Ansichten eines Informatikers

Der dümmste Text über das Internet

Hadmut
10.9.2024 18:58

Nu isses passiert.

Der allerdümmste deutsche Text über das Internet wurde geschrieben und veröffentlicht.

Ein Leser macht mich – mit äußerster Warnung, ich habe extra Gummihandschuhe und Schutzbrille angezogen – auf das aufmerksam: Weltweit weiblich: Wie Frauen das Internet erfanden

Was für ein Schwachsinn.

Zumal das ziemlich genau dokumentiert und nachvollziehbar ist. Da kann man beispielsweise in die RFCs schauen. Oder Cliffort Stolls Kuckucksei. Oder notfalls sogar die Genderliteratur, die beschweren sich nämlich, dass das alles so technisch sei, dass es Frauen komplett ausschließe.

Ein Blick in die Geschichte zeigt: Der Rechner war ursprünglich eine Rechnerin. Frauen prägten die Computer- und Internetgeschichte maßgeblich.

Nein. Wer das sagt, hat schon Englisch nicht verstanden, denn „Computer“ war ursprünglich nicht die Bezeichnung für die elektronische Rechenmaschine, sondern für einen Beruf. Das waren Leute, die an der elektromeschanischen Rechenmaschine saßen und endlos Berechnungen über Logarithmen, Sinus und Cosinus, Flugbahnen und dergleichen anstellten. Wer das nicht mehr kennt: In den 60er und frühen 70er Jahren hatte man noch „Logarithmentafeln“ und Bücher, in denen Sinus und Cosinuswerte usw. aufgelistet waren, in denen man die nachschlug und dann interpolierte. Das war ein typischer Frauenjob, aber weil zu langsam, fehleranfällig, aufwändig, teuer, automatisierte man die und baute den „elektronic computer“, der genau so organisiert war: Ein Rechenwerk, das die Rechenmaschine darstellte, und ein Steuerwerk, das den Programmablauf durchführte und die Frau ersetzte. Wer mehr technisches Verständnis will: Man kam auf die Idee, mit einem Steuerwerk doch mehrere Rechenwerke parallel zu steuern, um mehr Berechnungen anzustellen. Der sogenannte Vektorrechner, wie die Cray oder teils die CDC Cyber.

Tut mir leid, wenn ich das so sage, aber: Der Computer wurde nicht von Frauen erfunden. Der Computer wurde erfunden, um Frauen durch Elektronik zu ersetzen.

Das Internet reichte schon um die Welt, damals, im Epochenjahr 1991. Ein neues, bunteres Medium namens „World Wide Web“ wurde gerade geboren, für jede und jeden per Mausklick benutzbar.

Was’n Quatsch. Das World Wide Web läuft auf einer höheren Schicht und baut auf dem Internet auf.

Doch das passierte versteckt hinter den Bürotüren eines europäischen Kernforschungszentrums im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Frankreich. Dort hackten hemdsärmelige Physiker endlose Programmzeilen in die Tastaturen ihrer Workstations. „Where the Web was born“ liest man heute auf einer Bronzeplakette vor einer dieser Türen.

Auf der anderen Seite des Globus, mitten im gleißenden Sommer Südaustraliens, schrieben damals vier Frauen auf ihre Weise Netzgeschichte. Die Medienkünstlerinnen Josephine Starrs, Julianne Pierce, Francesca da Rimini und Virginia Barratt waren auch als Kollektiv VNS Matrix bekannt. Während eines Workshops in Adelaide entwarfen sie Anfang 1991 ein freches, selbstbewusstes Pamphlet mit der Überschrift: „A cyberfeminist Manifesto for the 21st Century“ – „Ein cyberfeministisches Manifest für das 21. Jahrhundert“. Das hatte es in sich.

„The clitoris is the direct way to the matrix“, heißt es da. „Die Klitoris ist die direkte Verbindung zur Matrix.“ Ein cleverer Seitenhieb, kann Matrix doch sowohl „Zahlengitter“ oder „Cyberspace“ bedeuten als auch „Gebärmutter“.

Doch es ging den Frauen nicht nur um Wortspielerei. An einer anderen Stelle des Manifests heißt es: „Wir sind das Virus einer neuen Weltordnung, die Saboteure des Big-Daddy-Großrechners.“ Technikaffine Frauen begannen, ihren Anteil an der digitalen Revolution einzufordern – und nutzten dazu die sich ausbreitenden Datennetze. Als technisches Werkzeug, aber auch als Ideenraum sollte das Netz nicht länger Spielzeug der Techno-Cowboys bleiben, weiß, männlich, middle-class – während Frauen höchstens Kaffee kochen durften und nach Diktat tippen.

