Ansichten eines Informatikers

Astrologie

Hadmut
4.5.2024 0:24

Was könnte dran sein?

Im ZDF macht Böhmermann gerade eine Sendung darüber, dass Astrologie völliger Quatsch sei.

Ich war eigentlich auch immer davon überzeugt, gerade weil ich wider Willen Astrologiewissen habe, denn mein Vater (ich hatte ja schon mal die Morität erzählt, warum ich Hadmut und nicht Hartmut heiße …) war grotesk abergläubisch, lebte in einer Welt aus Esoterik, in der alles irgendeine Bedeutung hatte, und man ständig mit ihm Krach bekam, weil er irgendwas für ungünstig hielt, worauf man nicht gekommen wäre und so weiter. Beispielsweise war er fest überzeugt, dass man zwischen Weihnachten und Neujahr keine Wäsche waschen dürfe (vorsorglich am besten gleich bis DreiKönige), weil sonst jemand im kommenden Jahr sterbe. Ich habe mich mal mit ihm angelegt, weil ich nachgelesen habe und der Brauch zwar existiert, sich aber nicht auf das Waschen, sondern auf das Aufhängen von Wäsche zum Trocknen im Freien beziehe, weil sich böse Geister darin verfangen könnten. Der Versuch scheiterte, ihn davon zu überzeugen, dass ich Klamotten wasche und nicht aufhänge, sondern in den Wäschetrockner stecke, und die Geister schon sehen würden, was sie davon haben, wenn sie im Trockner mitfahren. Vergebens. Selbstverständlich hat es im Haus auch gespukt. Die Vorfahren und so weiter. Also immer dann, wenn es esoterischen Erklärungsbedarf gab.

Und solche Vorfälle wie Weihnachten und Silvesterfeiern wurden gnadenlos und unerbittlich nach dem immer selben Programm abgezogen, ob man wollte oder nicht. Weil das sonst Unglück für das neue Jahr brächte. Ich persönlich war ja der Meinung, dass es mehr Unglück für das neue Jahr bringt, wenn das Jahr mit schlechter Laune beginnt, weil ich nicht mit Elan beim Bleigießen war oder das Tischfeuerwerk vor dem Bleigießen gezündet habe – oder vergessen, Dinner for One einzuschalten.

Das hat in mir eine tiefe Aversion gegen diese kalendarisch angeordnete und völlig humorlos duchgezogenen Pflichtfeiern hinterlassen, ich kann Weihnachten und dergleichen nicht ausstehen, und mit dem ganzen Aberglauben- und Geisterkram braucht man mir erst gar nicht zu kommen.

Und natürlich musste für alles und jedes das Astrogramm befragt werden. Soll man oder soll man nicht? Ist der Zeitpunkt günstig oder nicht? Und natürlich Sternzeichen. Der wusste immer schon alles über den Charakter eines Menschen, noch bevor er ein Wort gewechselt hatte. Heute würde ich sagen, Amygdala-Sausen, ein völlig überdrehtes Rudeldenken.

