Ansichten eines Informatikers

Erbbaurecht

Hadmut
20.10.2008 0:08

Warum es ein Fehler ist, die Finanzkrise verhindern zu wollen und die Banken zu stützen.

Gestern traf mich fast der Schlag – im übertragenen Sinne. Im Radio kam die Meldung, daß die Banken beschlossen haben, daß sie alle gemeinsam auf die Hilfszahlung der Bundesregierung zugreifen, also sich satt aus dem Steuergeldtopf bedienen, und zwar auch die, denen es gut geht. Die perfide Begründung: Würden sich nur einzelne bedienen, dann wüßte man ja, wem es dreckig geht, und dann würden die Kunden weglaufen usw. usw. Also müßte der Steuerzahler auch die Banken alimentierten, denen es gut geht. Und dafür gibt unsere Regierung gerade den ausgeglichenen Staatshaushalt auf, den sie bald erreichen wollte.

Nun gut, die betroffenen Banken zu verbergen, hat schon kryptographische Aspekte. Es gibt Berichte von ganzen Schulklassen, die sich samt Klassenlehrer eine Glatze haben scheren lassen – damit man nicht merkt, daß eines der Kinder Krebs hat und von der Chemotherapie die Haare verloren hat. Es geht die Legende, daß die Sitte, an der Herrenweste den untersten Knopf offenzulassen, darauf zurückgeht, daß irgendein König oder Fürst zum Fest geladen hatte und – weil zu fett geworden – seine Weste unten nicht mehr zubekam. Um dem König die Peinlichkeit zu ersparen, erklärte man es kurzerhand zur Mode und es ließen einfach alle den Knopf offen, des Königs Ehre war gerettet. Hat sich bis heute gehalten.

Da ist aber auch die Unsitte, die Gewinne zu privatisieren und die Verluste zu sozialisieren. Geht es den Banken gut, dann zahlen wir alle über Wucherzinsen. Geht es ihnen schlecht, dann zahlen wir über Steuern. Gleichzeitig stopft sich das Management die Taschen voll. Ich habe gelesen, daß die amerikanischen Banken ihren Vorstandsetagen noch schnell 70 Milliarden Dollar austeilen, bevor sie zum Staat gehen und Steuergelder anfordern, weil sie so pleite sind. Unser Staat reduziert sich immer mehr zum Inkassounternehmen der Wirtschaft, der Steuerzahler zum Melkvieh mit einer höheren Steuerbelastung als der mittelalterliche Lehnsmann oder Leibeigene zu zahlen hatte. Ich habe heute eine Sendung über Auswanderer gesehen. Ein deutscher Klempner ohne Meisterbrief, der in Texas in gemütlicher Weise Klimaanlagen repariert, bekommt dort bis zu 80 Dollar die Stunde und zahlt dafür nur 5 Prozent Steuern. Soviel bekommt man in Deutschland als studierter Informatiker nicht, wenn man den Steuersatz und die Abgaben berücksichtigt – die nun wieder in Hunderten von Milliarden rausgehauen werden.

Ist das Rettungspaket denn für die Wirtschaft sinnvoll? Ich glaube nein.

Ich suche gerade eine Wohnung in München. Grauenhaft. Die Mieten sind unglaublich hoch, der Markt ist knapp, die Qualität vieler Wohnungen mäßig.

Der Öffentliche Personennahverkehr ist in München aufgrund seiner seltsamen Sternstruktur nur dann zu gebrauchen, wenn man zufällig an der S-Bahn-Linie wohn, die man gerade braucht. Schwierig aufgrund der Sternstruktur. Zwar findet man mit etwas Geduld durchaus noch mickrige, aber halbwegs akzeptable Wohnungen – aber dann ist man gut 10 km vom Arbeitsplatz weg was im Münchner Verkehrschaos durchaus auch eine knappe Stunde Fahrt zur Arbeit bedeuten kann. Man verliert quasi 10 Stunden die Woche nur zum Herumstehen im Stau. Vom Benzin gar nicht zu reden. Und gleichzeitig bringen sie Berichte darüber, daß in der Innenstadt Investoren normale Wohnungen umbauen und zusammenlegen und Millionärsunterkünfte daraus bauen.

