Die 6-Jahres-Erleuchtung eines Linken
Manchmal braucht’s ein bisschen länger.
2013 war das noch so, dass Jakob Augstein wie wild für Frauen getrommelt hat und sich auf der Netzwerk-Recherche-Konferenz massiv für die Frauenquote stark gemacht hat, weil einfach alles besser werde, wenn Frauen überall drin sind. Bin ja damals mit ihm zusammengerasselt, ging um eine Podiumsdiskussion um die Frage, warum der Frauenanteil in Redaktionen umgekehrt mit der Qualität korreliert, also der Frauenanteil umso höher ist, je anspruchsloser das Blatt, und wie man das ändern könnte.
Nur 6 Jahre später hat ihn die Erkenntnis ereilt, dass sich durch Frauen an den Machtspielen eigentlich nichts ändert:
Das fände ich alles spannend und klug und lehrreich, wenn das Ergebnis der "weiblichen" Politik sich von dem der männlichen unterschiede. Das ist aber nicht so. Am Ende sind Macht und Strukturen stärker als Geschlecht. https://t.co/D33Yo25nk7
— Jakob Augstein (@Augstein) July 26, 2019
Boah.
6 Jahre hat der gebraucht.
Ein Brüller von einem Journalisten. Und das ist nicht mal ironisch gemeint, damit gehört er unter den Journalisten noch mit Abstand zu den erkenntnisschnellsten und erkenntnisfähigsten. 98% der bei der Veranstaltung damals anwesenden Journalisten werden es nie zu irgendeiner Erkenntnis bezüglich des Genderkultes bringen. Und wie so oft hat man für die ideologischen Ziel alles kaputtgeschlagen, ohne einen Nutzen daraus ziehen zu können. Religionskriege.
Immerhin, was ich ja neulich schon bei seiner Radiosendung mit Hayali gemerkt habe: Er braucht zwar etwas länger, aber immerhin kann er einem – im Gegensatz zu Hayali – noch zuhören, erfassen, was man sagt, und drüber nachdenken. Vielleicht hat das zu seiner gemächlichen Erleuchtung beigetragen, wenn ihm die weibliche totale Ignoranz im Interview direkt gegenüber sitzt.
Auslöser war nun wohl die Kundegebung der Zeit über weibliche Politik:
Nein, wir wissen nicht, was Politik ist, wir wissen nur, was männliche Politik ist. Mein Essay zum Verhältnis von weiblicher und männlicher Politik nun online. https://t.co/msPfE909Dz
— Bernd Ulrich (@berndulrich) July 26, 2019
Und die meinen, Frauen seien in der Politik einfach effizienter.
Immer definierten Männer die Politik. Männer mit Zeit für Machtkämpfe – denn zu Hause hielt ihnen jemand den Rücken frei. Warum Frauen wie Angela Merkel und Carola Rackete ihre Energien vernünftiger einsetzen.
Hinter Paywall, aber man liest noch soviel:
Angela Merkel entwickelte einen Politikstil äußerster Sparsamkeit: Sie triumphierte nicht, sie nahm keine Rache, sie demütigte nicht, sie war (fast) nicht zu demütigen, sie machte selten große Worte (hier beim G-7-Treffen in Kanada 2018).
Was in meinen Augen nicht effizient ist, sondern schlicht Ignoranz und der Tunnelblick auf die eigenen Interessen, fehlende Wahrnehmungsfähigkeit, und ein gehöriger Schuss krimineller Energie, nämlich auch geltendes Recht im Bereich des Ignorierten, nicht Gesehenen zu lassen. Und die Meinung anderer zu ignorieren.
Es gab mal eine Zeit, da nannte man sowas „verzogene Göre”.