Ich hatte mich mal mit dem Astrologie beschäftigt, weil er von mir wollte, dass ich ihm Software schreibe. Gut, dachte ich, das Astrogramm an sich sei ja noch eine strikte astronomische Angelegenheit, eben in einer bestimmten Notation, ein Astrogramm auszurechnen und auszudrucken sollte Mathematik straight forward sein und die Fleißarbeit für die Graphik, und der Humbug dann mit der Auslegung losgehen. Und wollte das in Softwaregießen, so um 1992 herum war das. Und habe das Gruseln gelernt. Es war nämlich sehr schwer, ein Buch zu finden (mit lausig schlechter Software), in dem überhaupt erklärt wurde, wie man die Ephemeriden berechnet, und nicht aus Ephemeridenbüchern per Hand interpoliert. Für die Planetenbahnen gibt es Polynome, mit denen die näherungsweise numerisch berechnet werden können, die aber – Stand damals – nicht öffentlich waren, weil man ja die Ephemeridentafeln verkaufen wollte. In dem Buch stand zumindest etwas, was ich dann auch programmiert habe, und dann zur Kontrolle überprüfen wollte, ob das mit den Tabellen übereinstimmt. Pustekuchen. Mir fiel dabei auf, dass schon die Tabellen verschiedener Verlage nicht übereinstimmten, und dass in dem, was man Vater immer per Hand rechnete, jede Menge Rechenfehler waren. Dass es also eigentlich schon an dem Teil scheiterte, der noch mit der astronomischen Berechnung zusammenhing, die ja noch eine mathematisches Ding ist. Bis dahin hatte ich gedacht, dass das präzise ausgerechnet und dann nur irgendein Käse reininterpretiert wird, aber damals habe ich gemerkt, dass schon die Berechnungen nicht stimmen. Und mir fiel ebenso auf, dass für manche Berechnungen die Geburtszeit minutengenau berechnet wird (Mond), man sie aber gar nicht mit dieser Genauigkeit hat. Ich bin damals zu dem Ergebnis gekommen, dass das nicht nur großer, sondern totaler Käse ist, und damit einfach nur viele Leute viel Geld machen. Aber er saß leidenschaftlich gerne da, hat mit seinem Zirkel in den Astrogrammen herumgestochert und daraus dann die Zukunft und den ganzen Lebenslauf herausgelesen.

Und dann heißt es immer „Die Sterne lügen nicht“, obwohl im Astrogramm genau genommen nur ein einziger Stern eine Rolle spielt – die Sonne. Die Sternzeichen sind zwar nach Sternbildern benannt, aber die bewegen sich nicht, die sind fix. Der Rest sind der Mond und die Planeten. Und die lügen wirklich nicht – weil sie nämlich schlicht gar nichts sagen.

Nein, ich bin auf Astrologie nicht gut zu sprechen.

Allerdings ist das Thema auch ziemlich tot. In den 70er, 80er und 90er ist man ja auf so etwas abgefahren, auch den „Biorhythmus“ von 23, 28 und 33 Tagen, mein Vater hatte extra einen speziellen Taschenrechner dafür. Ich habe das als Jugendlicher mal eine Zeit lang ausgerechnet und beobachtet und dabei festgestellt, dass daran einfach gar nichts stimmt, dass das Humbug ist, vor allem, nachdem mir die Mädchen in der Klasse sagten, dass sich „28“ zwar schon irgendwie nach Frau anhört, Frauen aber auch nicht lebenslang tagespräzise wie ein Uhrwerk ticken. Das habe ich auch schnell falsifiziert und verworfen.

Allerdings:

  • Zwei meiner Steckenpferde sind ja Korrelation/Kausalität und Rudeldenken.

    Und dabei ist mir aufgefallen, hatte ich neulich beschrieben, zumindest zur Zeit ihrer Entstehung durchaus einen sachlichen Grund gehabt haben könnte. Nämlich weil der Stand der Sonne (genauer: Die Position der Erde zur Sonne) durchaus großen Einfluss auf uns hat, sonst hätten wir ja keine Jahreszeiten. Früher, als die Astrologie enstand, arbeitete man noch draußen, hing mit Licht und Temperatur von der Sonne ab, und die Arbeitsbelastung, der Vitaminpegel (etwa D durch Licht) und die Ernährungslage hingen stark von der Jahreszeit ab.

    Es drängt sich aber geradezu auf, wie könnte es anders sein, dass die Versorgungslage und Arbeitsbelastung der Schwangeren Auswirkungen auf die Entwicklung des Fötus hat, vor allem in Gesellschaften mit knapper, karger Ernährung und harter Arbeit.

    Es dürfte also durchaus eine deutliche und wiederholte Korrelation zwischen körperlichen und charakterlichen Eigenschaften von Menschen und ihrem Geburtszeitpunkt haben, nämlich weil die Schwangere unterschiedlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist.

    Das wird man vermutlich beobachtet, aber nicht verstanden haben, und weil man Korrelationen für Kausalitäten hält, die Astrologie draus gemacht und gleich ein ganzes System dazu erfunden.

    Es erscheint mir also durchaus plausibel, dass es in früheren Zeiten ohne Heizung, mit viel Arbeit und schlechter Ernährung ohne künstliches Licht körperliche und charakterliche Eigenschaften mit der Jahreszeit korreliert sein könnten.

