Ansichten eines Informatikers

Vom Promovieren in Innsbruck und anderen akademischen Unfällen

Hadmut
4.11.2021 12:40

Ein Leser meint, ich hätte nach Innsbruck gehen sollen, dort könne man einfach alles als Dissertation abgeben.

Er bezieht sich auf einen Artikel in der FAZ über „Stilblüten aus neuen Dissertationen“, was sehr milde verschleiert, dass es eigentlich darum geht, was für ein unglaublicher Blödsinn an deutschsprachigen Universitäten als Dissertation durchgeht.

So etwa heißt es über eine Dissertation an der ohnehin schon überaus dubiosen Leuphana Universität Lüneburg über „Die Kunst der Einfachheit“ :

„Heute ist vieles komplex, so komplex, dass wir uns zunehmend nach Einfachheit sehnen. Doch wenn wir vor Konzepten der Einfachheit stehen und die Komplexität vermeintlich überwunden ist, eröffnet sich die weitreichende Frage, ob es etwas Komplexeres gibt als Einfachheit.“ Nach 200 Seiten wird die Frage dann in den Schlussbemerkungen beantwortet: „Durch die weitreichenden Gedanken ist der Umgang mit der Einfachheit nicht zwingend einfacher geworden. Die Einfachheit hat sich in der vorliegenden Arbeit in ihrer Komplexität und in ihrem äußersten Reichtum fortwährend verdichtet, und drohte sich dabei wiederkehrend des klaren Blickes zu entziehen.“

Was ja eigentlich heißt, dass das Thema zwar Einfachheit, aber für den Kandidaten (oder die Prüfer) zu schwer war und die das eigentlich nie gelesen haben. Man kann jeden beliebigen Mist als Dissertation abgeben. Und dass nicht mal die Prüfer und Gutachter die lesen, habe ich ja aufgezeigt.

Es fällt dabei auf, dass der Blödsinn eigentlich immer in Kunst- und Geisteswissenschaften eingereicht wird, und fast immer von Frauen. Einfach irgendein x-beliebiges Geschwafel einreichen, dessen Inhalt egal ist, weil es ohnehin niemals irgendwer lesen wird. Nicht mal die Prüfer. Der Steuerzahler zahlt’s ja.

Der Leser bezieht sich nun auf ein Beispiel aus Innsbruck:

Nicht immer ist es einfach, zu forschen, erfahren wir in der Dissertation „Flucht als Überlebensstrategie“ (Universität Innsbruck): „Als weiße privilegierte Wissenschaftlerin bin ich bei der Auseinandersetzung mit widerständigen Praktiken von marginalisierten und Rassismus erfahrenden Menschen zudem mit der Problematik der eigenen Involviertheit in diese Ungleichheitsverhältnisse konfrontiert.“ Die Arbeit entstand trotzdem. Denn sie versteht sich als Beitrag zu einer widerständigen Praxis der Wissensproduktion, die jenseits historischer Wir-und-die-Anderen-Konstruktionen den Versuch unternimmt, „mit Hilfe der Perspektiven und Erzählungen FluchtMigrierender polarisierende Denkmuster zu entlarven“. Die Autorin erfindet den Begriff „FluchtMigrierende“ und konstatiert ein europäisches Grenz- und Migrationsregime mit massiver Gewalt. Sie will aber nicht nur erklären und einordnen, sondern „eingreifende Wissenschaft“ betreiben. Das bedeutet also, irgendwie Politik machen.

Was, nebenbei bemerkt, verfassungswidrig ist, oder jedenfalls war, als wir noch Verfassungsrecht und Verfassungsgericht hatten, weil genau das die Grenze zwischen Wissenschaft und Politik überschreitet, die mal gezogen wurde. Zeigt aber wieder mal, dass der ganze Hochschulkomplex längst mit Wissenschaft nichts mehr zu tun hat und politisch missbraucht wird.