Das Ding hatte an der Entwicklung von Computer, Internet, Web und allem anderen exakt Null Anteil und keinerlei Beitrag. Männer erfinden die Moderne und Frauen reden von ihrer Klitoris, wollen mitschwätzen und versorgt werden, erheben Forderungen.

In die perfekt funktionierende Riesenmaschine aus Rechnern und Datenleitungen, von Männern verwaltet, von Männern genutzt, sollte deswegen das Virus der Gleichberechtigung eingeschleust werden, die Idee einer Technik, die sich ausdrücklich an alle Menschen richtet.
Unternehmerinnen und Haecksen

Das gelang auch. Dank Unterseekabel war Australien zu Beginn der 1990er-Jahre nur ein paar Hundert Millisekunden vom Rest der Welt entfernt. Das Manifest des Künstlerinnenkollektivs ging viral, etwa über Onlineforen, Mailinglisten und in der von pixeligen Avataren bevölkerten virtuellen Realität des Cyberspace. Inzwischen gilt dieser Moment als Geburtsstunde des Cyberfeminismus.

Ja. Männer haben Computer, Internet und Web erfunden, entwickelt, aufgebaut, verwaltet. Und Frauen reden von ihrer Klitoris und stellen Forderungen nach Gleichberechtigung.

So erlebte die online gut vernetzte Gamingszene 1996 den „Lara Croft“-Effekt. Das Spiel „Tombraider“ begeisterte dank seiner cleveren Heldinnen-Mischung aus Indiana Jones und Tank Girl eine ganze Generation, und erstmals auch viele Frauen.

Männer haben das Spiel entwickelt und programmiert. Und Frauen regten sich auf, weil Lara Croft eine sexy Figur, dicke Titten und Hotpants hatte, nämlich weil sie eine Männerphantasie war.

Auch in Deutschland gab es solche Cybergirls. Nur nannten sie sich hier anders. Die männerdominierte Digitalkultur rund um die Datenfernübertragung (DFÜ) hatte in der alten Bundesrepublik zu einer Absetzungsbewegung geführt. Innerhalb des Chaos Computer Club sammelten Hackerinnen sich seit 1988 unter dem Namen „Haecksen“, angeführt von der Künstlerin und Datenschutzaktivistin Rena Tangens und der Politologin Barbara Thoens.

Und beigetragen haben sie außer Streit und Krawall exakt: Gar nichts.

Im Gegenteil: Frauen hetzten in linken Kreisen die Leute gegen Technik auf, und so wollten die Grünen damals Computer und vor allem ISDN und später Handys verbieten.

Manch eine der Frauen im Netz verstand sich auch schlicht als Unternehmerin. So etwa die Regensburgerin Ulrike Stadler. Sie gründete im Jahr 1991 ein BTX-Start-up namens #Telebuch. Dort konnte man über ein Bildschirmtext-Terminal der Bundespost Bücher bestellen. Der Katalog umfasste bald mehr als 300.000 Titel, darunter viele englischsprachige, die per Luftfracht einmal pro Woche aus den USA eingeflogen wurden. Ab 1995 hatte Telebuch dann auch eine eigene Website. Dass sich heute niemand mehr an dieses Start-up erinnert, hat einen einfachen Grund: Kurz darauf wurde Telebuch von Amazon aufgekauft.

BTX ist nicht Internet. Und 1995 eine Webseite zu haben ist ungefähr so, als würde man behaupten, das Automobil miterfunden zu haben, weil man sich einen Lieferwagen gekauft hat.

Inzwischen hat die Technikgeschichte auch jene Frauen im Blick, die zur Gründergeneration des Computer- und Netzwerkzeitalters gehören, sozusagen die „Grandmother Nerds“. Denn unsere Vorstellung von der von Anfang an männlich dominierten Welt der Hacker, Programmierer und Web-Visionäre ist ein von Männern erzeugter Mythos. Darauf weist die amerikanische Historikerin Claire Evans hin. In ihrer Studie „Broad Band“ zu den „Frauen, die das Internet schufen“, rüttelt sie gar an den Grundfesten des maskulinen Technik-Selbstverständnisses: Der „Computer“, also „Rechner“, war bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine „Rechnerin“.