  • Gerade fiel mir über die Suchfunktion auf, dass ich 2013 schon einmal was dazu geschrieben hatte. Damals nämlich waren schon mal welche auf den Gedanken gekommen, dass die Eigenschaften eines Menschen tatsächlich von der Geburtsjahreszeit abhängen, aber sie machten das damals von Influenza-Viren abhängig.

  • Eben kam mir noch der Gedanke, dass die Kausalität auch genau umgekehrt liegen könnte. Dass also nicht die Jahreszeit die Eigenschaften bestimmt, sondern umgekehrt die Eigenschaften die Jahreszeit beeinflussen. Möglicherweise sorgen genetisch bedingte Vorlieben und Verhaltensweisen dafür, dass wir uns zu unterschiedlichen Jahreszeiten bevorzugt paaren. Vielleicht als Anpassung an die Umwelt.

    Ich kenne eine Familie, über deren Frühlingsgefühle ich immer gerne meine Witze riss, weil deren ganze Sippe allesamt zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar Geburtstag hat. Leute, legt los, es ist wieder Frühling!

    Könnte es also sein, dass nicht der Zeitpunkt der Geburt die Eigenschaften beeinflusst, sondern umgekehrt die Eigenschaften zu Vorlieben und Vor- und Nachteilen bei der Fortpflanzung führt?

    Dass also beispielsweise ein dynamischer, extrovertierter, Licht-orientierter Mensch eher im Frühling und Sommer aktiv wird, während ein introvertierter, passiver, grüblerischer Mensch eher der dunklen Jahreszeit in der Hütte etwas abgewinnen kann?

Ich halte nichts von Astrologie und dem ganzen Esoterik-Kram.

Ich weiß aber von Sagen und Märchen, und auch vom Kundensupport bei Internet-Providern, dass auch die schrägste Story oft einen wahren Anlass und Kern hat, der nur völlig falsch verstanden wurde. Man geht bei vielen von Grimms und anderen Märchen davon aus, dass die einen wahren oder realen Kern haben, der nur durch Erzählung immer mehr verformt wurde. So waren die Riesen die Köhler und die Zwerge die Bergleute.

Außerdem weiß ich viel über die Macht der Denkfehler, vor allem der Verwechslung von Korrelation und Kausalität, und wie solche Überzeugungen entstehen, und dann noch per Rudelmechanik ins Gehirn passen. Ich habe Leute wie meinen Vater erlebt, die die gesamte Menschheit in die 12 Rudel einteilen, ohne Entrinnen, und jedem zwangsweise seine guten und schlechten Eigenschaften zuordnen. Das gefällt, weil es rudelt.

Ich halte Astrologie für Quatsch, aber nicht für einen frei und völlig erfundenen Quatsch, sondern für das Produkt einer langen Kette vieler Denkfehler, voran eben Korrelation und Kausalität, und confirmation bias. Man kann an der Astrologie einiges über das menschliche Gehirn lernen. Es scheint durchaus so zu sein, dass es da echte Korrelationen mit der Jahreszeit gab, und das Hirn beim damaligen Stand des Wissens das ganze System der Astrologie dazugedichtet hat. Es dürfte nämlich außer Zweifel stehen, dass es eine Rolle spielt, ob die Schwangere genug zu essen und genug Mineralien, Vitamine und so weiter bekommt.

Dazu könnte die sogenannte „Epigenetik“ kommen. Man meint ja, Charaktereigenschaften in Zusammenhang damit setzen zu können, ob man als Kind oder ob sogar die Eltern vor der Geburt hungern mussten. Völlig ausschließen kann man den Einfluss „der Sterne“ nicht, denn Jahreszeiten haben wir durchaus.

Deshalb halte ich dann auch das, was Böhmermann da abliefert, wieder mal für dummes Zeug. Freilich ist die Astrologie Käse. Aber um das richtig zu erkennen, müsste man selbst erst einmal schlauer sein, und Böhmermann ist das nicht, der macht sich nur gerne über Leute lustig, ohne daran irgendetwas zu verstehen oder zu denken.