Zweierlei Beschimpfungen
Oh, ich werde gerade zugeworfen mit Mails empörter, beleidigt, verärgert, kritischer oder das anders sehender Leser zum Thema Corona.
Ich kann das alles gar nicht beantworten, es sind zu viele Mails. Bandbreite von freundlich, aber meinungsdivergierend über „Lies doch endlich mal” bis Kategorie verdammter Idiot.
Grundsätzlich aber lassen sich die Mails in zwei Kategorien aufteilen, die ich jetzt nicht ausgezählt habe, aber die gefühlt im Verhältnis 50:50 liegen:
- Die, die mir Fehldarstellung und Übertreibung vorwerfen, weil ja wirklich kein Mensch behaupte, dass es COVID-19 gar nicht gäbe und man nicht krank werden könnte.
- Die, die behaupten, dass es COVID-19 und die Krankheit gar nicht gebe.
Das macht es nicht unbedingt einfacher, das alles zu beantworten und zu berücksichtigen.
Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass ich nicht (wie manche meinen) behaupte, dass es das menschenmordende Killervirus COVID-19 wirklich gibt. Das ist nicht mein Beruf, damit kenne ich mich nicht aus, das kann ich nicht beurteilen. Ich habe weder Wissen noch Ausstattung, um das zu untersuchen.
Ich bin aber der Meinung, dass es unsinnig ist, COVID-19 aufgrund (angeblich) fehlender wissenschaftlicher Evidenz als nichtexistent oder nichtgefährlich anzusehen, weil ich
- weiß und akzeptiere, dass „Wissenschaft” eben nicht von heute auf morgen geht und ein mühsamer, langwieriger und von Sackgassen, Irrtümern und erkannten Fehlern gepflasterter Weg ist, und es eben nicht so funktioniert, dass man das rumschreit, was einem persönlich am meisten liegt oder das geringste Behauptungsrisiko oder den größten Ich-habs-ja-gleich-gesagt-Gewinn verspricht. Wissenschaft ist kein Wettbüro.
- wie schon so oft beschrieben und leider nur so selten vom Publikum verstanden sehr deutlich zwischen der Wahrnehmung der Meinungs- und der Wissenschaftsfreiheit unterscheide. Viele Leute werfen mir ab und zu vor, dass ich mal wissenschaftliche Qualität fordere, sie dann aber selbst nicht einhielte.
Das hängt damit zusammen, dass ich mich mal wissenschaftlich und mal meinend äußere, im Gegensatz zu vielen anderen darin aber große Unterschiede sehe.
So bin ich der Auffassung, dass an eine Meinungsäußerung keine zu hohen Qualitätsforderungen und im übrigen nicht mal eine vertiefte Wahrheitsforderung gestellt werden kann nd darf, weil die Äußerung der Meinung nicht an Wahrheit, sondern an die Meinung gebunden ist und Meinung nicht wahr sein muss. Es gibt keinen Wahrheitszwang für die Meinung.
Wesentlich für die Meinungsäußerung ist aber, dass man sie dann äußern kann, wenn es drauf ankommt, und nicht, wie in der Wissenschaft, wenn man mit dem Experiment fertig ist. Wissenschaft äußert man, wenn sie fertig erforscht ist, Meinung äußert man spontan und zum benötigten Zeitpunkt.
Wissenschaft muss gewissen Anforderungen genügen, Meinung dagegen nicht. Weil Meinung ein Individualrecht ist, das jedem sofort zusteht und nicht an die Absicht bestimmter Handlungen gebunden ist. Wissenschafts- und Pressefreiheit stehen dagegen dem zu, der etwas vorhat und das nachhaltig tun will, also auf mindestens gewisse Dauer.
Wissenschaft muss überzeugend sein, sie muss überprüfbar und nachvollziehbar begründet werden, folgerichtig, Schritt für Schritt. Das muss Meinung nicht. Meinung ist nicht daran gebunden, dass irgendwer sie nachvollziehen, nachprüfen, teilen können müsste. Es genügt, dass man eine Meinung hat, um sie äußern zu können. Haben selbst viele Juristen überhaupt nicht verstanden.
