Warum es heikel ist, sich im Fall Walter Lübcke so weit aus dem Fenster zu lehnen
Ich halte das, was Politik und Presse da zum jetzigen Zeitpunkt und beim jetzigen Stand des öffentlich zugänglichen Wissens über den Kopfschussfall Walter Lübcke abziehen, für schlicht nicht vertretbar.[Nachtrag]
Und zwar – darauf lege ich wert – nicht einmal dann, wenn es stimmt. Weil damit nämlich diese spekulative Hetzverurteilung etabliert wird. Hat man denn aus der Strafsache Kachelmann so gar nichts gelernt? Oder will man gerade das zum Normalzustand machen, nämlich dass die Presse und die Politik einfach mal auf Verdacht loshetzen, weil man meint, gerade gute Karten zu haben und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gewinnen?
Ich halte die Wahrscheinlichkeit übrigens für gar nicht so hoch, wie es aussieht.
Wie schon im früheren Blogpost dazu erwähnt, fällt mir auf, dass sich Polizei und Staatsanwaltschaft zur Sache viel bedeckter, vorsichtiger, zurückhaltender äußern. Woher Presse und Politik dann das Zusatzwissen haben wollen, sich viel weiter aus dem Fenster zu lehnen? Durchstechereien aus Polizei oder Justiz? Davon ist nichts erwähnt. Ich muss als Maßstab das heranziehen, was öffentlicher Stand des Wissens ist.
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Alle reden von „Mord”.
Der Mord wird aber erst durch ein rechtskräftiges Gerichtsurteil zum Mord. Nun erlaubt die Meinungsfreiheit, auch unabhängig davon – und letztlich sogar unrichtig oder nicht nach engen juristischen Kriterien – „Laienurteile” zu äußern. Man darf auch Handlungen umgangssprachlich als Betrug oder Erpressung bezeichnen, die das im strafrechtlichen Sinne nicht sind.
Ob man es im Rahmen der Meinungsfreiheit darf, oder ob man es sich als Politik oder Presse leisten kann, sind zwei unterschiedliche Dinge.
Außerdem gibt es da eine diffizile Falle in der Meinungsfreiheit: Es ist nämlich ein Unterschied, ob man eine tatsächlich unstrittige Handlung im Rahmen der Meinungsfreiheit als irgendeine Straftat qualifiziert, oder ob man jemandem ohne Tatsachendarstellung die Erfüllung eines Straftatbestandes unterstellt.
Beispiel: Wenn man sagt, das Geschäftsmodell des A (das man erläutert oder dem Publikum oder öffentlich tatsächlich bekannt ist) sei Betrug, oder die Weise, in der C den D getötet hat, hielte man für Mord, dann darf man das, selbst wenn es juristisch falsch ist, weil die juristische Wertung eine Meinungsäußerung ist, und der Empfänger sich ja seine eigene Meinung über den Vorgang bilden und das überprüfen oder selbst einfach anders bewerten kann. Kritisch kann das allerdings für Juristen, insbesondere Rechtsanwälte, werden, weil die als Profis bzw. Organe der Rechtspflege keine unwahren Rechtsbewertungen abgeben dürfen.
Behauptet man aber ohne Tatsachenerläuterung einfach so, der A habe den B betrogen oder der C haben den D ermordet, dann ist das schlicht Verleumdung oder üble Nachrede (je nach eigenem Kenntnisstand), weil damit in nicht überprüfbarer und selbstbewertbarer Weise behauptet wird, A oder C hätten eine Handlung begangen, die juristisch unter einen Straftatbestand fällt.
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Im deutschen Recht ist das Töten eines Menschen, zunächst mal „nur” Totschlag (§ 212 StGB).
Das kann dann durch verschiedene Umstände und Merkmale rauf- oder runterklassifiziert, exculpiert oder beschwert werden. Beispielsweise Notwehr oder Sachverhaltsirrtum. Oder eben die Mordmerkmale. Die Tötung ist ein Mord, wenn mindestens eines der Mordmerkmale (§ 211 StGB) erfüllt ist, und das ist nicht ganz einfach, denn die sind teils schlabbrig, deshalb wollte ja Maas daran schon rumbiegen.
Diese Mordmerkmale liegen in den Bereichen des Motives und der Tatausführung.
Nur: Weder über Motiv, noch über Tatausführung ist bislang irgendwas bekannt, außer eben, dass er an einem Kopfschuss aus nächster Nähe starb.
Mordlust? Bisher nicht hinreichend ersichtlich, würde auch der politischen Motivation widersprechen.
Befriedigung des Geschlechtstriebes? Sicherlich nicht.
Habgier? Von Raub oder Diebstahl stand da nichts.
Niedrige Beweggründe? Schwierig. Politische Gründe als niedrig zu qualifizieren wird juristisch schwierig, wenn derjenige sich darauf beruft, er habe Angst um seine Existenz, sein Land usw. gehabt. Dazu müsste man die Beweggründe halt auch erst mal haben, sie also belegbar kennen.
