Ansichten eines Informatikers

Zeitgeist: Programmieren zu können ist für das Programmieren gar nicht so wichtig

Hadmut
7.9.2021 18:54

Es seien die Soft Skills.

Oder: Von der Informatik zur Klapsmühle. Und von der Mittelmaß-IT statt an die Weltspitze zum toten Pferd.

Man hält die IT ja für das derzeitig einzige so richtige Zukunftsfeld mit Jobchancen. Ich hatte ja neulich schon einige Blogartikel dazu, wie man an den Universitäten verzweifelt versucht, Geisteswissenschaftlern zu Programmierern umzuschulen, indem man ihnen das Geistliche und Soziale daran schmackhaft machen will.

Der SPIEGEL schreibt, wie frauentauglich das Programmieren doch eigentlich sei:

Programmieren, Social Media und alles noch auf Englisch: Was müssen Bewerber heute können? Experten aus Bildung und Konzernen verraten, wer bei ihnen punktet – und welche Qualifikationen komplett überschätzt werden. […]

Die Halbwertszeit von Wissen wird immer geringer. Viele Qualifikationen, die Menschen in Ausbildung oder Studium erwerben, sind ein paar Berufsjahre später überholt. Wenn Zeugnisse und Kurse immer weniger aussagen: Worauf achten Arbeitgeber:innen dann, wenn sie Menschen einstellen? Und womit kommt heute keiner mehr weiter?

Oh, ja. Stimmt. Mathe ist total überholt, braucht heute kein Mensch mehr.

Allerdings ist da tatsächlich auch was Wahres dran, denn wie ich schon beschrieben, beklagt, betrauert habe, geht die Tätigkeit des Programmierens gerade entsetzlich den Bach herunter, weil sie zunehmend zum Gruppentanz, zum Sozialakt wird, und die Qualität absäuft. Programmieren unterliegt längst ganz massiv irgendwelchen Moden und linken Gesellschaftsformen, wie neulich zu Scrum beschrieben, dass versucht, Programme durch Morgenandachten und Rituale zu erstellen. Die Ergebnisse sind meist ziemlich dürftig, aber man braucht solche Religioide, um die zeitgeistigen Diversitätshaufen noch irgendwie unter Kontrolle zu halten. Einfach hinsetzen und arbeiten geht nicht mehr, nicht mal im Stehen mit den schönen neuen auf Stehhöhe verstellbaren Tischen. Derweil wird das Programmieren längst zum Zirkus mit Kenntnis der wochenaktuellen Frameworks und Paradigmen. Informatik muss man eigentlich nicht mehr können, sowas wie Mathe oder Verifikation kommt darin nicht mehr vor. Wichtig ist, dass die Build-Chain grün zeigt, dann ist alles gut.

Deshalb sucht man eigentlich auch keine Informatiker mehr, sondern Leute, die das Framework X oder das Tool Y beherrschen und sofort loslegen können. Man sucht Framework-Fachkräfte und Paradigmen-Priester. Vor einiger Zeit ging mal eine Stellenausschreibung herum, bei der als harte Bedingung dringstand, mit irgendeiner Software mindestens 5 Jahre Erfahrung zu haben, die es erst seit 3 Jahren gab.

Ich habe ähnliche Effekte in der Bastelelektronik erlebt. Vor 30 Jahren hat man da noch Platinen gelötet, Transistorschaltungen berechnet, Kühlkörper dimensioniert. Heute bestellt man sich fertige Module aus China, steckt die per serieller Schnittstelle zusammen, lädt sich die Beispielprogramme runter und schiebt sie mit der Maus zusammen. Draufklicken, fertig.

Dazu ein enormer Schwätzer vor dem Herrn:

Bongartz: »Wir achten besonders auf die Persönlichkeit der Bewerber:innen. Neugier, Ehrgeiz und der Wunsch, mitzugestalten, sind fast wichtiger als der berufliche Hintergrund und die Erfahrung in konkreten Jobprofilen. Kompetenzen lassen sich aufbauen, wenn der persönliche Drive da ist, sich weiterzubilden. Die Kultur in unserem Unternehmen ist sehr offen, die Hierarchien sind flach. Proaktivität ist daher ein entscheidendes Kriterium. Wir möchten Menschen, die von sich aus Ideen haben und nicht auf eine Anweisung warten, was sie zu tun haben.

Blafasel, blafasel. Auf Deutsch: Man muss gar nichts mehr können, man muss nur noch „gestalten wollen“. Und natürlich wollen sie keine Leute, die auf Anweisungen warten, weil sie ja auch niemanden mehr haben, der noch qualifizierte Anweisungen geben könnte.

