Ansichten eines Informatikers

Die russische Methode Chinese zu sein

Hadmut
23.6.2008 1:14

und warum Schweißermasken in China voll im Trend liegen.

Manchmal muß es einfach sein. Hin und wieder genehmige ich mir eine Ente süß-sauer beim Chinesen. So auch heute. Ich bin gerade in einer größeren deutschen Stadt unterwegs und hatte einfach Appetit. Ein chinesisches Restaurant war auch nicht schwer zu finden, sogar ein etwas besseres und gehobenes. Es lag nicht gleich vorne an der Straße, sondern etwas verborgen hinten drin, vorne gab es nur das Firmenschild und einen Kasten mit der Speisekarte. Die Preise lagen entsprechend etwas höher als normal, ist aber OK. Ich wollte etwas in Ruhe und ordentlich essen.

Wie ich da nun vor dem Kasten stehe und die Speisekarte studiere, quatscht mich einer an. So’n richtig dicker. Und irgendwie total unfreundlich, mehr so wie einer der Schnorrer auf der Straße, die nen Euro wollen. Und ganz sicher kein Chinese. Ja, der Eingang sei jetzt da vorne, da möge ich doch reingehen. Da paßte überhauptnichts und der Typ schien mir so überhaupt nicht zum Erscheinungsbild und der Speisekarte des Restaurants zu passen. Ich habe zunächst mal gar nichts gesagt, sondern ihn – teils verblüfft, teils mißtrauisch – angesehen. Da machte der weiter. Sie seien sowieso viel billiger als dieses Restaurant und die taugten auch nichts, ich möge mich doch, wenn ich was im Kopf hätte (die genaue Formulierung hab ich mir nicht merken können, etwas in diesem Kaliber) besinnen und jenes moderne Restaurant hier vorne aufsuchen, da gäbe es außerdem die Vorspeise gratis und überhaupt sei alles viel billiger und besser. Ich guckte ihn immer noch an. Er fragte mich, ob ich überhaupt Deutsch verstünde. Ich entgegnete, daß ich durchaus Deutsch verstehe, mir das aber gerade nicht allzuviel dabei helfe zu verstehen, welcher Natur seine Absichten seien. Er zeigte auf eine bunte, fastfood-artige Speisekarte und erklärte, daß er mir doch nur etwas gutes tun wolle, indem er mir besseres Essen für weniger Geld anbiete. Das kam mir sowas von stinkend faul vor, aber das Restaurant war hell und offen und die Gefahr eines Überfalls oder sonstiger Gewalt erschien mir nicht erhöht, weshalb die Neugier obsiegte. Ich äußerte also, daß mir der Sinn nach einer Ente süß-sauer stünde, und fragte, ob man diesen Wunsch erfüllen könnte. Äh, mmmh, nein, so seine erste Reaktion. Ihre Speisekarte war einfach gar zu spärlich. Während der Chinese, zu dem ich eigentlich wollte, irgendwas um die 100 verschiedene Gerichte anbot, hatte dieser komische Laden nur eine Handvoll Gerichte, darunter ein paar chinesische und ein paar Pizza-Varianten. Aber, so fuhr der Dicke fort, man habe offensichtlich Huhn süß-sauer und Ente mit Curry im Angebot. Es müsse also offenbar möglich sein, die Soße des Huhns unter Verzicht auf das Curry auf die Ente zu praktizieren. Die Speisekarte verhieß Preise im Bereich eines Drittels dessen, was der Chinese hinten haben wollte. Also ging ich mal rein und sagte, daß der da draußen gesagte hatte, daß ich Ente süß-sauer als Sonderanfertigung erhalten könnte. Ja, selbstverständlich bekäme ich die Vorspeise gratis, so die Antwort. Ähm, nein, ich will Ente süß-sauer. Nein, das wäre nicht möglich, erklärten sie. Sie könnten wohl die Ente mit Curry etwas milder gestalten, aber trennen könnte man die nicht mehr. Ich fragte wieso. Na, drucksten sie herum, weil das eben schon alles fertig und abgepackt sei. Na prima. Ich sparte mir jedes weitere Wort, drehte auf dem Absatz um und marschierte Richtung Chinese, wobei mich der Dicke unbedingt abfangen wollte. Was mir nicht gefallen habe, fragte er in aggressiv-pöbelhaftem Ton. Daß es keine Ente süß-sauer gebe, schnappte ich. Aber der Chinese habe geschlossen, bellte er. Daß ich mich davon selbst überzeugen wolle, hieb ich zurück.

