Ansichten eines Informatikers

Zum Qualitätssturz der Kleidung

Hadmut
31.7.2024 3:06

Ich hatte doch über die mangelnde Qualität von Kleidung geschrieben. Und viele aufschlussreiche Leserzuschriften bekommen.

Volle Zustimmung.

Selbst die teuren Unterhosen von [deutsche Marke] oder T-Shirts von [deutsche Marke] sind nicht mehr zu gebrauchen. Bei den Unterhosen merkt man ganz deutlich, dass die jetzt anderes – viel schlechteres – Material verwenden, Natürlich zum alten hohen Preis.

Sowas merke ich auch. Eigentlich habe ich deshalb seit Jahren die grauen Unterhosen bei Metro gekauft, die waren nämlich in Ordnung. Aber Metro hat keine Kleidung mehr im Sortiment.

ehr geehrter Herr Danisch!

Zur Passage mit den ‘schiefen’ T-Shirts kann ich Wissenswertes beisteuern.

Ich komme aus einer Unternehmerfamilie. Meine Eltern hatten eine kleine Quetsche und haben auf Rundstrickmaschinen [Ortsangabe anonymisiert] Meterware für die Konfektionäre hergestellt. Bis Mitte der 80er Jahre war ich in der Textilindustrie tätig und verfüge noch über Kenntnisse, was das sogenannte ‘Ausrüsten’ von Stoffen anbelangt.

Der Stoff für T-Shirts wird auf Hochleistungsrundstrickmaschinen produziert. Im Laufe der Jahre und des technischen Fortschritts kamen immer mehr Fadenzuführungssysteme an die sich drehenden Maschinen. Wenn man also bis zu 96 Systeme hat, so entstehen, wenn sich die Maschine einmal dreht, 96 Strickreihen. Und das immer wieder. Also eine Art endlose Spirale. Diese Spirale muß man auf einem sogenannten Spannrahmen gerade zurren. Dies geschieht mit Hitze. Je höher die Hitze, desto formstabiler das Produkt. Hitze ist aber teuer. Und so wird an der Hitze gespart, was dazu führt, daß die Fixierung ab einer bestimmten Waschtemperatur dann perdu ist und das Gewebe zurückspringt. Das ist der Grund dafür, daß die T-Shirts meistens nach der ersten Wäsche schon die Form verlieren. Die Lösung wäre hohe Ausrüstungstemperatur oder T-Shirts mit Seitennähten. Letzteres kauft aber keiner mehr und die Herstellungskosten in der Näherei wären auch viel höher.

Das würde erklären, warum sich die T-Shirts so leicht verziehen. Allerdings leuchtet mir das nicht ein, dass er als Lösung „hohe Ausrüstungstemperatur oder T-Shirts mit Seitennähten“ empfiehlt, denn eigentlich haben alle meine T-Shirts, so weit ich mich erinnern kann, Seitennähte. Denn gerade die Seitennähte sind es ja, woran mir so auffällt, dass sich das Zeug verzieht, nämlich weil die nach ein paar Wäschen eben nicht mehr an der Seite gerade runtergehen, sondern sich zwirbeln. Und nicht etwa beide nach vorne oder beide nach hinten, sondern im gleichen Drehsinn. Daran ist mir das ja aufgefallen, dass sich der Stoff verzieht. Aber nicht bei allen. Jetzt gerade habe ich ein uraltes T-Shirt an, bei dem der Kragen schon verrupft ist, die Seitennähte aber noch schnurgrade nach unten gehen.

Moin Hadmut.

Stimmt absolut. Insbesondere bei Jeanshosen fällt das auf, daß Du für das viele Geld, was eine Markenjeans hierzulande kostet, nicht mehr die Qualität bekommst, die man erwartet. Ein türkei-affiner Freund bringt aus dem Jahresurlaub daher immer Hosen mit: bekannte Markenhersteller, zu 8 – 15 Euro / Stück. Es handelt sich höchstwahrscheinlich nicht um Plagiate, sondern, so wurde ihm erklärt, Überproduktion oder B-Ware aus den dortigen Textilfabriken, die von den Händlern zu Spottpreisen aufgekauft oder “entsorgt” werden.

