Ansichten eines Informatikers

Die Regierung darf die Social Media steuern

Hadmut
28.6.2024 12:48

Von der Rechtsprechung des US Supreme Courts.

Der Supreme Court hat laut dieser Meldung entschieden:

The United States Supreme Court has determined that the White House and other federal agencies can ask social media platforms to remove content they consider potentially harmful misinformation.

Die Regierung und einige Bundesbehörden können also nach Belieben Informationen aus den Social Media löschen lassen, wenn sie sie als potentiell gefährliche Falschinformation betrachten. Wohl gemerkt: Nicht erst, wenn sie falsch sind, sondern wenn die Regierung sie als falsch und schädlich betrachtet.

Political analysts consider this a victory for the Biden administration as the President seeks reelection in a heated Presidential race. At the same time, some opponents argue that the decision undermines First Amendment rights.

Hintergrund ist wohl der Wahlkampf Trump/Biden, womit die Regierung dann einfach Argumente des Gegenkanditaten löschen lassen kann. Kritiker halten das natürlich für eine Verletzung der Redefreiheit.

So ganz verstanden habe ich es nicht, denn es erscheint mir widersprüchlich. Mir ist nämlich nicht ganz klar, wer da Kläger und Beklagter war.

In dem Fall ging es wohl um den „Surgeon General“ (der leitende Oberarzt oder Sprecher er Ärzte eines Bundesstaates oder des Bundes, wohl so eine Art medizinisch leitender Gesundheitsminister, hier des Bundes, Vivek Murthy, der von Obama eingesetzt, von Trump gefeuert und von Biden wieder eingesetzt wurde) und der habe wohl gegen den Staat Missouri geklagt. In der Entscheidung heißt es:

Under their longstanding content-moderation policies, social-media platforms have taken a range of actions to suppress certain categories of speech, including speech they judge to be false or misleading. In 2020, with the outbreak of COVID–19, the platforms announced that they would enforce these policies against users who post false or misleading content about the pandemic. The platforms also applied misinformation policies during the 2020 election season. During that period, various federal officials regularly spoke with the platforms about COVID–19 and election-related misinformation. For example, White House officials publicly and privately called on the platforms to do more to address vaccine misinformation. Surgeon General Vivek Murthy issued a health advisory that encouraged the platforms to take steps to prevent COVID–19 misinformation “from taking hold.” The Centers for Disease Control and Prevention alerted the platforms to COVID–19 misinformation trends and flagged example posts. The Federal Bureau of Investigation and Cybersecurity and Infrastructure Security Agency communicated with the platforms about election-related misinformation in advance of the 2020 Presidential election and the 2022 midterms.

Respondents are two States and five individual social-media users who sued dozens of Executive Branch officials and agencies, alleging that the Government pressured the platforms to censor their speech in violation of the First Amendment. Following extensive discovery, the District Court issued a preliminary injunction. The Fifth Circuit affirmed in part and reversed in part. The court held that both the state plaintiffs and the individual plaintiffs had Article III standing to seek injunctive relief. On the merits, the court held that the Government

Im Webartikel heißt es dagegen

Although the case, Murthy, Surgeon General, et al. v. Missouri et al., could have had wide-reaching impacts on interpretations of the First Amendment and free speech, the conservative-majority Supreme Court determined that Missouri had no standing to sue in a 6-3 decision.

Und weiter im Urteil:

The plaintiffs, two States and five social-media users, sued dozens of Executive Branch officials and agencies, alleging that they pressured the platforms to suppress protected speech in violation of the First Amendment. The Fifth Circuit agreed, concluding that the officials’ communications rendered them responsible for the private platforms’ moderation decisions. It then affirmed a sweeping preliminary injunction.

The Fifth Circuit was wrong to do so. To establish standing, the plaintiffs must demonstrate a substantial risk that, in the near future, they will suffer an injury that is traceable to a Government defendant and redressable by the injunction they seek. Because no plaintiff has carried that burden, none has standing to seek a preliminary injunction

Ich habe nicht verstanden, wer da Kläger und Beklagter ist. Anscheinend hatten ursprünglich zwei Bundesstaaten und fünf Privatleute dagegen geklagt, dass die Regierung da vorgibt, welche Informationen auf social media zu löschen sind, und vor dem „Fifth Circuit“ zunächst gewonnen, was wohl das Berufungsgericht für den „fünften Bezirk“ ist, wogegen dann wohl Murthy Beschwerde zum Supreme Court eingelegt hat, weshalb das Urteil auf „MURTHY, SURGEON GENERAL, ET AL. v. MISSOURI ET AL.“ lautet, obwohl doch Staat und Nutzer als „plaintiff“ (=Kläger) bezeichnet werden.

Anscheinend hat man das wesentlich aus formalen Gründen abgelehnt, weil die Kläger wohl keine hinreichend konkrete Gefahr dargelegt hätten und eine abstrakte Gefahr als nicht ausreichend angesehen wurde.

Außerdem hätten die Kläger (darunter wohl drei Ärzte) nicht dargelegt, dass ihre bisherigen negativen Erfahrungen auf Social Media etwas mit dem CDC (Center of desease control) zu tun hätten.

Ich habe die lange Version des Urteils noch nicht gelesen, aber zumindest die kurze Version und beim Überfliegen der langen Version macht das alles auf mich den Eindruck, dass das nicht aus materiellen Gründen abgewiesen wurde, sondern nur aus formalen, weil die Kläger keine hinreichenden Beweise und Erklärungen vorgelegt hätten.

Was wohl nicht heißt, dass die Klage materiell keinen Erfolg gehabt hätte, wenn sie ordentlich vorgetragen worden wäre. Oder wenn es schon einen konkreten Zensurfall gegeben hätte, der die Klage konkret gegen eine eingetretene und nicht vorbeugend gegen eine abstrakte Gefahr hätte dastehen lassen.

Obwohl die Entscheidung – wie gesagt, ich habe es sie teilweise gelesen, das liest sich ja nicht so schnell und einfach, und man müsste auch die Vorinstanzen lesen – anscheinend nicht sagt, dass die Regierung die social media kritisieren darf, sondern nur die Klage dagegen wegen Mängeln abweist, wird das jetzt wohl so hingestellt, als habe der Supreme Court erlaubt, dass die Regierung unerwünschte Informationen auf social media löschen lassen dürfe.