Obwohl, eines haben sie doch:

Ein Hard Skill, den es bei uns aber schon braucht, ist Digitalkompetenz.

Ja … wenn man jetzt noch wüsste, was genau das sein soll. So als „Hard Skill“. Als ob man da irgendwas nachprüfen könnte. Zu faseln, warum Computer Frauen diskriminieren gilt heute auch schon als „Digitalkompetenz“.

Der Arbeitsalltag verändert sich gerade, wir kommunizieren viel über Videocalls. Vor allem aber entwickeln wir uns mehr zu einem GreenTech-Unternehmen – da ist ein sicherer Umgang mit Technologie wichtig.

Ach so, das ist „Digitalkompetenz“: Unfallfrei an einer Zoom-Konferenz teilnehmen zu können.

Und was treiben die da?

Das Ziel von LichtBlick ist, den Energiemarkt zu verändern und nachhaltiger zu machen. Daher ist uns auch die Werteorientierung der Bewerber:innen wichtig.

Also gar nichts außer Zeitgeistmelken. Da muss man nicht viel digital drauf haben.

Dann noch ein Prof der FU Berlin der das „Institut Futur“ leitet. Als ob da überhaupt noch irgendwas Konkretes rauskommen könnte.

De Haan: »Hard Skills wie Programmieren sind gar nicht so entscheidend, denn ein grundsätzliches digitales Verständnis bringen die meisten Bewerber:innen sowieso mit. Durch die Tools und Kurse, die es heute gibt, kann man in zwei Monaten lernen, wie man ein selbstfahrendes Auto programmiert – in Zukunft werden sich die meisten Programme ohnehin von selbst schreiben.

Pfffr. Programmieren muss man nicht können, weil sich in Zukunft Programme von selbst schreiben.

Und was man bis dahin braucht, kann man in zwei Monaten lernen.

Und in drei Monaten schafft man es zum Professor an der FU Berlin. Da muss man nämlich auch nichts können.

Wichtiger sind daher die sogenannten 21st Century Skills: Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, Kollaboration. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Gesamtintelligenz einer Gruppe höher ist, je heterogener sie aufgestellt ist. Es bringt also nichts, die vermeintlich schlauesten Menschen zusammenzupacken – zielführender sind diverse Gruppen. Und in diese Teams bringt man dann seine jeweiligen Kompetenzen ein.

Sozialistische Ideale: Intelligenz zählt nicht mehr, sondern die politische korrekte Mittelmaßmischung. Berliner Mischung. Man kann durchaus ein Team aus Dummen haben, solange alle Geschmacksrichtungen drin sind.

Meist muss jemand Code können, aber nicht alle. Jemand anderes versteht davon nichts, kann aber Projekte pitchen und die gemeinsame Arbeit strukturieren. Daher ist eine zentrale Kompetenz der Zukunft, mit Menschen verschiedenster Backgrounds zusammenarbeiten zu können – dazu gehört auch eine Art gemäßigter Humor und die Fähigkeit, Sympathien auszudrücken. Einzelkämpfer:innen werden es immer schwerer haben.

Grammatik wie „Ich habe Rücken“. „Ich kann Code.“

Und zwar so, dass jemand das ganze leiten kann, der von alledem nichts versteht. Weil nur so die Quoten zu erfüllen sind.

Und genau so sehen dann die Ergebnisse aus.

Was machen wir eigentlich, wenn sich die Programme dann doch nicht selbst schreiben?

Oder die Piloten und Chirurgen das auch gerne so hätten, dass eigentlich keiner mehr Ahnung haben muss, aber im Cockpit oder OP ne schöne bunte Mischung steht?

Und damit will man an die IT-Weltspitze?

Einzelkämpfer werden es nicht schwer haben. Sie werden sich da raushalten. Ein paar werden noch als hochbezahlte Feuerwehrleute kommen, wenn es anbrennt.

Eine andere Kompetenz, die wichtig wird, ist das grundlegende Verständnis von Daten. Wir befinden uns im sogenannten vierten Paradigma der Wissenschaft. Erst kam die Empirie, dann die Theorie, darauf folgte die Simulation – und jetzt herrscht das vierte Paradigma der Datenmengen. Und das ist im Grunde das, was die Klimaforschung macht: riesige Datenmengen verarbeiten.

