Wann gehen wir kaputt?
Ich habe darüber nachgedacht.
Das Ergebnis war negativ.
Ich habe ja nun schon öfter eine Blogartikel geschrieben, in denen ich verschiedene Formen des gesellschaftlichen Zusammenbruchs beschreibe. Intellektuell. Technisch. Wissenschaftlich. Politisch. Finanziell. Und eigentlich in jeder anderen Hinsicht.
Ich sehe eigentlich gerade gar nichts, von dem ich erwarten würde, dass es die nächsten 50 Jahre noch funktionieren wird. Was kein zufällig gewählter Zeitraum ist, sondern bei meinem Alter (55) die Zeitspanne meines bewussten Erlebens und meiner Lebenserfahrung. Ich kann mich über die letzten 50 Jahre erinnern, dass es etwa 30 Jahre lang, bis etwa ins Jahr 2000, kontinuierlich bergauf ging, wir gebaut haben, wir uns verbessert haben. Schon allein, weil ich als Kind noch Trümmer, Ruinen, Schäden des zweiten Weltkriegs gesehen, sogar mal in einem Haus gewohnt habe, bei dem man im Dachstuhl noch sehen konnte, dass mal eine Fliegerbombe (Blindgänger) eingeschlagen hatte, was man repariert hatte, aber mit Baumaterial, das vom Stil nicht zum Rest gepasst hatte. Ich habe da noch so eine Aufbauphase miterlebt. Wie man Brücken und Autobahnen eingeweiht hat, wie meine Schule vom alten Feuerzangen-Gebäude ins moderne Bildungszentrum umzog. Einen ähnlichen Effekt habe ich in meinen vier Jahren in Dresden erlebt, wo es noch viele DDR-Ruinen gab, die man Stück für Stück renovierte oder ersetzte.
Seit Ende der 90er Jahre, sehe ich aber einen Prozess des (dekadenten) Zerfalls, der gesellschaftlichen und akademischen Verblödung und Selbstzerstörung.
Aber auch der Infrastruktur. Ob nun in der Abschaltung von Kraftwerken und der Abschaffung von Verbrennungsmotoren, oder eben in maroden Brücken. Gerade antwortete mir jemand, dass man auch in Hannover alle 35 Brücken des Schnellweges abreißen und neu bauen muss.
Ich sehe Zerfall.
Ich wohne inzwischen knapp zehn Jahre in Berlin. Und mir kommt es so vor, als ob sich Berlin in dieser Zeit rapide verschlechtert hat. Aus einer Stadt, die eine gewisse Kultur und Unterhaltung bot, ist eine Stadt des Streites, des Krieges, der Kriminalität geworden.
Nur glaube ich nicht, dass wir als Gesellschaft noch in der Lage sind, auch nur den Erhaltungsaufwand zu erbringen. Das Problem ist nämlich, dass wir eine Gesellschaft, eine Infrastruktur, einen Lebensstil gebaut haben, der uns zwar in einem Luxus leben lässt, um den uns alle beneiden. Der aber einen Erhaltungsaufwand mit sich bringt, den außer denen, die das alles aufgebaut hat, niemand zu erbringen willens oder in der Lage ist. Dieser Erhaltungsaufwand hat uns als gesellschaftlich überfordert. Deutlichstes Anzeichen für den Zerfall war, dass wir eine Gesellschaft gebaut haben, in der Frauen so gut, so sicher, so komfortabel, so bequem, so luxuriös leben, wie noch nie in der Geschichte der Menschheit zuvor, und nirgendwo sonst. Nie ging es Menschen in der Menschheitsgeschichte jemals so gut wie den Frauen unserer Gesellschaft, und nie zuvor hat sich irgendwer so darüber beschwert und beklagt, und so wenig zum Selbsterhalt beigetragen.
Das Problem ist der Erhaltungsaufwand. Wir haben eine Gesellschaft gebaut, die zu erhaltungsteuer ist. Weil sie so gebaut ist, dass nur der weiße Mann sie erhalten konnte.