Heimtückisch? Dazu müsste man erst wissen, was passiert ist. Setzt aber voraus, dass man das Opfer in Sicherheit wiegt und erst damit den Mord ermöglicht. Wäre etwa der Fall, wenn man das Opfer etwa in eine fremde Wohnung lockt. Oder der RAF-Mord an Jürgen Ponto, der seine Mörder in das Privathaus einließ, weil er Susanne Albrecht persönlich kannte. Nur weil einer nicht weiß, dass er ermordet wird, ist das noch keine Heimtücke. Wenn also Lübcke in seinem eigenen Haus war, und dort einem fremden Mann gegenüberstand, den er nicht eingeladen hat, wird er diesem wohl kaum vertraut haben, das ist nicht Heimtücke.
Grausam? Kann man von einem Kopfschuss nicht sagen, da derjenige in der Regel sofort tot oder zumindest bewusstlos ist und das nicht mehr spürt und nicht leidet.
Gemeingefährliche Mittel? Ist bei einem Kopfschuss aus nächster Nähe nicht der Fall, da wurden andere nicht gefährdet.
Eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken? Weitere Straftaten sind nicht ersichtlich.
Also selbst wenn die Sache so wäre, wie Politik und Presse sie selbst nicht wissen, aber insinuieren, fällt mir das beim derzeitigen Wissensstand schwer, darin gerichtsfest einen Mord zu sehen, weil man dazu einfach mal sagen müsste, welches der Mordmerkmale denn vorliegen soll. Anders gesagt: Von Mord zu schwafeln ohne dazuzusagen, welches der Mordmerkmale vorliegen solle, ist Geschwätz.
Selbst wenn der Sachverhalt so wäre, wie insinuiert, würde ich das juristisch (nicht gefühlt, sondern das, was juristisch belegbar ist) für Totschlag halten.
Abgesehen natürlich von dem Umstand, dass man den Sachverhalt auch erst mal klären müsste.
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Ein zentrales Problem ist, dass niemand da sagt, was eigentlich das Motiv sein sollte. Der ist „rechts”, mehr braucht’s nicht als Motiv? Mörder per Kategorisierung?
Diese Denkweise ist nicht weit vom Lynchmord weg.
Schwierig daran ist, dass Lübcke 66 war und – wie mir verschiedene Leser schrieben – im Ruhestand. Der habe kein politisches Amt mehr gehabt. Das mit dem „Anschlag auf den Staat” und „Anschlag auf die Demokratie” ist damit ziemlich hinfällig, wenn der kein politisches Amt mehr hatte. Oder eigentlich von vornherein Fake News. Höchstens noch über die Tätigkeit in der CDU zu argumentieren.
Gerade erst vor wenigen Stunden (!) schrieb SPIEGEL Online:
Bei den Ermittlungen zum Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeichnet sich ein mögliches Motiv ab. Wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, halten es die ermittelnden Beamten für möglich, dass der tatverdächtige Stephan E. 2015 die Bürgerversammlung besucht hat, auf der sich Lübcke durch eine kurze Äußerung den Unmut rechtsgerichteter Zuhörer und Internetnutzer zugezogen hat. Derzeit werde überprüft, ob E. unter den rund 800 Besuchern gewesen sei, heißt es aus Polizeikreisen.
Nachdem da alle seit Tagen über „rechte Netzwerke” und Totalschuld der AfD schwadronieren, hat man jetzt erstmals ein „mögliches Motiv”. Nicht das Motiv, sondern ein erstes mögliches. Nein, man hat es nicht mal, es „zeichnet sich ab”. Sie prüfen es noch.
Sorry, aber wenn ich das so lese, dass einer einen Politiker wegen einer einzelnen Äußerung von 2015, so inakzeptabel sie gewesen sein mag, nach 4 Jahren erschießt, dann ist der erste Gedanke, der mir da kommt, der an eine schwere psychische Erkrankung und nicht an politische Motive. Würde man nämlich aus politischen Motiven morden, würden mir da ganz andere Namen einfallen. Aber einen, von dem ich bis neulich noch nie etwas gehört hatte? Der im Ruhestand ist? Was soll das überhaupt bringen? Wenn es nicht mal ein Bekennerschreiben oder sowas gibt? So ganz ohne Symbolwirkung?
Das passt für mich nicht richtig zusammen.
Es gab zwar eine ganze Reihe von Kleiner-Bürger-Anschläge auf Politiker – Lafontaine, Schäuble, Bürgermeister von Altena, Reker – aber das waren immer Motive persönlicher Verzweiflung oder psychischer Erkrankungen, nie das politische Ding. Das waren alles Leute, die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr oder gerade nicht alle Tassen im Schrank hatten. Drogen, Außerirdische, Bankrott und sowas. Schon deshalb halte ich es für sehr schräg, hier plötzlich das staatsgefährdende Attentat zu sehen.
- War er es denn überhaupt?
Einer schrieb mir heute, dass sämtliche DNA-Spuren, die man am Tatort gefunden habe (und über die man ja überhaupt auf ihn kam), auf leicht beweglichen Gegenständen gefunden worden seien. Die könnte man also auch dahin gelegt haben.
