 vom Bundestag (Deutscher Bund) in Frankfurt – in einem nach Thomas Nipperdey „mehr als fragwürdigen Eilverfahren“ – einstimmig bestätigt, mit vier Gesetzen, der Exekutionsordnung, dem Universitätsgesetz, dem Preßgesetz (Pressegesetz) und dem Untersuchungsgesetz, bewirkten sie das Verbot der öffentlichen schriftlichen Meinungsfreiheit und der Burschenschaften, die Überwachung der Universitäten, die Schließung der Turnplätze (Turnsperre von 1820 bis 1842), die Zensur der Presse und Entlassung und Berufsverbot für liberal und national gesinnte Professoren, die ihre Einstellung ihren Schülern vermittelten. Insbesondere das Pressegesetz ver- oder behinderte die Verbreitung von Konzepten, Ideen und Gedanken, die damals aufrührerisch waren, aus heutiger Sicht aber als fortschrittlich bewertet werden. Die zentrale Reglementierung sah vor, dass alle Veröffentlichungen unter 20 Bogen, d. h. 320 Seiten einer Vorzensur unterlagen; umfangreichere Schriften mussten sich einer Nachzensur unterziehen.

Ist doch in der Tendenz wie heute, oder?

Deshalb gab es zur deutschen Revolution 1848/49 eine Nationalversammlung, die einen einheitlichen und demokratischen deutschen Nationalstaat gründen wollte.

Schaut man in deren damalige Verfassung, kommt sie einem verblüffend bekannt vor: Sie ist unserem Grundgesetz verblüffend ähnlich, oft nahezu wortgleich. Vor allem Meinungs-, Wissenschafts- und Pressefreiheit kommen daher, eben als Gegenwehr gegen die Karlsbader Beschlüsse.

Es wird immer so getan, als hätten die Besatzungsmächte nach dem zweiten Weltkrieg bei uns die Demokratie erfunden. Das stimmt aber nicht. Wir hatten schon eine sehr ähnliche Verfassung 1848/49, und die kam auch nicht aus dem Blauen, sondern folgte der französischen Revolution von Ende des 18. Jahrhunderts und der französischen Februarrevolution von 1848, mit der die zweite französische Republik ausgerufen wurde. Das lief hier damals so.

Oder genauer gesagt, hier lief es eben nicht, wurde nämlich blutig und gewaltsam von den damaligen Königen und Fürsten niedergeschlagen. Die hatten es nicht so mit Demokratie. Bis nach dem zweiten Weltkrieg lag die Verfassung also rund hundert Jahre auf Eis.

Beachtlich daran ist, dass man heute sehr auf die Burschenschaften als antidemokratisch schimpft. Dabei waren sie wesentlich daran beteiligt, dass es die damalige Verfassung und damit unser Grundgesetz und unsere Demokratie überhaupt gibt. Wenn sich also die Linken und die SPD und so weiter heute als die Demokraten hinstellen und die Burschaften als Demokratiefeinde, dann ist das sachlich falsch, es war umgekehrt.

Marx war damals Journalist. Vielleicht fühlen sich ihm deshalb so viele Journalisten so verbunden. Und als solcher auch von den Karlsbader Beschlüssen und der Zensur erfasst, und er bekam Ärger, weil er sie unterlaufen hat.

Marx war auch Jurist und studierte an der Berliner Humboldt-Universität. Davon haben die sich nie wieder erholt. Marx auch nicht.

Marx war damals wohl Junghegelianer, mit denen ich mich noch nie befasst habe, aber zu denen es bei Wikipedia heißt:

Von Hegel übernahmen die Junghegelianer die Dialektik, verstanden als Prinzip der geschichtlichen Entwicklung und Methode, das Bestehende am Maßstab der Vernunft zu kritisieren. Sie wandten sich aber gegen den bei Hegel systemimmanenten Konservatismus, wonach alles Bestehende als notwendig erklärt wird und im Grunde vernünftig ist. Mit dem dialektischen Denken verbanden sie das Ziel einer Überwindung der politischen und sozialen Zustände in Preußen und überhaupt in Deutschland. Die in ihren Schriften formulierte radikale Religionskritik lief schließlich auf Atheismus hinaus. Die radikale Gesellschaftskritik führte bis hin zur Forderung nach Abschaffung bzw. Absterben des Staates.

Der Kernpunkt der Marxschen Kritik lief darauf hinaus, dass die Junghegelianer ihre Kritik auf Religionskritik einengten, Ideen nur durch andere Ideen bekämpften, aber diese nicht praktisch-politisch werden ließen. Demgegenüber forderten Marx und Engels, vom praktischen Leben der Menschen auszugehen und von den wirklichen Verhältnissen, die davon bestimmt sind, wie die Menschen ihr materielles Leben reproduzieren. Feuerbach sei im Vergleich zu den übrigen, die sich immer noch in Abhängigkeit vom Hegelschen System bewegten, zwar Materialist, aber er kenne nur die sinnliche Anschauung, nicht das wirkliche praktische Handeln.

