Abhörtechnik, Kryptographie und Zeitgeschichte
Noch ein Puzzlestück zum Kryptokrieg der 90er Jahre:
SPIEGEL Online schreibt, dass die Amerikaner den ganzen Ostblock abgehört hätten. Das habe mitunter zu Verwerfungen geführt:
Die USA konnten während des Kalten Kriegs den gesamten Richtfunk im Ostblock abhören. Das geht nach SPIEGEL-Informationen aus geheimen Dokumenten im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts hervor.
Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) erfuhr 1988 von den Lauschmöglichkeiten zufällig: Siemens wollte damals ein Datenkommunikationsnetz an die Deutsche Post der DDR verkaufen. Das Unternehmen erhoffte sich von dem Großauftrag weitere lukrative Geschäfte mit dem SED-Staat.
Doch die Amerikaner protestierten: Die Siemens-Technologie würde der DDR den “Zugang zu sensitiven westlichen Computern und Datenbasen” erleichtern.
Über den wahren Grund des Protests klärte der Bundesnachrichtendienst (BND) Genscher auf: Ein Abhören wäre bei Einführung der Siemens-Technik nicht mehr möglich. Vergeblich beharrten Kanzler Helmut Kohl (CDU) und Genscher (“Der Export ist anzustreben”) auf dem Geschäft. Siemens kam erst nach dem Mauerfall in Ostdeutschland zum Zug.
Die Dokumente hat nun das Institut für Zeitgeschichte veröffentlicht (Verlag De Gruyter).
Muss man sich klarmachen:
- Die Amerikaner protestierten, weil da etwas ihre Abhörmöglichkeiten blockieren könnte.
- Der Vorgang wird als geheim eingestuft.
Zwar war das bei mir dann 1998 und nicht 1988, dazwischen noch ein Mauerfall.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das zwischendrin so wesentlich geändert haben sollte.
Gerade dann, wenn die Amerikaner da vorher schon auf die Wirtschaftsbremse getreten haben, wird man in Deutschland ein enormes Interesse gehabt haben, kryptographische Methoden, die die Amerikanern verärgern könnten, nicht als Forschung erscheinen zu lassen und zu veröffentlichen.
Passt genau. Passt exakt. Erklärt praktisch alles.
Die einzige Holprigkeit ist, dass zwischendrin eben Mauerfall, Wiedervereinigung und 2+4-Vertrag lagen. Aber ich kann mir nicht vorstellen und es wiederspricht allen mir bisher vorliegenden Informationen, dass man daran etwas geändert hätte. Außer vielleicht dem Feindbild. Vorher waren’s die Russen, danach eher Araber.
Bedenkt, dass es 2001 den Anschlag gab. Der kam ja auch nicht aus heiterem blauem Himmel. Das hat ja vorher schon gekracht. Und die Amerikaner haben ihr Exportverbot ja mit gewissem Grund in den Neunziger Jahren installiert.
Wird immer deutlicher, was damals passiert ist.