Vielen ist der Unterschied zwischen Meinung und Wissenschaft überhaupt nicht klar. Am schlimmsten sind die, die mit ihrer „wissenschaftlichen Meinung” daherkommen. Die können meistens keins von beidem.
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ich der Meinung bin, dass man sich in der Zeit, bis die Angelegenheit COVID-19 erforscht ist (und ich eben anerkenne, dass sowas dauert), es ratsam ist, von der Arbeitshypothese einer Gefährlichkeit auszugehen. Nämlich aus Überlegung des Risk Management.
Wenn ich nämlich in die Waagschale werfe, was mich (und ich darf daran erinnern, dass dieses Blog meiner Meinung dient) die Corona-Maßnahmen kosten, nämlich außer der Verschiebung meiner für dieses Jahr eigentlich geplanten Urlaubsreise, dem völligen fotografischen Stillstand und der Notwendigkeit selbst zu kochen, gesunkener Werbeeinnahmen und womöglich noch steigender Steuern oder Inflation, mir ansonsten aber HomeOffice gut gefällt und ich die Zeit sehr gut genutzt habe, halte ich das in der Abwägung gegenüber einer möglichen Lebensgefahr für in Ordnung.
Vielleicht sollte mancher Leser auch mal berücksichtigen, dass Risk Management auch zu meinem Hauptberuf gehört. Und es ebenfalls zu meinem Hauptberuf gehört, nicht denen zu folgen, die am lautesten schreien.
- ich der Auffassung bin, dass jeder seiner und insbesondere auch von meiner abweichenden Meinung sein kann, darf und soll, es aber nicht meine Aufgabe ist, die Meinung anderer Leute darzustellen.
Ich halte es deshalb für systematisch falsch, wenn Leute versuchen, mich bezüglich der Inhalte meines Blogs zu beeinflussen. Ich hatte früher hier mal den Slogan „Mein Blog, meine Meinung – Dein Blog, Deine Meinung”.
Wer anderer Meinung ist als ich, ist jederzeit eingeladen, sich ein Blog aufzumachen und reinzuschreiben, was er denkt.
Ich halte – ganz unabhängig von Corona – überhaupt nichts von der Herangehensweise, einen Autor zu bearbeiten und zuzudonnern, bis der endlich schreibt, was man lesen will.
Wer will, dass seine Meinung im Internet steht, soll sie selbst reinschreiben.
- ich es nun wirklich für bekloppt halte, wenn ich seit Monaten unzählige Mails bekomme, wonach es COVID-19 nicht gebe oder es nicht gefährlich sei oder so irgendwas, weil die Koch’schen Postulate nicht erfüllt seien. Also ob Krankheitserreger erst existierten, wenn sie genügend erforscht sind. Das war damals die Herangehensweise, als man sich der Frage widmete, ob es überhaupt ansteckende und durch Kleinstlebewesen verursachte Krankheiten gibt.
Schon daher ist fraglich, ob das (Stand 1890) überhaupt auf Viren anwendbar ist, zumal man Viren nicht in der Petrischale kultivieren kann, und das eine Forderung ist.
Das ist ein Pseudoargument.
Auch wenn man die Koch’schen Postulate als Beweismethode ansieht, dann heißt das nur, dass man etwas bewiesen hat, wenn man sie erfüllt hat. Es heißt nicht, dass man etwas widerlegt hat, indem man sie nicht erfüllt. Nichtstun, Unterlassen ist kein Beweis.
Es ist ein fundamentaler Denkfehler zu glauben, dass aus dem Umstand, dass die Postulate nicht erfüllt seien, folge, dass es die Krankheit nicht gibt.
Da fehlt es an elementarer Logik.
