Ansichten eines Informatikers

„Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!”

Hadmut
15.1.2020 1:07

Ich war im Kino.

Ein Film über institutionalisierte Korruption.

Oder: Neulich im Kosovo…

Also ich leide ja im Allgemeinen nicht unter Schreibhemmung, im Gegenteil wird mir eine gewisse Zügellosigkeit nachgesagt. Ich war gerade im Kino, in der (Berlin- oder Deutschland-) Premiere des Filmes gar, der läuft erst demnächst an, „Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!”, der (ich glaube 1999) im Kosovo, dem damaligen Jugoslawien spielt, so in der Endphase oder kurz nach dem Kosovokrieg, und die Spannungen zwischen Kosovaren, Serben, Bosniern, Roma zeigt, und wie die aufeinander losgegangen und sich gegenseitig umgebracht haben. Es geht aber vor allem darum, welche absurde, naive, dumme, korrupte und verlogene Rolle die OSCE (deutsch OSZE) dort spielte und mit Gutmenschentum mehr Schaden als Nutzen anrichtete.

OSZE/OSCE steht für Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, englisch Organisation for Security and Co-operation in Europe. Der Film spielt in Priština, auch wenn er nicht dort gedreht wurde.

Und ich weiß nicht, was ich dazu schreiben könnte oder sollte. Mir sagte vorhin danach am Buffet noch jemand „Ich bin gespannt, was Sie zu dem Film schreiben.” Meine Antwort: „Ich auch.”

Ich kenne mich mit dem Thema nicht aus. Mit Jugoslawien habe ich nur drei Dinge zu tun.

  • Ein lange gehüteter, aber leider verschollener (das wird irgendwann mal ein eigener langer Blog-Artikel) Familienschatz war das Foot meines Großvaters in mittleren Jahren inmitten einem Haufen Indianer und einer Landschaft, in der nur noch Old Shatterhand fehlt und jeden Augenblick Winnetou um die Ecke kommen muss, und man die Filmmusik schier hört, weil meine Familie schon lange vor meiner Zeit gerne in Jugoslawien Urlaub gemacht hat und die damals zufällig und ungeplant mitten in die Dreharbeiten von Winnetou geraten sind, leider nur die Statisten auf dem Foto. Mit Lex Barker hat er kurz gesprochen.
  • Als Kind war ich oft in Jugoslawien in Urlaub, kann mich noch an Krk, Zadar, Koversada, Lipica, Postojna, viel Meer, viel Schnorcheln, eine Wiese voller vierblättriger Kleeblätter und eine Eisdiele mit fliegendem Eis erinnern, Sonne, Seeigel(-stacheln in den Füßen) und heile Welt, viele Narben an Händen und Knien von der Felsküste. Aber eher Kroatien.
  • Ich war 1990/91 mal schwer krank und lag dabei im Somme 90 mal eine Woche zusammen mit einem alten, hochgebildeten Mann im Zimmer, der aus der Gegend irgendwo da unten stammte, und wenn man da eben so liegt und außer der Visite am Morgen und dem Fernsehen am Abend nichts zu tun hat, erzählte der mir die meiste Zeit über den Konflikt da unten, wohlgemerkt bevor der Krieg ausgebrochen war. Er sagte, es wird Krieg geben, das sei völlig unausweichlich. Er sagte, es wird sehr gefährlich werden. Und er sagte, dass es für ihn nicht so gefährlich werden würde, weil er Kultur, Sprachen, Dialekte so gut beherrscht, dass er jedem Serben vormachen könne, Serbe zu sein, jedem Kroaten, ein Kroate zu sein, und noch zwei oder drei. Das würde ihm das Leben bewahren, denn die würden jeweils jeden anderen umbringen.

Der Film macht im Prinzip da weiter, was mir dieser alte Mann erzählt hat. Leider kann ich mich an fast nichts mehr davon erinnern, und ehrlich gesagt, habe ich es auch damals nicht sehr ernst genommen. Ich hatte mich auch seit dem letzten Schnorcheln nicht mehr für Jugoslawien interessiert. Als dann kurz darauf der Kroatien-Krieg kam, dachte ich noch, verdammt, der hatte Recht, hättest Du dem besser zugehört. Aber um nochmal ehrlich zu sein: Es hatte mich auch dann nicht sehr interessiert, weil ich zu der Zeit dann auch mit anderen Sachen beschäftigt war. Und es mich eben einfach auch nicht sonderlich interessiert hat.

Der alte Mann hatte mir damals erzählt, dass es sehr wichtig sei, jedem, der mit einer Waffe auf einen zielt, überzeugend klarzumachen, dass man einer wie er sei. Das ist die Hintergrundsituation des Films.

Eigentlich aber geht es darum, wie die OSZE (OSCE) – stellvertretend für NGOs im Allgemeinen – dort so naiv-eitel-korrupt-verlogen-gutmenschig aufkreuzt, von Konflikt und Kultur keine Ahnung hat, und meint, dort alles im Handstreich zum Guten wenden zu können. Im Prinzip haben sie für jede der genannten negativen Eigenschaften einen Mitarbeiter. Die Hauptrolle geht an die Naive.

Und so geht das halt so richtig schief, es gibt viel Gewalt und eine Reihe von Leichen.

Aber ich weiß nicht, was ich darüber schreiben soll.