Man schimpft bei jeder Gelegenheit auf die alten weißen Männer. Aber die sind die, die das alles aufgebaut haben. Und die sind halt jetzt alt, gehen in Rente, werden krank, sterben weg, oder haben – wie ich und wie mir viele schreiben – keinen Bock mehr, sich für diese Gesellschaft noch aufzureiben, oder gehen einfach weg, ins Ausland. Man versucht gerade, den alten weißen Mann zu vertreiben. Und merkt nicht, dass der alte weiße Mann schon weg ist.
Viele reden davon, dass wir als Gesellschaft geplündert, übernomman, verdrängt werden, dass wir Gegenstand einer Invasion, Übernahme, Besatzung seien. Äußerlich gesehen stimmt das sogar. Aber innerlich nicht. Weil wir eine Selbstzerstörungsgesellschaft sind. Der Selbstzerstörungsmechanismus wird automatisch aktiviert, wenn der weiße Mann geht. Wir sind eine nicht übernehmbare Gesellschaft. Man hält uns gerne für eine Einwanderungsgesellschaft und erklärt uns zu seiner solchen. Das ist Wunschdenken, aber es stimmt nicht. Das glaubt, hofft, wünscht man sich nur. Wir sind eine Gesellschaft mit Selbstzerstörungsautomatismus, der ausgelöst hat.
Eigentlich wollte ich schreiben, wie ich vermute, wie diese Gesellschaft zu Ende gehen, zerfallen wird. Weil sie eine Gesellschaft ist, die nichts mehr hervorbringt, sondern nur noch von der Substanz lebt. Und zwar noch so lange, wie noch Substanz da ist. Aber wie ich so darüber nachdenke, wie das weiter in den Abgrund führen wird, komme ich zu dem Schluss, dass das eigentlich falsch ist. Denn diese Gesellschaft ist nicht auf dem Weg in ihr Ende. Diese Gesellschaft ist bereits beendet.
In dem Moment, in dem die Selbsterhaltung ausfällt und man nur noch die Substanz und die Vorräte wegfrisst, und keine Möglichkeit mehr besteht, diese wieder herzustellen, ist die Gesellschaft nicht mehr auf dem Weg in ihr Ende, dann ist sie bereits am Ende.
Wir sind keine Gesellschaft mehr. Wir nehmen nur irrtümlich die Anwesenheit der Leichenfledderer unserer eigenen Leiche und der Aasgeier als Gesellschaft wahr. Wie ein Hauptgericht, dass sich freut, ins Restaurant eingeladen zu werden.
Es gibt viele Leute, die meinen, dass der Streit um die Impfung die Gesellschaft spaltet, sie beschädigt, vernichtet.
Ich glaube, es ist umgekehrt. Ich glaube, dass der Corona-Streit Folge des gesellschaftlichen Zerfalls ist. Das war nur ein Kristalisationskeim.
Viele stecken gerade ihre Hoffnung in die Nach-Corona-Zeit, hoffen, dass das irgendwann mal vorbei ist und es dann wieder gut wird, wieder wie früher, wie „vorher“.
Aber das wird es nicht werden.
Wenn das Pferd tot ist, soll man absteigen.
Und wenn ich es recht bedenke, bin ich schon lange nicht mehr der Verteidiger dieser Gesellschaft, wie man es Leuten wie mir häufig vorwirft, wenn man sie als „rechte Blogger“, als „alte weiße Männer“, als Sexisten, Patriarchale, Misogynisten, Reaktionäre, Konservative, Maskulinisten und so weiter bezeichnet und ihnen vorwirft, den Verlust ihrer Privilegien und ihrer Männlichkeitskonzepte, ihrer Geschlechterrollen, ihrer Genderkonstrukte nicht verwinden zu können und dergleichen.
Ich bin der Voyeur und Chronist Eures Untergangs.