Demokratiekotzen und der Fall Lübcke
Ich war gerade 10 Tage in Urlaub. Und wie eigentlich immer, würgt es mich schier, wenn ich zurück nach Deutschland komme.
Ich hatte in den USA kein Fernsehen, hatte kaum Zeit, mal im Internet was zu lesen, und habe nur soviel mitbekommen, wie ich Hinweise von anderen Leuten bekam.
Geradezu grotesk fand ich, was ich da aus Deutschland von Politik und Medien zum Fall Lübcke lesen musste. Haben die jetzt alle völlig den Verstand verloren? Ist das hier ein Tollhaus, eine Klapsmühle?
Ich sage es so oft: Nicht die Maßstäbe sind es, die mich so besonders ankotzen, sondern die doppelten Maßstäbe. Wie Morde so völlig unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob es gerade politisch passt.
Ich hatte mich vor meinem Urlaub noch darüber gewundert, warum in den Medien so wenig darüber kommt, dass ein Politiker erschossen wurde. Erst nachdem es so aussieht (oder behauptet wurde), dass der Täter „von rechts” kommt, wird das – ich hätte fast gesagt: posthum – plötzlich hochgepumpt. Plötzlich weiß jeder was dazu, obwohl er nichts weiß.
Das ist das nächste, was mir dazu aufgefallen ist: Liest man Meldungen der Polizei oder der Staatsanwaltschaft, dann sind die sehr zurückhaltend und geben zu verstehen, dass sie noch nicht viel wissen und noch am Anfang der Ermittlungen stehen. Dass es zwar ein Erfahrungssatz sei, dass solche Täter immer in Gruppen arbeiten, man das hier aber noch nicht habe belegen können. Quer durch Medien und Politik ist aber längst die Rede von ganzen Netzwerken, von NSU und weiß der Kuckuck wer nicht alles da mit drin stecke.
Wissen die denn mehr als Polizei und Staatsanwaltschaft?
Irgendwo las ich, der Täter habe „kaltblütig” gemordet. Gleichzeitig heißt es, man hat den Täter nur durch DNA-Spuren überführt, weiß aber noch nichts über den Tathergang. Woher weiß man, dass es „kaltblütig” gewesen wäre? Vielleicht war er aufgeregt, vielleicht besoffen? Vielleicht unter hohem Stress? Vielleicht angestiftet oder erpresst?
Aber alle sind sich einig, dass es Pflicht der „Demokratie” sei, gegen solche Leute gleich flächendeckend vorzugehen.
Maas zum Beispiel: Man ist noch ganz am Anfang der Ermittlungen, aber für ihn ist es gleich eine „Tragödie für die Demokratie”:
Der Fall #Lübcke ist eine Tragödie für unsere Demokratie. Die Grenzen zwischen rechtspopulistischen und militanten Gruppierungen sind längst fließend. Unsere Demokratie muss sich dagegen wehren. Die Feinde der Freiheit verdienen keine Freiheit. (1/2)
— Heiko Maas 🇪🇺 (@HeikoMaas) 20. Juni 2019
Die wahren PatriotInnen in unserem Land, sind alle, die sich als mutige KommunalpolitikerInnen und Ehrenamtliche vor Ort für unser Gemeinwesen engagieren.
Sie haben es verdient, dass die gesamte Gesellschaft hinter ihnen steht. (2/2)— Heiko Maas 🇪🇺 (@HeikoMaas) 20. Juni 2019
Komisch, dass der jetzt als Außenminister seinen Sinn für’s Innere entwickelt. Als er noch Justizminister war, hat er auf Demokratie förmlich geschissen, da war es ihm egal, ob jemand einen Rechtsweg gegen sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat. Jetzt plötzlich kommt er mit Tragödie der Demokratie.
Es weiß auch bisher keiner, was den Täter eigentlich motiviert hat. Geld? Psychische Erkrankung? Suff? Persönliche Kränkung? Pleite? Ablehnung Hartz IV? Das Gerede von Lübcke, wonach jeder gehen kann, dem es nicht gefällt. Aber alle wollen sie wissen, dass es Hate Speech aus dem Internet sei.
Vergleicht mal Lübcke mit beispielsweise dem Erstochenen in Chemnitz. Das wurde so gut wie gar nicht erwähnt.
Oder wenn Mädchen förmlich zerschlitzt und in Stücke geschnitten werden. Das darf man dann nicht verallgemeinern, sind Einzelfälle.
Kommt’s aber von rechts, dann ist das selbstverständlich ein verschworenes Netzwerk.
Ich staune, mit welcher Intensität und Breite hier sämtliche Regeln und Anforderungen fallengelassen werden und man da einfach drauflos donnert.
Mich würden gerade mit Kontext Demokratie folgende Fragen interessieren:
- Warum schreien sie alle „Demokratie”, ignorieren dabei aber die Unschuldsvermutung?
Solange der nicht rechtskräftig verurteilt ist und dauerhaft hinter Gittern sitzt, gilt auch für den die Unschuldsvermutung und die Pflicht, auch entlastende Umstände zur Kenntnis zu nehmen. Hat der als unschuldig zu gelten. Vielleicht hat er nur assistiert? Vielleicht ist der krank?