Die Handlung war seltsam, nicht so richtig dramaturgisch aufgebaut. Was fraglos daran lag, dass es auf einem realen Buch beruhte, in dem eine reale Person ihre Erlebnisse aufgeschrieben hatte, die Frau war sogar anwesend, und Realität richtet sich eben nicht nach Dramaturgie. Der Krieg wurde nicht von Hollywood veranstaltet. Insofern muss man das einfach auch aufnehmen, dass die Handlungsbögen etwas seltsam sind, auch wenn ich zwischendrin einige Male an Good Morning Vietnam denken musste.

Es gibt so seltsame Momente. Am Anfang plätschert der Film noch etwas komisch so vor sich hin, westliche Journalistin verirrt sich in die Pampa, bis sie beim Wendemanöver eines Traktors etwas Boden wegradieren und vergrabene ermordete Leichen zum Vorschein kommen. Da dachte ich noch, aha, das war die Einführung der Personen, jetzt geht die Handlung los. Sie haben sich aber nur kurz gestritten und sie dann wieder verbuddelt. Wie das damals wohl eben so war.

Dabei entsteht schon Spannung, die Handlung kocht sich schon hoch, aber irgendwie anders als man das eigentlich von dieser Art Film erwarten würde. Und es gibt kein Happy End, das gab es in der Realität ja auch nicht.

Anfangs dachte ich, der Film sei eine Billigproduktion, weil er nicht wie eine große Produktion, sondern etwas handgemacht aussieht. Das täuscht. Es gibt schon einige verdammt gute Kameraeinstellungen (ich sage nur: Kopf von hinten), vor allem die Tonspur ist mir an einigen Stellen als sehr gut gemacht aufgefallen.

Gestaunt habe ich dann, als der Abspann nicht enden wollte, wie unglaublich viele Leute da mitgemacht haben. Und sogar Bayerischer Rundfunk und SWR. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Filmförderfond. Und so weiter und so fort. Ein geförderter Film.

Beachtlich ist dann, dass es nicht nur im Film um diese seltsame Bürokratie ging, sondern auch in den Kommentaren der Macher nach dem Film über das weh und ach der Filmförderung. Wie lange haben sie daran gebettelt und gebastelt? Zehn Jahre oder so. Sie sagten, es hätte Wetten gegeben, wer zuerst pleite ist, sie oder die Filmförderung. Und wer zuerst fertig ist, sie oder der BER. Heute wären sie nach meiner Einschätzung nicht mehr förderfähig, weil zuwenige Frauen und nicht politisch korrekt. Ausländer zu zeigen, die sich umbringen.

Ich fand ihn auch etwas zu lang, ich glaube, zwei Stunden waren’s, auch wenn die Handlung nach hinten schon recht dicht wurde.

Zwar haben sie am Anfang den Disclaimer, dass die Handlung frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit Personen oder Organisationen rein zufällig sei. (Haftung und so.) Sagten aber danach, dass das auf dem Buch mit den realen Erinnerungen der Autorin beruht.

Was bei einem dann hängenbleibt, ist, dass die OSZE/OSCE der letzte, verlogene, korrupte, unfähige Saftladen ist, an dem sich die Funktionäre fettfressen. Was ein gewisse Ähnlichkeit mit dem hatte, was danach gesagt wurde, nämlich dass die Filmförderung auch eher denen dient, die bei der Filmförderung arbeiten, als denen, die man fördert. Viele dieser großen deutschen und europäischen Organisationen sind offenbar primär dazu da, die eigenen Leute mit Geld und Posten zu versorgen. Der Zweck und die Aufgabe sind nachrangig.

Ich habe nicht verstanden, wieso das dann ein Film als Kritik an NGOs sein soll. Ist denn die OSZE eine NGO? Naja, egal, ob sie eine ist, die NGOs arbeiten mit ziemlicher Sicherheit genauso.

War es ein schöner Film?

Nein.

Hat mir der Film gefallen?

Nein. Das wäre aber auch falsch gewesen. Man kann über die Jugoslawien-Kriege keinen Film drehen, der mir gefällt. Da wäre was komplett falsch. Der Film darf gar nicht gefallen.

Ist der Film gut gemacht?

Weiß ich nicht. Er ist jedenfalls mal etwas anderes als der ganze Mainstream- und Hollywood-Mist, es ist ein Film, der etwas erzählt, und nicht mit Spezialeffekten daherkommt. Keine Computereffekte.

Ist der Film realistisch?

Kann ich nicht beurteilen.

Wieviel Sterne würde ich dem Film geben?

Weiß ich nicht. Kann ich nicht sagen. Ich vermag den Film nicht zu bewerten. Mir fehlt das Hintergrundwissen und ich haben zu wenige solcher Filme zum Vergleich gesehen, um Maßstäbe zu entwickeln.

Stößt der Film bei mir was an?

Ja. Nämlich die Frage, ob die Handlung des Films überhaupt geendet hat, oder ob wir nicht genau das, was da vor 20 Jahren in Südeuropa, genauer gesagt im Kosovo und in Serbien passiert ist, mit der Migration zu uns importiert haben, damit es hier dann weiterläuft, und unsere Regierung nicht geauso naiv, dämlich, korrupt und schädlich ist, wie die OSCE in diesem Film. Ob das nicht genau so wie in diesem Film weiterläuft, nur eben jetzt hier statt dort.

Ob es nicht genauso naiv war, die Leute herzuholen, wie damals hinzugehen. Wäre ja auch nicht so, als ob Kosovo-Albaner hier so ganz unauffällige Engel wären.

Ich kann den Film nicht bewerten.

Schlimmer noch: Mir fällt auch nichts ein, was ich zu dem Film schreiben könnte.