Vor allem geht die Glaubwürdigkeit amerikanischer Historikerinnen gegen Null, weil ziemlich viele davon völlig inkompetent, aber davon beseelt sind, die ganze Menschheitsgeschichte auf Frauen und Schwarze zu bauen.

Große Gruppen von rechnenden Frauen rückten mit Papier und Bleistift bewaffnet komplexen mathematischen Problemen zu Leibe, etwa in der Astronomie, der Atomphysik oder beim Militär. Noch während des Zweiten Weltkriegs bezeichnete man in den USA mit dem inoffiziellen Ausdruck „Kilogirl“ die Rechenarbeit, die eintausend Frauen in einer Stunde per Hand ausführen konnten. „Der Rechner, wie wir ihn heutzutage kennen“, schlussfolgert Evans, „wurde benannt nach den Menschen, die er ersetzt hat.“

Das ist richtig. Aber wenn man durch eine Maschine ersetzt wird, hat man sie nicht erfunden. Wenn ich einen Fließbandarbeiter durch einen Roboter ersetzte, kann er auch nicht behaupten, er habe den Roboter erfunden.

Viele dieser „Women Computer“ setzte man dann auch zur Bedienung der ersten elektronischen Rechenanlagen ein – wie etwa Grace Hopper. Die Mathematikerin im Rang eines Navy-Leutnants erfand im Rahmen ihrer Arbeit mit dem Mark-I-Rechenautomaten in Harvard ab 1944 quasi das moderne Coden von Software.

Sie behaupten, Frauen hätten Computer und so weiter und so fort erfunden, und am Ende kommen sie immer nur bei Ada Lovelace und Grace Hopper raus. Hunderttausende Männer haben an dieser Riesenmaschine mitentwickelt und erfunden und gebaut, und alles, was ihnen einfällt, um zu belegen, dass es von Frauen erfunden worden sei, ist Grace Hopper. Dabei ist nicht mal so wirklich gesichert, das davon von ihr stammte. Denn sie wird normalerweise als Abteilungsleiterin dargestellt, natürlich mit Männern in der Abteilung.

Wer genau hinschaut, findet akademisch gut ausgebildete Computer-Pionierinnen aber an Schlüsselpositionen des frühen Internets – etwa die Informationswissenschaftlerin Elizabeth „Jake“ Feinler. Damit aus dem 1969 in den USA gestarteten Netzwerk-Experiment des Pentagons das heutige Netz der Netze werden konnte, musste Ordnung in die ansteigende Datenflut gebracht werden. Dafür sorgte das Network Information Center (NIC) in Stanford. „Lange bevor die für uns alltäglichen Suchmaschinen existierten, war das NIC das Google seiner Zeit und Jake dessen menschlicher Algorithmus, die einzige Person, die genau wusste, wo sich irgendetwas befand“, so die Netzhistorikerin Evans. Die „Benutzung“ war denkbar einfach: Wer etwas wissen wollte, wählte Feinlers Büro-Telefonnummer und stellte seine Frage.

Das NIC war nicht wie Google, da haben die einiges falsch verstanden. Und das NIC hat eine reine Verwaltungsaufgabe. Typischer Sekretärinnenjob – Nummern verwalten und Telefonauskunft spielen.

Eigentlich haben Frauen sogar das schlauere Web erfunden. Genauer gesagt das Konzept eines Wissensnetzwerkes, das sich um sich selbst kümmert und sein feines Gewebe aus Verweisungen selbst repariert, anstatt die Benutzer in die Irre zu führen. Denn im realen Datendschungel vergisst ständig irgendjemand, einen Link zu korrigieren, wenn das Dokument am anderen Ende an einen anderen Ort bewegt oder gelöscht wurde.

Ein besonders prominentes Beispiel für das sich selbst pflegende Web ist die Software Microcosm, entwickelt Ende der 1980er-Jahre von der britischen Computerwissenschaftlerin Wendy Hall. Diese Anwendung richtete sich vor allem an Bibliotheken und Archive, die eine große Anzahl unterschiedlicher Daten aus Texten, Bildern oder Videos auf einfachem Wege durchsuchbar machten wollten. Microcosm erledigte die Vernetzung der Dokumente automatisch und hielt sie ständig aktuell. Was bei Microcosm fehlte, war allerdings die Perspektive auf das große Ganze der Datennetze. Wendy Hall interessierte sich vor allem für die Aufbereitung der Informationen auf dem eigenen Computer, nicht für die Möglichkeiten des Internets.