Wenn A B impliziert, dann ist es nicht so, dass nicht A auch nicht B impliziert, sondern umgekehrt so, dass nicht B eben nicht A impliziert.
möglichFormal geschrieben:
a → b ⇒ ¬ b → ¬ a aber eben nicht ¬ a → ¬ b
Und wenn noch so viele Leute an mich hinschreien.
- ich zum Unterschied zwischen a-priori- und a-posteriori-Wissen schon viel geschrieben habe, es aber offenbar auch viele nicht gelesen und verstanden haben.
- ich die Möglichkeit, dass ich falsch liege, durchaus sehe, meine Sichtweise im Rahmen des Risk Management aber trotzdem für die richtige Entscheidung halte.
Das kapieren viele nämlich auch nicht, dass wissenschaftliche Erkenntnis und Handlungsentscheidungen zu treffen zwei verschiedene Dinge sind.
Das ist eben so, dass man immer wieder Entscheidungen treffen muss, wenn man noch nicht über das Wissen verfügt, um sie billig und risikolos treffen zu können. Da gibt es eigene Bereiche der Spiel- und Entscheidungstheorien. Die Welt ist nicht so einfach zu sagen, dass man wartet, bis die Wissenschaft etwas hervorbringt und dann weiß man was zu tun ist.
Auch das ist Wissenschaft, Entscheidungen ohne sicheres Wissen zu treffen, Risiken einzugehen oder eben nicht.
- es mich zutiefst ankotzt, das niemand von denen, die jetzt schreien, man müsse streng wissenschaftlich vorgehen, genauso geschrien hat, als man den ganzen Gender-Schwachsinn verbreitet hat.
- es mich zutiefest ankotzt, dass Leute Wahrheiten und Unwahrheiten an ihren persönlichen Finanz- und Interessenlagen festmachen. Wahr ist, was ihnen wirtschaftlich nutzt.
Noch einmal:
Ich halte es durchaus für möglich, aber niedrig wahrscheinlich, dass COVID-19 weniger gefährlich ist, als behauptet, oder nicht mal in der Form existiert. Es ändert aber nichts daran, dass ich der Meinung bin, dass man beim derzeitigen Wissensstand handeln sollte, als ob es existierte, bis man schlauer ist.
Und wenn mir tausend Leute schreiben „Das Haus brennt gar nicht”, liegt darin für mich null Überzeugungsgehalt, weil gar nicht oder (siehe oben) unlogisch oder fehlerhaft begründet.
Oder anders gesagt: Wenn die Leute sich schon offensichtlich so wenig Mühe damit geben, gegen COVID-19 anzuargumentieren, und es bei billigem Geschrei und „lies mal da” belassen, obwohl sie behaupten pleite zu gehen, können die Zweifel so begründet nicht sein. Zumal ja wirklich sämtliche Staaten der Welt davon betroffen sind und sich mit höchster Intensität damit befassen. Es gilt ja immerhin als die größte Weltkrise seit dem zweiten Weltkrieg.
Wenn es also begründete Zweifel gäbe, worin läge dann die Logik, sie einem Informatiker und Blogger und nicht den vielen Laboren und Medizinern mitzuteilen, die daran forschen? Wenn es begründete Zweifel gäbe, wäre ich doch der völlig falsche Ansprechpartner, weil ich von dem Thema biologisch/medizinisch keine Ahnung habe.
Wenn das Ding nicht existierte oder harmlos wäre, müssten dann nicht konservative Wissenschaftler, Labore, Staaten längst belegt haben, dass es das nicht gibt, statt sich zu ruinieren?
Gleich ist US-Wahl. Wäre das für Trump-freundliche Wissenschaftler nicht effektiv zwingend, COVID-19 zu dessen Wahlvorteil als Fake aufzudecken, wenn es so wäre?
Würden nicht westen-kritische Staaten wie Iran, Nordkorea, Türkei sofort losplärren, dass es Fake wäre, wenn sie es nicht nachvollziehen könnten und selbst hätten?