Die Hosen halten genau so lange (oder kurz) wie ihre Pendants, die hier für 90 Euro über den Ladentisch gehen.

Oberbekleidung: mir geht das ebenfalls furchtbar auf die Nerven, wenn ein T-Shirt / Pullover nach einigen Waschgängen aussieht wie eine Kittelschürze, was die Form angeht. Ich bin jetzt nicht der Typ, der unbedingt irgendwelche Markenlogos oder dämlichen Motive auf der Kleidung braucht, bin daher schon vor langer Zeit auf Arbeitsbekleidung umgestiegen; Kann vorbehaltlos

Carhartt (hochpreisig, sollte man anprobieren weil die größen recht “amerikanisch” ausgelegt sind) und

Blåklåder (schwedischer Hersteller) empfehlen. Letzterer bei T-Shirts interessant, eine super Qualität, gibt in Uni alle Farben und die Dinger verwaschen nicht und halten die Form. Je nach Shop um die 15-17 Euro pro Stück.

Das erinnert mich an ein türkisches Schuhgeschäft in Nordzypern. Ich war bisher nur einmal kurz in Nordzypern, und das auch nur zu Fuß in Nikosia, mal gucken gehen, und brauchte noch ein paar Hausschlappen. In einem Schuhgeschäft gab es „Birkenstock“, natürlich eine Produktfälschung, aber von der Art das, was ich suchte. Der türkische Schuhhändler warnte mich aber davor, ihm seine Schuhe abzukaufen, das gäbe nur Ärger. Man wird nämlich beim Grenzübergang fotografiert, und wenn man zurückkommt wieder. Bei der Wiedereinreise in den griechischen Teil sehen sie automatisch die vorher-nachher-Bilder, damit sie sehen können, ob man was gekauft hat und wieviel. Und das filzen sie dann, und wenn sie Plagiate finden, hat man Ärger am Hals. Er empfahl mir deshalb, die genau gleichen Schuhe zu kaufen, aber nicht mit Birkenstock-Aufdruck, sondern mit dem echten Aufdruck der türkischen Fabrik, sie haben sie auch ohne Produktfälschung, nur als Sachplagiat. Das gäbe keinen Ärger an der Grenze. So kam ich nicht nur in den Besitz türkischstämmiger Hausschuhe, sondern auch zu dem Wissen, dass Birkenstockplagiate (und die nahezu aller bekannter Marken) auch in der Türkei gefertigt werden. Später habe ich dann herausgefunden, dass ich gleichwertige Birkenstock-Nachbauten im griechischen Zypern bei Jumbo 3 Euro billiger bekommen hätte.

Das mit den „Überproduktionen“ und „B-Waren“ wurde mir in Asien auch schon erzählt. Mir hat man aber mal erklärt, dass es zwischen Original und Fälschung noch ein Zwischending gäbe. Viele Markenfirmen produzierten nämlich nicht selbst, sondern gäben bei Auftragsfertigern in Auftrag (kennt man bei Computern auch, etwa Foxconn und TSMC). Das führt dazu, dass diese Fertiger genau wissen, wie man ein Produkt herstellt, weil sie es ja selbst herstellen, und dann einfach ein paar mehr machen und auf eigene Rechnung verticken. Die sind zwar dann qualitativ identisch mit dem Original, aber trotzdem natürlich illegal.