Der Chinese hatte geöffnet, obwohl zur untypischen Mittagszeit. Schöne Inneineinrichtung, machte seriösen Eindruck, und ich wurde äußerst freundlich und liebenswürdig empfangen. Also erzählte ich dem Chef (er schien jedenfalls der Chef zu sein) was mir da gerade widerfahren sei. Ja, sagte er, das wisse er, damit haben sie zunehmend massive Probleme. Das käme jetzt so auf, das sei die “russische Methode”. Manchmal müßten sie sogar selbst jemand rausstellen der den Leuten sagt, daß sie wirklich geöffnet haben. Die in diesem Fast-Food-Laden würden nur fertiges Zeugs aus der Tüte holen und in der Mikrowelle aufwärmen. Leider merkten die meisten Kunden den Unterschied gar nicht mehr, seien völlig abgestumpft, was das Essen angehe, sähen nur noch auf den Preis und seien damit leichte Beute des Dicken. Das mache ihnen schon Probleme.

Ist ja interessant. Das hört sich an, als gäbe es da demnächst Straßenkrieg um die Kunden. Ob sich da demnächst die chinesische mit der russischen Mafia fetzt? Die sind beide nicht zu unterschätzen und auch nicht zimperlich. Da fiel mir so der Rat eines deutschen Polizisten in einer anderen deutschen Stadt ein, den ich vor Jahren fragte, in welchem Stadtteil man am sichersten wohnt und der mir sagte, ich möge einen gewissen Stadtteil meiden, weil da die Russen immer aufeinander schössen. Zwar schössen sie eigentlich immer nur auf andere Russen und nicht auf Deutsche, ihre Trefferquote sei indes leider nur mäßig, was mit einer gewisser Gefährdung der Umwelt verbunden sei. Man liefe somit eigentlich nur Gefahr, versehentlich erschossen zu werden, was sich auf das Ergebnis aber nur marginal auswirke und erfahrungsgemäß nicht als tröstlich empfunden würde.

Nun kam ich aber zurück auf den eigentlichen Grund meines Besuches, nämlich möglichst umgehend eine Portion Ente süß-sauer zu vertilgen. Ich hatte freie Auswahl unter den Plätzen und man war überrascht, daß ich einen Platz im Schatten den sonnigen Plätzen vorzog. Ich sei wohl ein untypischer Fall, weil Deutsche eigentlich immer in der Sonne sitzen wollten. Na, sage ich, erfahrungsgemäß rennen nur die Deutschen und einige andere europäische Narren in der Sonne rum, während Leute aus Ländern, die starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, gelernt haben, die Sonne zu meiden und Schatten zu suchen, große Hüte zu tragen usw. Darüber kam ich mit der netten chinesischen Bedienung in ein Gespräch über die Frage, wie die Sonne so in China steht und ob die klischeehaften chinesischen Hüte noch gängig sind.

Ach, meinte sie, sie sei ja nur noch selten und nur gelegentlich zu Besuch in China. Sie müsse sich jedesmal von neuem an die vielen Änderungen gewöhnen, die in China vor sich gingen. Manches sei schon sehr komisch. Als sie das letzte Mal nach China kam, habe sie bei der Fahrt vom Flughafen seltsam gewandete Frauen auf Fahrrädern gesehen, die ihr unbekannte aber lange und körperbedeckende Gewänder trugen und dazu etwas auf dem Kopf hatten, was sie für eine Schweißermaske hielt und sich nicht erklären konnte. Nachdem sie immer mehr Leute damit sah, fragte sie den Taxifahrer, was die denn für ein Problem hätten. Der erklärte ihr, daß das jetzt der Trend sei, weil nun plötzlich das Schönheitsideal sei, möglichst blass und ungebräunt zu sein und deshalb Sonne zu meiden wo es geht. Die seltsame Maske war aus Plastik und ist da jetzt wohl schwer im Kommen. Die rennen da jetzt wohl mit Plastik-Schweißermasken herum.

Die Ente war vorzüglich.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

yasar
23.6.2008 11:39
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Du warst anscheinend nie in einen Massentouristenort (z.B. Bodrum oder Marmaris) in der Türkei. Da sind meistens mehrere Lokale nebeneinander und die “Türsteher” versuchen dann die Touristen jeweils in Ihr lokal zu locken und manche Schrecken nicht davor zurück, sich beim Konkurrenten hinzustellen und dem die Kunden madig zu machen und zu “Ihrem” Lokal zu lotsen.

Manche sind dabei so penetrant, den “zukünftigen Kunden” so auf bedrängen, daß Sie ihn über mehrere zig Meter verfolgen.

Da hilft es doch, der Landessprache mächtig zu sein und in kurzen scharfen Ton für Abhilfe sorgen zu können, was aber dem gemeinen Touristen nicht hilft.

Fairerweise muß man aber sagen, solche Lokale in der deutlichen Minderheit waren und daß das anscheinend nur dort passierte wo der Konkurrenzdruck besonders groß war.