Überwindung der politischen und sozialen Zustände. Abschaffung bzw. Absterben des Staates. Darum ging es im Kommunismus, den die sich damals ausdachten.

Wegen den Wirren 1849 ging Marx dann nach England, Engels folgte wohl. Dort trafen sie auf die Dampfmaschine und die Veränderungen in der Arbeitswelt, die entstehende Großindustrie, die Fabriken, und bastelten sich dann Das Kapital. 1883 ist er gestorben.

Im Spionagemuseum in Berlin habe ich dann mal auf einem Schild die Aussage gefunden, dass man Lenin nach Russland geschickt habe, um das Land zu destabilisieren. Lenin war übrigens auch in der Zeitungsbranche, er hat die Prawda gegründet. Nochmal Wikipedia:

Trotz dieser Vorsicht provozierte die Art und Weise der Rückkehr Lenins – und mehr noch die von ihm danach verfolgte Politik – bereits 1917 den Verdacht, er handele im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung der Deutschen. Schon bei Lenins Eintreffen in Petrograd am 16. April brachte die konservative Presse der russischen Hauptstadt diesen Vorwurf ins Spiel. Während der Julikrise setzte die provisorische Regierung in großem Stil Gerüchte in Umlauf, Lenin stünde im Sold der Deutschen. Eine amerikanische Regierungsbehörde veröffentlichte 1918 die gefälschten Sisson-Dokumente, um eine „German-Bolshevik Conspiracy“ zu belegen. Der deutsche Sozialdemokrat Eduard Bernstein sprach im Januar 1921 in einer Artikelserie im Vorwärts als erster von „sicher mehr als 50 Millionen Goldmark“, die 1917 direkt an die Bolschewiki geflossen seien. Als Quelle für diese Behauptung nannte er in einem Privatbrief „unbedingt glaubwürdige Personen von Weltruf“.

Durch Quellen gesichert ist, dass die deutsche Regierung in den Kriegsjahren Mittel für unterschiedlichste revolutionäre und nationalistische Gruppen in Osteuropa zur Verfügung stellte. Bis heute umstritten ist dagegen, in welchem Umfang die Bolschewiki davon profitierten. Während einzelne Forscher von geringen Beträgen ausgehen, die zudem nie Russland erreicht hätten oder für die politische Entwicklung im Sommer und Herbst 1917 völlig bedeutungslos gewesen seien, sprechen andere von „Millionen von Mark“, mit denen 1917 insbesondere die Presse der Partei massiv ausgebaut worden sei. Die weitergehende Behauptung, deutsche Stellen hätten einen direkten Einfluss auf die politische Linie der Bolschewiki gehabt oder Lenin sei gar selbst ein „deutscher Agent“ gewesen, wird in der wissenschaftlichen Publizistik bereits seit Jahrzehnten zurückgewiesen. Der amerikanische Historiker Rex A. Wade nennt diese These einen „Mythos“ und die „langlebigste der vielen Verschwörungstheorien des Jahres 1917“.

Man sollte dabei bedenken, dass die Wikipedia längst ein linkes Propagandaorgan und massiv auf links gebügelt ist, und diese Darstellung sicherlich massiv zugunsten linker Positionen geschönt ist. Es könnte sich um Gegenpropaganda handeln.

Worauf ich aber hinaus will:

Es ist nicht so, dass die Demokratie erst als Folge des zweiten Weltkrieges und amerikanischer Demokratieejakulationen zu uns kam. Unsere Demokratie entstand gedanklich – und vor allem auch schriftlich – im Jahr 1849. Immer wieder schreiben mir Leute, wir hätten ja keine Verfassung, nur ein Grundgesetz, und gültig wäre noch das Deutsche Reich. Da fehlt es an Geschichtswissen. Denn die Kernelemente unseres Grundgesetzes wurden 1849 als Verfassung des Nationalstaats schon beschlossen.

Und sie wurden damals von den Monarchen militärisch blutig niedergeschlagen.

Wohlgemerkt: Zwischen 1849 bzw. den Folgejahren und den Vorgängen um 1917/18 lagen gerade mal rund 70 Jahre.

Und den Kommunisten werden die Zusammenhänge sehr genau bekannt gewesen sein, denn ohne diese Vorgänge wäre Marx, sein Kommunismus und das Kapital nicht entstanden.