Warum hat man erst flächendeckend ziemlich das Maul gehalten, als Lübcke erschossen wurde, töbert aber volles Roher los, seit man weiß, was es mit dem Täter auf sich hat?
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Es wird immer so hingestellt, als wären diese „Rechten” identisch mit Demokratiefeinden, der gute Rest aber mindestens die Retter der Demokratie.
Warum aber fragt niemand, ob nicht etwa Lübcke selbst mit seinem „wem’s nicht passt, der kann gehen” gegen demokratische Grundprinzipien verstoßen hat. [Gleiches nochmal mit der rechten Tür.)
Freilich ist das eine andere Intensität, aber so von der Stroßrichtung sind das und ein Kopfschuss für mich sehr ähnlich: Da ist die vorgegebene Richtung, und wer nicht mithüpft muss raus. Nicht mitzuhüpfen ist nicht vorgesehen.
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Wenn man schon den Demokratiebruch beklagt:
Was wäre denn das akzeptierte demokratische Mittel gewesen, sich gegen Migration zu stellen, zu wehren, sie zu kritisieren?
Meinungsfreiheit nutzen? Geht nicht, sofort alles Nazi.
Wahlen? Wen denn? CDU? Die sind doch dafür und nicht dagegen.
Rechtsweg? Popularklage gibt’s nicht.
Wenn hier schon das Geschrei erhoben wir, dass die „Demokratiefeinde” unterwegs seien, dann müsste man erst einmal erklären können, was denn dann der demokratische Weg gewesen wäre. Man hat ja alle demokratischen Mittel einfach abgeschnitten.
Was wäre denn das zulässige, demokratische, akzeptierte, noch mögliche Mittel des Dissenses, der oppositionellen Meinungsvertretung gewesen?
Alle schreien sie wie die Wahnsinnigen „Demokratie”, nachdem sie in den letzten Jahren jegliche Demokratie ausgehebelt haben, aber keiner sagt, wie diese zu schützende Demokratie denn eigentlich ausgesehen hätte. Man hat doch alles platt und kaputt gemacht.
Ich spitze es mal zu: Was – unterhalb von Mord – wäre denn das richtige Mittel gewesen, das man erwartet hätte?
Maul halten, wie Maas es fordert?
Einfach gehen, wie Lübcke es forderte?
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Momentan kommt gerade der nächste Gottkanzler um die Ecke, Habeck von den Grünen. Der sagte gerade bei Precht:
Er sagte explizit und für jeden per Mediathek/Youtube/Facebook anzuschauen, dass er die Demokratie und Opposition abschaffen und eine zentralistische Diktatur aufbauen will.
- Warum nennt den keiner einen „Feind der Demokratie”, obwohl er es doch direkt und offen in die Kamera sagt?
- Welches zulässige Mittel unterhalb von Mord ließe eine Politik nach Vorstellung Linker wie Habeck überhaupt noch zu?
- Bliebe die Lübcke-Sicht, dass jeder gehen könne, überhaupt, wenn man einen Staat wie DDR oder China baut? Konnten die denn damals einfach so „gehen”? (Nein, konnten sie nicht.)
Mir geht diese ganze Debatte ganz enorm gegen den Strich.
Vor allem stinkt das nach der Methode Reichtagsbrand.
Früher oder später wird sich ein Strafverteidiger dabei auf Art 20 Absatz 4 Grundgesetz berufen, so ganz demokratisch:
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Und das würde sicher heiter. Es ist zwar schon viele Jahre her, aber ich habe mich mal in die Bibliothek gesetzt und darüber gelesen, und soweit ich mich da gerade erinnern kann, nichts konkretes gefunden, ein unbeackertes Rechtsgebiet ohne klare gesetzliche Vorgabe und ohne höchstrichterliche Grundsatzentscheidungen. Soweit ich mich erinnere ein juristisch leerer Raum.
Selbst wenn man dabei zu dem Ergebnis käme, dass solche Fälle nicht darunter fallen, wird man – um das überhaupt so entscheiden zu können – die Grenze konkretisieren müssen.
Meine Einschätzung
Habe ich eigentlich noch nicht, ich würde da gerne erst mal abwarten, was denn die Ermittlungen ergeben. Und was Polizei, Staatsanwaltschaft und irgendwann dann auch die Richter dazu sagen. Ich hab’s nicht so mit der Sterndeuterei und der Kaffeesatzleserei.
Aber mal unterstellt, es wäre so, wie alle schreien:
Dann läge meines Erachtens die Ursache diametral entgegengesetzt als im Fernsehen behauptet: Dann wäre der Mord nach meiner Einschätzung nicht passiert, weil es zuviel Hatespeech gibt, sondern im Gegenteil, weil es zuwenig Meinungsfreiheit gibt.
Das wird noch heftig, gefährlich, interessant.
Denn, so meine weitere Einschätzung, diese Gesellschaft wird in den nächsten Jahren von links durch inkompetente Politik zerstört. Ich halte solche Vorfälle für Vorboten des Zerbrechens der Gesellschaft.
Demokratie haben wir jedenfalls schon lange nicht mehr, der ganze demokratische Einfluss ist gekappt.
Wer also ist der Demokratiefeind? Der, der sie abschafft, oder der, der sich gegen deren Fehlen durchsetzt?