Gerade auch an so einem kurzen Stück Text merkt man, wenn man die üblichen Texte kennt, dass da kein rationaler Gedanke dringsteckt, sondern einfach nur die einschlägigen geisteswissenschaftlich-linken Standardphrasen einmal geschüttelt und in beliebiger Mischung ausgespuckt werden, denn beim Bullshit-Bingo holt man damit den High-Score. Formlierungen wie „weiß privilegiert“, „widerständige Praktiken“, „marginalisierten“, „Rassismus erfahren“, „Ungleichheitsverhältnisse“, „Perspektiven“, „Denkmuster“, „entlarven“ ist das Standard-Vokabular inhaltslosen GW-Geschwätzes, bei dem es auf den Sinn nicht mehr ankommt, sondern nur die Zahl der Haken auf der Bullshit-Bingo-Karte. Es geht da nur noch darum, die Rudelzugehörigkeit zu signalisieren, indem man die einschlägigen Formulierungen um sich wirft, egal wie dumm das Geschwätz ist, was man damit baut.

Autorin eine Frauke Schacht.

Diese Dissertation gibt es natürlich auch als Buch zu kaufen, und in der Verlagsbeschreibung heißt es:

Die Publikation liefert eine konzeptionelle Idee für eine zukünftige Forschung zum Thema Flucht, die die Perspektive der Flüchtenden ins Zentrum stellt.

Die öffentlichen Bilder und Diskurse über die jüngsten Fluchtmigrationsbewegungen lösen im Kontext des europäischen Grenzregimes eine Art moralische Panik aus. Im Gegensatz dazu plädiert Frauke Schacht für eine Denkhaltung, aus der Menschen als handelnde Personen, als Expert*innen ihres eigenen Lebens in Erscheinung treten: Eine Haltung, die nicht nur die hegemoniale Normalität dekonstruiert, sondern neue Perspektiven auf marginalisierte Geschichten, alltägliche Erfahrungen und kreative (Über-)Lebensstrategien eröffnet. Damit liefert sie eine konzeptionelle Idee für eine zukünftige Forschung zum Thema Flucht, die die Perspektive der Flüchtenden ins Zentrum stellt.

Was nicht nur der Inhaltsangabe nach schon keinerlei wissenschaftliche Substanz hat und rein politisch-ideologisches Geschwafel ist, das an einer Universität wirklich gar nichts zu suchen hat, sondern nach seinem Inhaltsverzeichnis auf dem Diskursfirlefanz von Michel Foucault beruht und deshalb ohnehin frei erfundener Blödsinn ist, aber ebenso, wie das Bullshit-Bingo auf Amygdala-Ebene funktioniert, weil die Geisteswissenschaften eben keien Wissenschaften, sondern schlicht Rudel sind, bei denen man die Zugehörigkeit durch Darbieten der Rudelmerkmale erwirbt, also durch

  • Ostentativen Verzicht auf jegliche Wissenschaftlichkeit
  • Beherrschung des Phrasenwortschatzes durch Darbietung von damit möglichst vollgestopften Sätzen, auf deren Sinn oder überhaupt deren Sinnhaltigkeit es nicht ankommt,
  • Zitieren der Autoritäten
  • Bekenntnisabgabe zur Fakultätsreligion

Aber: Was will man von der Uni Innsbruck auch noch erwarten. Wäre ich bösartig, könnte ich fragen, auf welcher Grundlage man als Deutscher von der Uni Innsbruck auch noch mehr erwarten könnte, als die deutschen Universitäten selber leisten.

Wechseln wir zur Universität Bonn. Die dortigen Doktoreltern hätten aus zwei Gründen bei diesem Halbsatz über die Todeszahlen durch den Zweiten Weltkrieg (60 bis 80 Millionen Menschen) eingreifen müssen: „Die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten hatte nicht nur das Leben sechs Millionen unschuldiger Menschen zur Folge“. Darüber hinaus glänzt die Dissertation „Zur Begründung und Tragweite der Menschenwürde am Beispiel der Volksrepublik China und der Islamischen Republik Iran“ mit zahlreichen weiteren Fehlern, die wir uns hier ersparen.

Es hat nicht nur keinen wissenschaftlichen Gehalt mehr, es ist auch sachlich nicht richtig. Es wird einfach nur noch marxistischer ideologischer Mist rezitiert und durch Wiederholung beglaubigt.