Es drängt sich also der Gedanke auf, dass Liebknecht und Luxemburg und all die anderen Sozialisten/Kommunisten 1917/18 sehr darauf aus waren, nach Vertreibung der Monarchie möglichst schnell einen Kommunismus durchzusetzen. Denn es war ja bekannt, dass man schon 1849 eine Demokratie beschlossen und quasi fertig konstruiert hatte, aber eben die Monarchen sie verhindert hatten. Nach Wegfall dieses Hindernisses war damit zu rechnen, dass diese Demokratie mit Rede- und Meinungsfreiheit und so weiter nun etabliert würde.

Und das wäre auch gelaufen, wenn es nicht zunächst nationalistische und dann nationalsozialistische Parteien und Gruppierungen gegeben hätte, die das verhindert haben.

Ich habe inzwischen den sehr starken Eindruck, dass die Wut darüber, diese Chance damals, nämlich der Demokratie als direkter Nachfolger der Monarchie zuvorzukommen, verpasst zu haben, das zentrale Element heutiger linker Politik ist, und deshalb auch diese Abneigung gegen Demokratie, Nationalismus, Burschenschaften und so weiter begründet. Die haben denen damals einfach die Tour vermasselt.

Nun versucht man es mühsam wieder über den Umweg der Auflösung in ein Europa, soll halt Europa statt Sowjetunion heißen, aber das gleiche sein, und dass derweil hier jeder seine Meinung sagt, und man noch Wahlen abhält, passt ihnen natürlich überhaupt nicht.

Im Prinzip ist linke Politik daher heute, die Vorgänge um 1849 und um 1917 rückabzuwickeln. Bei 1933 bis 1945 geht’s eher um die rhetorische Schlagkraft des Mittels, alles als Nazi zu bezeichnen, was einem nicht in den Kram passt, und die Antifa-Programmierung weiter zu nutzen.

Deshalb werden auch solche Sachen wie Berufsfreiheit und Zugang zu Ämtern abgeschafft. Das ist 1849 entstanden und stinkt den Linken bis zum Anschlag. (Wortwitz)

Die Verfassung ist übrigens lesenswert, das erhellt ungemein.

Lest mal Abschnitt VI. Die Grundrechte des deutschen Volkes. (§ 130 ff.) Da findet Ihr unsere Grundrechte wieder.

Und damit auch das seltsame Dreiecksverhältnis zwischen Monarchie, Demokratie und Kommunismus.

Nachtrag: Betrachten sollte man auch nochmal den Informationsfetzen aus dem vorherigen großen Blogartikel, dass Lenin und die Bolschewisten 1917 in Russland der verfassungsgebenden Versammlung zuvor gekommen sind. Sonst hätte das mit dem Kommunismus nicht funktioniert. Und das war wohl auch die Absicht in Deutschland, den Kommunismus zu etablieren, bevor sich hier eine Ordnung nach dem Kaiserreich etablieren konnte.

Nachtrag 2: Das könnte dann auch den Hass der Linken auf AfD, Burschenschaften und so weiter erklären. Während das 1917 alles im Ruck-Zuck-Verfahren ging, Zar umlegen, noch ein paar Leute umlegen, sich als neue Regierung ausrufen, fertig, krebsen die Linken seit den 68ern mühsam vor sich hin. Zwar hat man den Marsch durch die Institutionen geschafft und Presse, Fernsehen, Universiäten für sich gekapert, aber das hat jetzt schon 50 Jahre gedauert, und sie kommen immer noch nicht voran, nicht mal unter Zuhilfenahme der SED, der Stasi und der Humboldt-Universität. Die schieben massiven Frust. Währenddessen ist der Ostblock abgeranzt und die Amis haben fröhlich die Weltmacht markiert.

Und nun ging’s endlich etwas voran, hatten sie Politik, Presse, Fernsehen, Universitäten und öffentliche Meinung im Sack, die Regierung sowieso und ne DDR-Pomeranze als Kanzlerin, da kommt plötzlich die AfD und nimmt ihnen die Stimmen weg. Und das zum 100-Jährigen Scheiterns-Jubiläum.

Ist euch eignetlich schon mal aufgefallen, dass die 68er genau 50 Jahre nach der russischen Revolution kamen und es jetzt gerade 100 Jahre sind?

Was meint Ihr, wie die vor Wut und Frust kochen, dass es vor 100 Jahren nicht klappte, vor 50 außer Bumsen, Kiffen und ein paar RAF-Terrortoten auch nichts dabei heraus kam, und sie jetzt nach 100 Jahren Stimmen an die Rechten verlieren. Man dachte, mit der RAF könnte man was wuppen, da würden die Leute vor Begeisterung darniederliegen, wenn man sie von bösen Kapitalisten und Imperialisten befreit, aber das Ergebnis war nur, dass die Kommunisten als Terroristen dastanden. Und wieder mal Linke gegen Linke hackten, denn Bundeskanzler war Helmut Schmidt.