Der digitale Sekundärstau
Technikfolgenabschätzung konkret: Navigationssysteme
Wieder mal ein Beispiel dafür, wie individuell entwickelte Technik ungeahnte Folgen haben kann. Heute morgen auf der A8 ist mir wieder etwas passiert, was durchaus einige Funktionen von Navigationssystemen in Frage stellen kann. War nicht das erste Mal.
Ein Laster hatte Probleme und konnte nicht weiterfahren. Deshalb mußte die Ladung (irgendwelche Stahlträger) mittels eines extra aufgebauten Kranes mühsam umgeladen werden, was eine Vollsperrung für einige Zeit bedeutete. 16 km Stau .
Ich hatte im Radio schon davon gehört und verließ direkt vor dem Stauende die Autobahn. Mein Navi suchte mir eine Umgehungsroute. Was zunächst toll aussah, entwickelte sich zum Fiasko: Ein paar Kilometer weiter gab es eine Kreuzung, an der lauter Autos dazukamen, die auch alle ein Navi hatten und von der Autobahn heruntergeführt worden waren. Das Ergebnis war eine unglaublich lange Kolonne von Autos, die sich Stoßstange an Stoßstange durch die Gegen schoben. Immer langsamer. Als ich irgendwo zwischen Feldern auf der Landstraße stand, ging gar nichts mehr, Stillstand. In der Ferne konnte man aber sehen, daß auf der A8 der Verkehr wieder floß.
Ich habe mich dann – wie einige andere – entschieden, umzudrehen und zurück auf die Autobahn zu fahren. Das war die bessere Entscheidung, denn viele Kilometer weiter ging diese Bundesstraße über die Autobahn drüber und sie standen auch da bewegungslos und blickten von oben auf die A8 herunter, auf der der Verkehr wieder gut floß.
Das heißt aber, daß – im Einzelfall betrachtete – Funktion des Navis, dem Individuum gegenüber der Allgemeinheit einen Vorteil zu verschaffen, in dem es den Stau und den Umweg kennt, dann in einen Nachteil umschlägt, wenn zu viele es haben. Auch Leute, die mit der A8 nichts zu schaffen haben (Anwohner, Nahverkehr) waren gebeutelt, weil nichts mehr ging. Wäre mal interessant abzuschätzen, wieviel CO2 usw. dieser Automoloch produziert hat. Da schert sich komischerweise niemand drum.
Das vermeintliche High-Tech-Spielzeug (das unbestritten als Wegweiser große Vorteile hat, ich liebe die Dinger) erweist sich hier als Massen-Design-Problem.
Die Zukunft würde wohl sein, daß die Geräte nicht mehr passiv sind, sondern mit einer Zentrale interagieren, die jedem Fahrzeug eine Route dynamisch zuweist und für eine Verteilung der Fahrzeuge sorgt.
Hätte ich rechtzeitig, d.h. vor der Abfahrt erfahren, daß auf meiner Route ein Stau ist, und zwar nicht dauerhaft, sondern eine Vollsperrung für 1-2 Stunden, dann wäre ich einfach später losgefahren und das Problem wäre gar nicht erst entstanden.
Vielleicht bekommt man auch irgendwann mal Vorteile (weniger Steuer, Prioritäten bei der Route usw.) wenn man seine Route rechtzeitig vorher anmeldet, damit der Verkehrsplanung Gelegenheit gibt, sie zu berücksichtigen und einen rechtzeitig zu warnen bzw. umzuleiten, und man mit der Leitstelle interagiert. Ist natürlich ein Datenschutzproblem, könnte aber viele Vorteile haben.
4 Kommentare (RSS-Feed)
Ich dachte, TMC sollte das richten. Zumindest der Stau auf der Landstraße sollte doch sich auch irgendwie rückkoppeln lassen, so daß keine neuen Fahrzeuge in so einen Stau geschickt werden.
Ich persönlich habe kein Navi, weil mir bisher ein Routenplaner (kostenlos im Internet) und eine normale Straßenkarte als Orientierungshilfen ausgereicht haben.
Aber die Idee mit mit den Goldrouten sollte man doch in Zusammenhang mit TMC und entsprechenden Sendern (im eigenen Auto wohlgemerkt) durchführen könne, so daß man sich mit genügend Sendeleistung frei Bahn schaffen könnte.
29.2.2008 13:02
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[…] soll. Das Ding hat doch wohl keine Kollisionswarnelektronik mit an Bord und wenn man sich vorstellt, dass alle Fußgänger plötzlich doppelt so schnell unterwegs wären, dann würds oft knallen. Und […]
[…] neu berechnen. Trotz aller Finesse der Navigationsgeräte kann das Umfahren von Staus aber auch zum Fiasko führen. Der Mensch muss jetzt “nur noch” sicher fahren und sich an die Anweisungen […]
Oder es gibt Gold-Routen die nur Premiumkunden mitgeteilt werden, und 2.-Klasse-Kunden werden gar auf Umwege geschickt um den Weg für andere freizumachen.
Viel Spielraum für Phantasien.