Ansichten eines Informatikers

Schäubles “Gefahr im Verzug”

Hadmut
31.8.2007 12:59

Über Minister Schäubles Aktionen zum Bundestrojaner diskutieren gerade alle. Ich auch.

Unglaublich, was da für verfassungswidrige Äußerungen aus Schäubles Ecke kommen. So soll jetzt die Durchsuchung unter dem Stichwort “Gefahr im Verzuge” drei Tage lang ohne richterliche Anordnung möglich sein (z.B. Berliner Zeitung). Wissen die nicht, was “Gefahr im Verzuge” heißt oder wollen sie es nicht wisse?

Es gab Anfang der Neunziger Jahre eine grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, an die ich mich gut erinnern kann. Nur leider gerade an das Aktenzeichen nicht, und das war vor der Zeit, als das BVerfG seine Entscheidungen online stellte. Ich finde es aber noch.

Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, daß Gefahr im Verzuge (z. B. in Bezug auf Hausdurchsuchungen u.ä.) nur dann vorliegt, wenn die vorherige Einholung einer richterlichen Genehmigung die Maßnahme (Durchsuchung) bzw. deren Zweck und Erfolg vereitelt hätte, und sie schnellstmöglich nachgeholt werden muß.

Schäuble weicht nun radikal von dieser Anforderung ab. Die Genehmigung soll erst 3 Tage nach der Aktion nötig sein. Warum man aber vor der Aktion einerseits die Zeit haben soll, einen individuellen Trojaner zu schnitzen, andererseits aber keine Zeit, einen Richter zu fragen, ist nicht ersichtlich.

Um das ganze zu vertiefen hier noch ein Auszug aus einer Entscheidung des BVerfG von 2002, 2 BvR 1473/01:

Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl.BVerfGE 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.> ). Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Dieser Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz ab (vgl.BVerfGE 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>; 103, 142 <150 f.> ; Amelung, NStZ 2001, S. 337 <338>; krit. Rabe von Kühlewein, Der Richtervorbehalt im Polizei- und Strafprozessrecht, 2001, S. 88 ff.). Das Grundgesetz geht davon aus, dass Richter auf Grund ihrer persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und ihrer strikten Unterwerfung unter das Gesetz (Art. 97 GG) die Rechte der Betroffenen im Einzelfall am besten und sichersten wahren können (vgl.BVerfGE 77, 1 <51>; 103, 142 <151> ). Wird die Durchsuchung regelmäßig ohne vorherige Anhörung des Betroffenen angeordnet, so soll die Einschaltung des Richters auch für eine angemessene Berücksichtigung der Interessen des Betroffenen sorgen (vgl.BVerfGE 9, 89 <97>; 103, 142 <151> ).

Jetzt kann man sich mal seine Gedanken über die Verfassungstreue des Ministers machen.