Wer gibt eigentlich so einen Blödsinn von sich? Der:

Gerhard de Haan studierte nach seinem Abitur am Albertus-Magnus-Gymnasium in Friesoythe von 1972 bis 1978 Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Freien Universität Berlin. Zwischen 1978 und 1983 war er wissenschaftlicher Assistent für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Freien Universität Berlin. 1983 wurde er mit einer Arbeit zum Thema Natur und Bildung. promoviert. Von 1983 bis 1988 war er Hochschulassistent für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Freien Universität Berlin und habilitierte 1989 mit der Schrift Die Zeit in der Pädagogik.

Ein Erziehungswissenschaftler will uns erzählen, wie das Programmieren geht. Klar, dass der als Lobbyist der Inkompetenten auftritt und uns einen erzählt, wo wir den von den Geisteswissenschaften produzierten berufsaussichtslosen Ausschuss noch unterbringen und huckepack mitschleppen sollen. Man versucht nun mit allen Mitteln, die Heerscharen von erwerbsunfähigen Geisteswissenschaftler mit solchen Narrativen in der IT unterzubringen.

Und noch eine von Daimler:

Rosendahl: »In der Transformation, in der sich die komplette Automobilindustrie gerade befindet, gewinnen zukunftsorientierte Skills zunehmend an Bedeutung – beispielsweise digitale Schlüsselkompetenzen wie Medienkompetenz, Anwendungs-Know-how und auch ein grundlegendes Verständnis für Digitalisierung und IT. Aber auch die Entwicklung neuer Arbeitsformen, die neue Fähigkeiten der Sozial- und Methodenkompetenz erfordern. Was dabei zentral ist: Jede:r sollte bereit sein zu lebenslangem Lernen und lebenslanger Veränderung.

Auf Deutsch: Dieselmotoren brauchen wir ja nicht mehr, und die Elektroantriebe kommen künftig aus China. Also konzentrieren wir uns darauf, das Bordentertainment hübsch zu gestalten.

Und was man mit dieser Herangehensweise so bekommt, beschreibt ein anderer:

Wir erleben häufig, dass Jugendliche zwei Minuten vor Beginn einer Veranstaltung bei uns absagen. Sie haben das Gefühl, dass das völlig in Ordnung ist – und das ist es bei uns auch. Aber wir stellen sie darauf ein, dass das bei Bewerbungsgesprächen nicht gut ankommt. Was die Jugendlichen alle mitbringen, sind Spontaneität und Flexibilität, sie sind immer erreichbar. Gleichzeitig wird es dadurch aber immer wichtiger, ihnen wieder soziale Kompetenzen wie Pünktlichkeit und Verbindlichkeit nahezulegen.«

Wir werden gerade deingenieurisiert.

Im Prinzip macht man nichts anderes, als eine ganze Gesellschaft auf Bullshit-Jobs umzustellen, in denen man nur noch die Illusion hat, man würde irgendwas arbeiten. Kommt dann alles aus China.

Ständig heißt es, wir wollten an die IT-Weltspitze.

Tatsächlich aber werden wir eine Gesellschaft von Unfähigen, Befähigungslosen, Unwilligen, und die IT zum Vehikel, ihnen und Dritten vorzugaukeln, sie würden noch irgendwas arbeiten oder produzieren.

Faktisch wird der IT-Bereich damit zur Beschäftigungstherapie und Versorgungsanstalt für Geisteswissenschaftler und Zeitgeistverstrahlte. Das war absehbar, denn die produzieren wir immer mehr ohne zu wissen, wohin damit. Und die IT soll jetzt das Endlager abgeben.

Diese Art der Softwareerstellung habe ich zu einem gewissen Grad miterlebt – und die Schnauze gestrichen voll davon. In mehrererlei Hinsicht. Von der Arbeitsqualität. Von der Arbeitseffizienz. Vom Umgang miteinander. Von den Gesellschaftstänzen, Andachten und dem ganzen Gehampel.

Und davon, dass immer mehr Veranstaltungen in so einem Umfeld stattfinden, bei denen ich mir wieder vorkomme wie im Kindergarten. Wenn ich dann mit Wachsmalstiften Bilder auf bunte Pappkärtchen malen soll, weil das dem Niveau irgendeiner Postentussi als Quereinsteiger-Mutti entspricht und die mit den Leuten so umgeht wie mit ihren Kindern im Kindergarten.

Auf der anderen Seite war und bin ich immer wieder entsetzt, wie wenig bis gar keine IT-Sachkunde selbst in IT-Abteilungen noch besteht.

Die ganze IT wird gerade darauf umgestellt, von Inkompetenten betrieben zu werden.

Und das wird richtig schief gehen.