Degenerierender Windows-Vista-Notebook-Terror
Über das Erlebnis, ein neues Notebook aus dem Massenmarkt in Betrieb zu nehmen.
Zugegeben, die Notebookpreise stürzen rasant. Für 500 Euro bekommt man bei Blödmarkt Notebooks mit einer Austattung hinterhergeworfen, auf die vor ein paar Jahren noch ein mittleres Rechenzentrum stolz gewesen wäre. Mit 2 Gig RAM, 200 Gig Platte, 2 Kernen läßt sich mal ne Weile arbeiten, und das für relativ kleines Geld. Derzeit flutet Toshiba mit palettenweise Billig-Books die Consumer-Märkte.
Doch schon bei der Hardware geht der Krampf los:
Irgendwer, angeblich Sony, hat mit den spiegelnden Displays angefangen. Nun gibt’s im unteren Preissegment nichts mehr ohne. Crystal Brite, und Wunder-Glare, und Super-Dingsbums und wie das Zeug alles angepriesen ist. Die Blödmarkt-Verkäufer ist auf Fragen schon so genervt, daß er einen Spruch abspult, warum Glanz besser ist, das möge man begreifen. Widerspruch duldet er nicht. Die Frage, warum dann die besonders teuren, guten Edel-Notebooks und die besseren separaten LCD-Schirme matte Oberflächen haben, auch nicht. Es wird gekauft, was auf den Tisch kommt, weil die Farben satter und kräftiger sind. Dabei stimmt das gar nicht, wenn man nicht gerade im dunklen Raum steht. Von einem anderen, etwas besonneneren Verkäufer habe ich inzwischen die Ober-Ausrede gehört: Die spiegelnden Displays würden länger halten, weil die das Licht reflektieren. Die matten würden Licht absorbieren und deshalb die Flüssigkeit im Display schneller zersetzen. Wenn man schon sowas als Ausrede nötig hat… Hintergrund dürfte eher Geiz-ist-Geil sein, denn bei solchen Abnahmemengen, wie Blöd-Markt sie einkauft, baut der Hersteller ein, was immer die wollen und bestellen. Wollten Aldi oder Blöd-Markt matte Displays verkaufen, wäre das kein Problem. Gründe dageben gibt’s aber zwei: Wie ich gehört habe, sind die glänzenden einfach billiger und damit kostensenkend. Und der zweite Grund ist der allgemeine Preisverfall. Für den doofe-Benutzer-Massenmarkt, die alles kaufen, was nach vielen Zahlen und englischen Phantasiebegriffen heißt, wird absichtlich ein Mangel eingebaut. Für die, die das stört und die was Ordentliches, sprich: Mattes, wollen, bietet man dann nur noch die teuren an. Sonst gäbe es ja kaum noch Grund, die teuren zu kaufen. Die Mist-Dinger spiegeln nicht nur, sie ziehen auch Staub und Fingerabdrücke an, das ist unglaublich. Sogar die Fettreste auf der Tastatur bilden sich auf dem glänzenden Zeugs ab. Das bringt nun eine perverse Art des Zubehörs hervor: In einem anderen Blöd-Markt habe ich kürzlich als kostenloses Werbegeschenk ein spezielles Display-Tuch bekommen, das man zwischen Tastatur und Display legen kann. Irgendwas mit Microfaser, fühlt sich wunderbar weich und samtig an, und hat natürlich einen Werbeaufdruck von T-Online. Einen Notebook einfach so zuzuklappen und Ende ist was aus der Vergangenheit, so einfach geht das heute nicht mehr.