Zur Bestätigung über die Qualität der Kleidung:

Oftmals werden die Container entfernt, da mit der eingeworfenen Kleidung einfach niemand mehr etwas anfangen kann.

https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/die-zeit-der-altkleidercontainer-ist-vorbei–wie-sie-mit-kleiderspenden-wirklich-helfen-30845642.html

Zitat hieraus: “Doch mehr und mehr Kleidung ist von so miserabler Qualität, dass sie teuer entsorgt werden muss – nicht einmal mehr Putzlappen und Dämmmaterial lassen sich aus ihr herstellen. “

In die gleiche Richtung geht:

https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Wegwerfmode-Was-passiert-mit-Altkleidern,kleidung170.html

Zitat: “Aufgrund der schlechten Qualität vieler Altkleider ist die Sammlung für viele Sortierbetriebe mittlerweile zum Minusgeschäft geworden. Doch auch karitative Einrichtungen wissen nicht mehr wohin mit den Altkleidermassen. Die Konsequenz: Altkleidercontainer werden vorübergehend gesperrt, so wie bei der AWO in Schleswig-Holstein. Sie hat derzeit die Hälfte ihrer knapp 300 Altkleider-Container stillgelegt. Die Stadtreinigung Hamburg plant bis Ende September sogar den Abbau all ihrer Altkleider-Container.”

Aha.

Hallo Herr Danisch,

haben sie auch an die Waschmaschinen gedacht? Früher dauerte eine Wäsche eine Stunde. Heute wird die Wäsche wegen der extremen Energieeinsparung 3,5 Stunden lang gewaschen.

Ach, Waschmaschinen auch? Sowas kenne ich nur von meiner Spülmaschine. Meine Waschmaschine ist von 1999. Da gab es solches noch nicht.

Kleidungsparadoxon

Hallo Herr Danisch

Auf meiner Suche nach neuen T-Shirts kann ich zu ihrem Kleidungsqualitätbeitrag noch ein paar Beobachtungen liefern:

die Grössenangaben stimmen nicht mehr.

Ich trage seit ..1998? XXL. Mein Gewicht ist zwar wie der Mond: mal zu-, mal abnehmend, aber immer passe ich in XXL rein (mal eben mit mehr, oder weniger “Luft” drin). Zur Zeit trage ich die “Eintagsshirts” vom Kik. Die stimmen in der Grösse GERADE NOCH SO überein. Aber nach dem ersten Waschen kann man die T-Shirts aus dem Flusenfilter fischen gehen und die Farbe aus dem Abwasser filtern.

Da es kaum noch unbedruckte T-Shirts (= halbwegs Businesscasual) in den Läden gibt, griff ich zu Amazon und bestellte Marken, von denen ich auch schon T-Shirts hatte. Fruit of the loom, Amazon Essentials, et al.; immer mit der Grössentabelle und frischem Selbstvermessen geordert, hätte also stimmen müssen; ich musste alle zurücksenden (zum Glück macht Amazon da noch keinen Stress, aber viel “Kredit” hab ich da jetzt wohl nicht mehr).

Ich hab noch ein altes, am Kragen aufgekratztes (bei mir wachsen wohl Borsten statt Bart!?) XXL-Shirt, seinerzeit ausm Real, aus dem Jahr 2006. Hat weder Form noch Grösse verändert. Lege ich die neuen XXL auf jenes drauf (weil zum Anziehen sind die neuen Dinger zu klein), könnte man meinen die 2XL-Neuen seien maximal Grösse M. Das letzte Shirt-Set (5 Shirts knapp unter 60€) hätte sich nicht einmal für S qualifiziert, obwohl ich jenes als 3XL bestellt habe (man lernt ja auch. Noch.).