Dürfen wir der Autorin des Werkes „Die Tradition staatlicher Interventionen in den Mietwohnungsmarkt“ Naivität unterstellen, zumal sie an der HU Berlin promoviert wurde? In Gedanken an den hauptstädtischen Flughafenbau lesen wir zur Finanzierung von Wohnungsneubauten: „Ein privater Investor, dem Bauland und finanzielle Mittel von einer Milliarde Euro zur Verfügung stünden, wäre sicher in der Lage ein finanziell tragbares Konzept zu entwickeln mit dem der Bau jährlich bis zu hunderttausend Wohnungen sichergestellt wäre. Dies sollte man auch vom Staat erwarten können.“ Wie bitte? Ernsthaft? Übrigens: Die fehlenden Kommata haben nicht wir zu verantworten.

Mit einer Milliarde Euro hunderttausend Wohnungen bauen. Da wären mir die Kunst der Division schon wichtiger als die Kommata, wenn da nicht auch noch „jährlich“ stünde. Das macht die Division natürlich schwierig, wenn es nicht mal um hunderttausend Wohnungen geht, sondern die permanente Produktion von hunderttausend Wohnungen jährlich.

Marxistisches Wirtschaftsdenken eben, aber an der HU Berlin geht sowas natürlich durch.

Bedauerlicherweise ist die Verblödung des Hochschulwesens doch nicht auf Kunst- und Geisteswissenschaften beschränkt, sondern ergreift auch die Medizin:

Ganz herausragend, ohne jede Ironie, finden wir schließlich eine Kurzerläuterung, die wir in der Heidelberger Dissertation „Schnelle MR-Bildgebung und Tumortracking für die MR-geführte Strahlentherapie“ gefunden haben. Bevor die komplexe wissenschaftliche Darlegung beginnt, schreibt der Autor für Leser wie uns, wie er die Arbeit einem Grundschulkind erklären würde:

„Stelle dir vor, du wärst ein Jäger und müsstest auf ein umherlaufendes krankes Tier schießen. Um diese Aufgabe noch schwerer zu machen, müsste dir der Treffer blind, mit geschlossenen Augen gelingen. Die einzige Möglichkeit, die dir bleibt, ist wohl auf das ganze Feld zu schießen, in dem sich das kranke Tier bewegt. Durch den Beschuss einer so großen Fläche wirst du es wahrscheinlich treffen, ebenso aber auch gesunde Tiere in dessen Nähe. So in etwa konnte man sich lange Zeit die Bestrahlung eines Tumors in der Lunge vorstellen. Dieser befindet sich aufgrund der Atmung immer in Bewegung. Um den Tumor zu treffen, musste man eine viel zu große Fläche bestrahlen und traf auch gesunde Stellen des Körpers. Mit neuen Geräten ist es heute endlich möglich, den Tumor während der Bestrahlung zu sehen. Wir wissen also, wohin wir schießen müssen und treffen dann nur noch das kranke Tier. Wir öffnen dem Jäger die Augen!“

Zu meiner Zeit wäre sowas das Niveau der 6. oder 7. Klasse in der Schule gewesen.

Woher kommt sowas? Wie ist das möglich?

Naja, einmal natürlich, weil – wie ausführlich bewiesen und dargelegt – Dissertationen gar nicht mehr gelesen werden, nicht mal durch die Prüfer. Es ist längst gängige Praxis und Standard an Universitäten, dass Gutachten, Bewertungen, Noten blind und willkürlich vergeben werden. Und das nicht nur versehentlich. Es führte ja zu keinerlei Aufregung und Schuldbewusstsein, als ich das reihenweise Professoren nachgewiesen und vorgehalten habe. Die verstanden gar nicht, was ich von ihnen wollte, weil die das für normal hielten. Als ich vor 15 Jahren mal Webseiten zum Prüfungsrecht gemacht habe, rief mich mal ein Professor konsterniert an, dass das doch gar nicht sein könne, dass man dagegen klagen kann. Er habe doch die Freiheit von Forschung und Lehre, und könne einfach machen, was er will.

Faktisch kann er das sogar, aber mit Freiheit von Forschung und Lehre oder mit Recht hat es nichts zu tun, sondern nur mit Korruption, Politisierung und der Totalverblödung des akademischen Apparates.

Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr fällt mir auf, dass die Universitäten längst enthirnt sind. Und ich meine das nicht als Metapher oder Schmähwort, sondern mit Bezug auf meine Ausführungen zum Großthema Amygdala ganz explizit so, dass Universitäten mit rationalem Denken nichts mehr zu tun haben. Dieser Teil des Gehirns spielte da keine Rolle mehr.