Der nächste Lacher ist die Sache mit dem Speicher. Normalerweise verdoppelt sich so alle 1-1,5 Jahre die im Consumer-Markt angebotene Speichermenge in Rechnern. Moore läßt grüßen. Vor 3-4 Jahren waren noch 512 MB normal, dann 1GB, nun sind es schon seit einiger Zeit 2GB und jetzt … von wegen. Nun werden immer mehr Notebooks mit 3GB RAM angeboten, obwohl das keine Zweierpotenz ist. Es gibt zwar einige wenige Notebooks mit 4GB RAM. Aber da beeilen sich die Blöd-Markt-Verkäufer dazuzusagen, daß da auch nur 3GB zu nutzen sind, und die 4GB nur aus Kostengründen eingebaut sind, es sei zu teuer, verschiedene Riegel einzubauen. Mit 32-Bit-Betriebssytemen geht eben nicht mehr als 3GB. Und das Feld-Wald-und-Wiesen-Vista, das einem aufs Auge gedrückt wird, ist eben ein 32-Bit-System.
Zwar gibt es auch ein 64-Bit-Vista, aber irgendwer hatte mir erzählt, daß darunter viele Anwendungen nicht laufen. Und das auf dem Massenmarkt? Bin mal gespannt, wie Microsoft und die Rechnerhersteller über diese Hürde springen wollen. Oder ist bei 3/4 GByte RAM einfach Ende für Notebooks? Was machen die jetzt eigentlich für die nächste Verdopplungsrunde?
Nun, wir betrachten hier im Folgenden den aktuellen 500-Euro-Billig-Notebook von Toshiba.
Was positiv auffällt: Das Ding bläst an der linken Seite soviel Warmluft (und zwar wirklich warm und nicht nur lau) raus, daß man nie wieder Angst haben muß, im Winter bei Ausfall der Heizung in der Wohnung zu frieren. Wer tippt schon gern mit klammen Fingern 10-Finger-System?
Die Hardware besteht nur aus dem Nötigsten. Was so verkehrt nicht ist, denn alles andere braucht man doch eher selten bis gar nicht. Etwas zuviel gespart finde ich aber dann doch, daß das WLAN kein richtiger Standard-Chip am PCI ist, sondern – obwohl im Gehäuse verbaut – am USB hängt. Bäh!
Angst bekommt man dann, wenn man das Betriebssystem Vista in Gang setzt. Da stürzt eine unglaubliche Menge an Hinweisen, und Installationserinnerungen und Belehrungen und Angeboten und Zeugs auf einen ein. Man hat die Wahl, ob man die Google-Leiste haben will oder nicht. Aber wenn man auf “Nein” klickt, ist man in einer Endlosfehlermeldung gefangen. Toshiba läßt nicht locker, einen ständig daran zu erinnern, daß man doch gerne den Kunden fürderhin mit Newsletter und Neuigkeitsmails zumüllen würde. Der Notebook beklagt sich zudem, daß er gerne registriert werden möchte. Wegen der Garantie und so. Der Versuch scheitert kläglich. Egal, wie ich die Telefonnummer eingebe, ob mit / oder mit – oder international mit +49 oder im gefakten amerikanischen Format xxx-yyy-yyyy, immer kommt die Fehlermeldung, daß das Format der Telefonnummer nicht stimmt. Nur wenn man die Telefonnummer weglässt, kommt eine andere Meldung. Nämlich die, daß man sich ohne Telefonnummer nicht registrieren kann. Was macht eigentlich jemand, der gar keine Telefonnummer hat? Ich habe ja nicht einmal herausgefunden, wie der sich registrieren könnte, der eine hat!
Irgendwie gewinne ich den Eindruck, daß Vista nur noch als Werbeplattform herhält. Einfach so Betriebssytem drauf und fertig geht wohl nicht. Vermutlich wird der Notebookpreis über die diversen Belästigungs-Sponsoren erreicht.
Das BIOS verhöhnt mich. Da steht zwar schon eine Konfigurationszeile zur Hardware-Virtualisierung. Aber die steht auf “disabled” und sie ist grau, man kann sie mit dem Cursor nicht anwählen, er springt immer drüber. Das riecht verdammt nach BIOS-Upgrade, falls es einen gibt. Ich fürchte, es wird keinen geben. Nach dem Motto “Das hätten Sie gehabt, wenn Sie ein ordentliches Notebook gekauft hätten.”