Und dünn war das Material auch. Da hat Kik mehr “Materie” am Shirt. NUR:

Da ich dringend Ersatz brauchte, bestellte ich beim Hersteller der alten Armee-T-Shirts der Schweiz. Habe ich gute Erfahrungen mit, die Armeeshirts (8 an der Zahl) habe ich 2000 ausgefasst, und nach meinem Abrüsten 2008 auch in Zvil getragen (als Heuschnupfer im “Schleusenbetrieb”, d.h. Strassenkleider im Eingangsbereich, und im Innenbereich dann die Armee-Shirts angezogen); das letzte Shirt aus der Armeezeit ist gerade in seiner letzten Saison (langsam reissen – nach 24 Jahren, davon 16 im Dauer-Einsatz – die Nähte; es hat den Ruhestand im treuen Dienst verdient); sie sind zwar teuerer, aber zumindest die Grösse passt; die Qualität, so behauptet der Hersteller, sei der gleiche Produktionsstandard. Aber auch hier: der Stoff ist FÜHLBAR dünner; und das kann nicht an der zivilen Farbgebung liegen – so dick trägt “Feldgrau” nicht auf Baumwolle auf.

Was ich noch nicht versucht habe: Trigema.
Alledings hällt mich deren “wir liefern nicht in die Schweiz – tretet hald der EU bei haha”-Einstellung von einer Bestellung dort ab.

Klar leben Unternehmen vom Umsatz – und der wird durch häufige Verkäufe generiert, aber was haben die davon wenn sie Tonnen von Rücksendungen (falsche Grössenangaben, keine Qualitätskontrolle bez. Grösse (3XL draufgedruckt, Grösse eher S wenn nicht gar XS), oder so dünnen Stoff das eine altersschwache Fliege diesen noch löchern kann?

Ich frag mich wann wir diese T-Shirt-Spender aus Idocracy bekommen; jeden Tag ein frisches Shirt (voller Werbung) ziehen, und am Abend auf den nächst besten Müllhaufen damit…??

Ja, das ist mir auch schon aufgefallen, besonders bei Hosen. Mir ist beim Kauf von Hosen schon aufgefallen, dass ich bei drei Herstellern jeweils – deutlich – andere Größen brauche und mir vom vierten gar nichts passte. Manchmal könnte man meinen, sie sparen auch am Personal und wissen nicht mehr, wie man Hosen schneidet.

Wisst Ihr noch, dass es früher mal üblich war, Löcher in Socken mit einem Stopfei zu stopfen? Dass man Socken früher flickte, weil Socken mal wirklich wertvoll waren?

Das ist natürlich ein heikler Punkt, wenn die Kleidung so schlecht geworden ist, dass keiner mehr Altkleidercontainer aufstellt. Kann natürlich auch Ausrede sein, weil sich die Afrikaner ja beschwerten, dass wir dort die Kleiderfabriken pleite machen, weil wir Afrika mit Altkleidern überhäufen.

Was letztlich doch die Frage aufwirft: Was macht man eigentlich mit alter Kleidung? Um Kleiderspenden für Flüchtlinge hat auch schon lange niemand mehr gebeten.

Irgendwo stand neulich, dass mehrere Krawattenfabriken dicht gemacht haben, weil keiner mehr Krawatten kauft. Einerseits finde ich das ja gut, dass ich das etwas entspannt und man sich nicht mehr in die übliche Bürokleidung schmeißen muss. Aber alles in allem, auch unter Berücksichtigung der Migrationsgesellschaft, verwandeln wir uns in eine Gesellschaft, die immer schlechter gekleidet ist. Wir haben immer schlechtere Kleidung, aber davon dann immer mehr.

In welche Mülltonne muss das Zeug eigentlich? Normal oder Wertstoff?

Update: Die Berliner Stadtreinigung:

Um Ihnen die Entsorgung von Textilien und Kleidung zu ermöglichen, bieten wir Ihnen die Abholung per Lastenrad an. In Kooperation mit unserem Partner Recyclehero holen wir in ausgewählten berliner Postleitzahlen Ihre Altkleider bei Ihnen ab. Das Beste daran ist: Die Abholung erfolgt emissionsfrei und klimafreundlichen. Zusätzlich zahlen Sie nur das, was Ihnen der Service wert ist!

Ach, Herrje.