Der ganze Universitätskram, dieses Gerechtigkeitsgehampel, dieser Teilhabeblödsinn, es sind alles Rudelrituale, Aufnahmerituale, Initiierungsrituale, die nicht auf Leistung und Können beruhen, sondern nur noch darauf, dass man zeigt, dass man sämtliche Tribezeichen des Rudels beherrscht und darbieten kann, also die Freundkennung besteht, und sich zu den Leithammeln bekennt.

Rational, intellektuell, akademisch ist da gar nichts mehr.

Und der größte wissenschaftliche Fehler der Neuzeit ist, diese Spezies „homo sapiens“ zu nennen. Das sind sie nicht, die sind nicht „sapiens“, wissend. Das sind reine Rudelautomaten. Geistig kaum höher als irgendein beliebiges Rudel Säugetiere. Nur mit Handy und Pensionsanspruch.

Und dazu kam dann noch, dass man sich das Erreichen der Frauenquote mit der Akzeptanz des bodenlos Dummen erkauft hat, weil die angestrebte Quote weit über der Zahl der qualifizierten und willigen Bewerberinnen lag, und man deshalb die Anforderungen einfach völlig nach unten aufgeklappt hat.

Sowas bekommt man nicht mehr repariert.

Der zentrale Fehler daran ist, dass hier eigentlich nicht die Doktorandinnen am Pranger stehen müssten, sondern deren „Doktorväter“ (und meist -mütter), die solchen Schwachsinn durchwinken, und die Politik, die solche Leute überhaupt zur Immatrikulation gebracht hat.

Man hätte solchen Leuten niemals die Hochschulreife attestieren dürfen.

Und damit sind wir wieder bei einem meiner Steckenpferde, nämlich dem selbstverstärkenden Fehler. Warum lesen die Prüfer die Dissertationen nicht mehr, bemerken deren Dumpfsinn nicht mehr?

Eine richtig gute Dissertation kann man vernünftig lesen. Man wird vielleicht die Details und die Beweise, den Formalapparat nicht auf Anhieb verstehen, aber man kann recht schnell erkennen, worum es eignetlich geht, was das Problem ist, und was der Doktorand an Neuem bringt. Wenn dann der Prüfer selbst befähigt ist, und den Doktoranden auch schon betreut hat, und die Dissertation aus ihrer Entstehung kennt, passt das recht schnell und effizient zusammen.

Je schlechter eine Dissertation ist, desto schwerer ist sie zu lesen. Lesbarkeit ist nicht nur ein Gütekriterium, sondern ein schlechter Autor kann dem Ding auch keine Struktur, keine Linie, kein Thema, keine Verständlichkeit geben. Dazu kommt, dass es in vielen Gebieten nicht nur üblich, sondern bitter nötig ist, seine Texte unlesbar zu halten, weil man schlicht nichts zu sagen hat und weiß, oder nur Blödes. Gerade bei Philosophen, Soziologen, Kulturkram ist das oft extrem wichtig, dass den Text keiner versteht, damit man nicht merkt, dass gar nichts, nur Banales, oder schlicht Falsches und Dummes drinsteht. Das macht das Lesen sehr zeitaufwendig, und darin liegt auch die Überlebensstrategie heutigen Promotionswesen: Hoffentlich liest das keiner.

Wenn dann aber der Dumpfsinn in der zweiten Generation vorliegt und die erste Generation selbst zu Professoren und Prüfern geworden ist, die selbst nicht mehr in der Lage sind, eine Dissertation zu lesen und zu bewerten, dann ist das alles kaputt, dann kommt man da nicht mehr raus.

So schön, treffend und unterhaltsam also dieser Artikel in der FAZ von Jochen Zenthöfer ist, eines muss ich ihm ankreiden. Dass er das alles nur zu Vergnüglichkeit und einer gewissen Schadenfreude herabstuft.

Eigentlich müsste man die Doktorväter, die Prüfer und das ganze Hochschulsystem gnadenlos dafür an die Wand stellen, was für einen Dummenzoo sie da angerichtet haben.

Geht aber nicht, weil die FAZ das Lobbyblatt der Professoren ist – oder zumindest früher mal war.