Testweise mal eine Linux-LiveCD eingelegt, ob die damit klarkäme. Eine Ubuntu 8.04 Desktop bleibt beim Booten mit üblen Fehlermeldungen hängen: Es gibt einen Lesezugriff auf die Festplatte, und zwar auf eine Adresse hinter dem Ende der Festplatte. Wie kommt das denn? Hat da vielleicht jemand bei der Plattenpartitionierung geschlampt?
Die Entwicklung gefällt mir nicht.
Einerseits bin ich durchaus begeistert davon, daß man heute für kleines Geld im Prinzip brauchbare Notebooks hinterhergeworfen bekommt. Mehr als das, was da drin ist, braucht man in der Regel nicht, vom glänzenden Display und der komischen USB-WLAN-Lösung mal abgesehen. Aber das Zwangs-Vista ist mit seinen Aufgaben überfordert, das ist eigentlich nur noch Bunt-Schrei-Brüll-Gemurkse. Linux wäre da besser, aber ob die Chipsätze alle unterstützt werden, wage ich zu bezweifeln, die Hersteller dokumentieren ja nichts mehr.
Im Ergebnis muß man von einer Degeneration des PC-Marktes sprechen. Da läuft was schief.
2 Kommentare (RSS-Feed)
Apropos Notebook-Display: Samsung hat auch in der 600-€ Klasse Notebooks, die ein mattes Display haben. Die bekommt man aber nicht unbedingt im Blödmarkt & Co.
zu 3/4GB Grenze: Tatsache ist, daß man wohl mit WinXP32 und Vista32 die Grenze überschreiten kann. Man muß dann sich von MS die PAE (Physical Address Extension) installieren. Ist aber ein Krampf, damit zu arbeiten und der einzelne Prozess hat trotzdem nicht mehr als 3GB am Stück zur Verfügung. Ist dann nützlich, wenn man viele Programme am laufen hat, die jeweils nicht mehr als 3GB brauchen.
WinXP64/Vista64: Hier hat man den Vorteil, neben der nutzbarkeit von mehr als 4GB RAM am Stück, daß diese mit passenden Programmen üblicherweise bessere Performance als die 32-bit-Versionen haben. Das Hauptproblem sind aber Treiber, insbesondere für ältere (teilweise höchstens 2 Jahre alt!) Hardware. Viele Hersteller bieten immer noch keine Treiber für 64-bit OS-Versionen an. Erschwerend kommt noch hinzu, daß manche Programme anscheinend zu unsauber programmiert sind, daß die mit den 64-bittern nicht zurechtkommen. Ich habe einen Kunden der von Vista64 wieder reumütig zu XPPro32 zurückgekehrt ist.
zu Linux auf Billig-Notebooks: Da ist es auch arg durchwachsen. Meist hilft es, wenn man mehrere live-CDs in petto hat. Ich arbeite meist mit kanotix und knoppix in der aktuellen und einer etwas älteren Version (manchmal laufen die älteren besser!). Dazu hab ich noch meist eine SuSE und eine ubuntu-LiveCD, die manchmal auch weiterhelfen, wenn die anderen streiken. Tatsache ist es aber, daß es immer ein Glücksspiel ist, darauf Linux ordentlich zum laufen zu bekommen, wenn im Vorfeld nicht viel Dokumentation zu erhalten ist. Man hat aber auch bei Windows, zumindest wenn man auf Xp downgraden will, manchmal Pech, weil es gar keine Treiber dafür gibt.
zu Werbemüll: Inzwischen ist es bei den meisten vorinstallierten Systemen so, daß man mehr Arbeit mit dem aufräumen und abschalten hat, als mit dem neuinstallieren. Es wird inzwischen von den Herstellern so viel Müll mitinstalliert, daß man am besten frisch installiert. Bei Systemen die ich verkaufe, bekommen meine Kunden meist einfach eine Neuinstallation mit einer Programmsammlung, die auf Ihre Bedürfnisse angepaßt ist. Das ist meist schneller und performanter, als die vorinstallierte Version zu entmüllen. Das Problem ist aber, daß manche Hersteller zwar viel Software mitliefern, aber nicht die Medien zum installieren. Dann hilft leider nur das Entmüllen.