- Sowas beweist also nicht im engeren Sinne, dass er überhaupt dort war.
- Es beweist nicht, dass er zur Tatzeit dort war.
- Es beweist nicht, dass er allein dort war und deshalb der Täter sein muss. Reden doch alle von Netzwerken und Organisationen, unterstellen dann aber eine Einzeltätertat, damit man schnell einen Schuldigen hat.
Spuren mit fremder DNA dorthin platziert? Ist das nicht wahnsinnig verschwörungshteoretisch und an den Haaren herbeigezogen?
Ich kann mich erinnern, dass kurz nach der Tat, als man noch fast gar nichts darüber lesen konnte, zu lesen war, dass die Polizei beklagte, dass der Tatort massiv verändert worden sei und sie keinen Originaltatort mehr hätten. Kurz darauf hieß es, einer der Rettungssanitäter hätte dort allerhand verändert. Siehe etwa einen früheren Artikel im SPIEGEL:
Laut “Bild”-Zeitung bemerkten Ermittler bei ihren Untersuchungen am Tatort “Manipulationen”. Die Behörden äußerten sich dazu bisher nicht. Nach SPIEGEL-Informationen veränderte ein Sanitäter die Stelle, an der Lübcke gefunden wurde. Er soll auch ein Bekannter des Opfers sein. Wie genau er den Tatort “manipulierte”, ist nicht geklärt. Der Verdacht liegt nahe, dass er einige Bereiche säuberte, um Angehörigen den schrecklichen Anblick zu ersparen. Die Kasseler Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.
Hat man den Tatort aus dem politischen Umfeld „frisiert”?
Mir sagte mal ein früherer Klassenkamerad, der den Grundwehrdienst verweigert und stattdessen Sanitäter gemacht hatte, dass sie eigens belehrt worden seien, bei Verdacht auf Straftaten Spuren nicht zu verwischen und die Polizei zu alarmieren.
- Schaut man sich das derzeitige politische Klima an, kann man nicht nur eine deutliche Klimaerwärmung feststellen, sondern – wie schon oft bebloggt – einen massiven Druck, alles auf links zu bügeln und jegliche Andermeinungen anzugreifen, zu diskreditieren, abzuschaffen.
Gerade dann, wenn man – wie ja oft beklagt – Angst hat, dass die Lage nach „rechts” abrutschen könnte, wäre ein konstruierter False-Flag-Mord eine überaus passende Sache.
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Bedenkt man nun, dass es eine deutliche Verschmelzung zwischen linken Parteien, gewaltbereiter Antifa, und Ex-Stasi/SED gibt, ist der Gedanke nicht fern, dass man da auch DNA-Proben bzw. entsprechende Gegenstände sammelt, die man bei Bedarf streuen kann. Beim damaligen Stand der Technik hat man von allen politischen Gegnern Geruchsproben genommen, etwa indem man sie zwang, lange auf präparierten Stühlen zu sitzen, deren Stoffbespannung man danach abnahme und konservierte, damit Spürhunde sie später erkennen und finden konnten.
Da sind DNA-Proben nur zwangsläufige Anpassungen an den Stand der Technik.
Ich will nicht behaupten, dass das alles so ist.
Aber mir wäre das viel zu heikel und zu unvertretbar, sich beim derzeitigen Wissensstand so weit aus dem Fenster zu lehnen und gleich den Umsturzversuch ganzer rechter Netzwerke gegen die Demokratie schlechthin zu sehen.
Meines Erachtens kann man da nur sachlich informieren, aber noch nicht werten. Da müsste man die Bälle sehr flach halten und abwarten, was die Polizei da noch ermittelt. Zumal sie ja schon mal einen am Wickel hatten und ihn dann wieder laufen ließen.
Zwar hieß es, sie seien sich da ziemlich sicher, den Richtigen zu haben – aber einen Tatablauf ist bisher nicht ersichtlich. Kannten die sich? Gab es ein Streitgespräch? Hat der den eingelassen? Ist er von vorne oder hinten erschossen worden? Bestreitet der Festgenommene? Gesteht er?
Mich etwa würde sehr interessieren, welche Rolle dieser familiennahe Sanitäter spielt, der da den Tatort umgestaltet hat.
Ich verstehe wirklich nicht, wie man beim derzeitigen dünnen und wackeligen (öffentlichen) Wissensstand so einen Politzauber daraus ableiten kann.
Nachtrag: Ein Leser spricht gerade an, was mir auch schon durch den Kopf (pardon, dumme Formulierung) ging: Was, wenn es ein Selbstmord war und der Sanitäter bei der Reinigung auch die Pistole hat verschwinden lassen? Dazu müsste allerdings die Obduktion was sagen können, weil ja ein Suizid durch Schusswaffe auch ohne die Waffe an Spritzern, Schmauch und so weiter zu erkennen ist. Wenn nicht der Sani-Täter das gewaschen hat. Allerdings halte ich das dann für sehr unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, weil der Sani zwar Blut so wegwaschen kann, dass es nicht mehr nach Selbstmordspritzern aussieht, aber nicht die Schmauchspuren.