Von der habe ich in meinem ganzen Leben noch nie etwas gehört. Weder von der Frau, noch von der Software. Und an selbstaktualisierenden Vernetzungen Ende der 1980er Jahre habe ich doch einige Zweifel. Hyperinformationssystem waren damals zwar groß im Kommen (vgl. Apple oder gopher), aber noch lausig schlecht. Und dass Microcosm da irgendeine Bedeutung gehabt habe, wäre mir völlig neu.

Ähnlich dachten damals auch viele andere Frauen aus der Hypertext-Community, die sich mit dem Thema Wissensmanagement beschäftigten – auf Informationen jenseits der eigenen Festplatte zu verweisen, schien keinen Nutzen zu bringen.

So wurde das weltweite Webzeitalter am Ende doch von hemdsärmligen Nerds eingeläutet, die in den Katakomben ihres Kernforschungszentrums an einem Projekt namens „World Wide Web“ arbeiteten.

Das mit der Vernetzung über mehrere Computer hinweg war nämlich der eigentliche Brüller. Von „vielen anderen Frauen aus der Hypertext-Community“ ist mir nichts bekannt, und ist mir auch damals zu der Zeit nichts bekannt geworden. Zeigt aber sehr schön: Frauen machen irgendwas ohne Relevanz und werden als die Erfinderinnen des Internet hingestellt. Männer erfinden das große Ding – und sind die „hemdsärmeligen Nerds“.

Dabei war genau das der Knackpunkt des WWW: Einfach und systemübergreifend. Das war ja gerade der Witz daran, dass das Ding keine zentrale Datenbank hatte und kein lokales System war.

Hypermedien-Expertin Wendy Hall erinnerte sich rückblickend an ihren ersten Eindruck während einer Präsentation: „Mein Gott, das ist ja total simpel und absolut nichts Neues! Und dann noch dieser größenwahnsinnige Name: weltweit!?“ Doch am Ende sollte das Web gerade deshalb die Welt erobern, weil es so einfach war – für Techno-Cowboys und Cybergirls gleichermaßen.

Deshalb hat’s ja auch der Nerd erfunden.

Was für ein schwachsinniger Text.

Da schreibt jemand ohne jegliche Substanz, kann Computer, Internet, Web und Spiele kaum auseinanderhalten, benennt drei, vier Frauen und dudelt daraus, Frauen hätten das Internet erfunden – obwohl nicht mal er in diesem Artikel auch nur einen Beitrag von Frauen zum Internet und dessen Entwicklung benennt. Das NIC war die Verwaltung von Zahlen.

Der Journalist und Kulturwissenschaftler Ansgar Warner promovierte zum Radio-Essay der frühen Nachkriegszeit. Er schrieb Sachbücher u.a. zur Geschichte des E-Books („Vom Buch zum Byte“) sowie zur Personengeschichte von Internet und World Wide Web („Wer wob das Web?“).

Das ist so dünnschissig, dass das schon Fake News ist.

Und dann noch die Frechheit:

Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.

Kann man, soll man, will man aber nicht weiterverbreiten. So ein bodenloser Blödsinn.

Das scheint der zu sein. Ahnung von Technik wohl gleich Null, aber anscheinend an der Humboldt auf Feminismus abgerichtet und nach der Uni keinen Job mehr gefunden, und muss seine Texte jetzt als Open Source kostenlos anbieten.

Und solche Leute, die inhaltlich, technisch, historisch überhaupt gar nichts verstanden haben und nicht mehr hinbekommen, als selektiv ein bisschen zu googeln, setzen dann so einen an den Haaren herbeigezogenen Mist in Umlauf, um ihren Namen in die Zeitung zu bekommen, und der feministisch-politische Studienabbrecher-Block glaubt das dann und meint, Frauen hätten Internet und Web erfunden und Männer es ihnen dann abgenommen.

Die Geistes- und Sozialwissenschaften können eigentlich komplett weg.

Und die Historiker müssen sich schon lange die Frage gefallen lassen, ob sie näher an der Wahrheit oder an der politisch verfassten Lüge stehen, ob sie Wissenschaftler oder Schwätzer und Propagandisten sind.