Mietwohnungen sind aber knapp. Und teuer. Man zahlt schon für eine vergleichsweise kleine Wohnung leicht 800-900 Euro im Monat. Kalt, versteht sich. Nebenkosten und Parkplatz gehen extra. Dazu kommt dann noch eine Maklerprovision über 2,38 Monatsmieten also bis über 2000 Euro. Dann eine Kaution über 3 Mieten. Also bis 2700 Euro. Dann will vielleicht der Vormieter noch eine Ablöse für die Einbauten. Auch gleich mal 2000 Euro. Oder die Wohnung ist leer, eine Küche muß rein, auch mindestens 1000 Euro, selbst für ne Popel-Zeile. Und schon hat man 6.700 Euro hingelegt nur um überhaupt in die Wohnung reinzukommen. [Nachtrag: Ich vergas: Ein Makler hat mir noch erzählt, daß manche Vermieter, die unter einem Dutzend Mieter wählen können, deshalb noch ein “Handgeld” erwarten.]

Etwas günstiger ist es außerhalb, aber dann pendelt man jeden Morgen durch den Stau. Schrecklich. Kürzlich stand in der Zeitung, daß der Münchner Bürgermeister Ude tatsächlich den Vorwurf erhebt, daß zu viele Leute sich den Luxus leisten (!) in der grünen Umgebung um München zu wohnen und mit dem Auto pendeln, was zu Feinstaub und Benzinverbrauch führt. So ein Schwachsinn. Die meisten würden lieber in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen – wenn es denn bezahlbaren Wohnraum und einen tauglichen Personennahverkehr gäbe. Und dafür wird man auch noch vom Bürgermeister beschimpft.

Nun stampfen sie hier etwas außerhalb ganze Neubauviertel aus dem Boden. Nicht wirklich schön, Massenproduktion eben, 4-stöckige Massensiedlungen, sieht alles gleich aus, aber man kann’s da aushalten. Solide Bauweise. Eigentlich die richtige Kur. Nur mieten kann man da fast nichts. Weil fast niemand mehr investiert um sich dann mit schlechten Mietern rumzuschlagen. Wenn überhaupt, dann ab und zu mal ne kleine 2-Zimmer-Wohnung.

So richtig kaufen kann man es aber auch nicht. Die Grundstückspreise sind nämlich so unverschämt hoch, daß sich das niemand leisten kann, Eigentumswohnungen wären fast unverkäuflich, wenn man den Grund mitkaufen wollte. Außerdem will man vermeiden, daß sich das zu sehr zergliedert.

Also betreibt man hier das “Erbbaurecht”: Man kauft, was eigentlich nicht so richtig geht, nur die Wohnung, aber nicht das Grundstück. Das Grundstück muß man dann mit einem Mietvertrag über 99 Jahre dazumieten. Das heißt, man macht einen Kaufvertrag, ziemlich teuer, und muß trotzdem den Erbauzins (oder so ähnlich) zahlen, also zahlt man dien Kauf und eine Miete oben drauf. Ich hab mir heute eine gewöhnliche 4-Zimmerwohnung angesehen, weiß nicht mehr, so um die 75 quadratmeter, noch Rohbau, für die wollten sie 270.000 Euro – weils das Sonderangebot war. Nebendran eine ähnliche für 300.000. Ach ja, und wenn man die Wohnung gekauft hat, zahlt man trotzdem für das Baurecht irgendwas über 200 Euro im Monat. Ich glaub, es waren 270 Euro oder so.

Ich habe mich danach noch mit einem Makler einer anderen Firma unterhalten. Nein, zu vermieten hätten sie praktisch nichts, keine Investoren mehr.

Darlehen seien aber auch nur noch sehr schwer zu erhalten, die Banken extrem zurückhaltend geworden. Selbst absolut sichere Darlehensnehmer mit unkündbarer Beamtenstelle, die früher ihr Darlehen innerhalb von 2 Tagen bekommen haben, müssen nun einen Monat auf die Zusage warten, mit unterschiedlichen Chancen. Sie verkaufen inzwischen drastisch weniger über Darlehen.

Wie sie denn dann überhaupt noch ihre Wohnungen loswürden, will ich wissen. Och, meint er, da hätten sie eigentlich keine Probleme, genügen Leute hätten genügend Geld, die kaufen das einfach so. Aha. Da landen also die Gelder über die Banken.

Wie soll sich eigentlich eine Familie mit normalem Einkommen oder eine alleinerziehende Mutter hier ein Dach über dem Kopf leisten können? Es ist mir schleierhaft, wie in einer gesunden Gesellschaft solche Zustände zustandekommen. Solche Preise sind ja nur darüber erklärlich, daß eine gewisse Elite überproportional viel Geld hat – was zweifellos auch mit den Banken zu tun hat.

Ich habe deshalb den Eindruck, daß es ein großer Fehler ist, die Banken zu stützen und weiterzumachen wie bisher. Dann müssen halt ein paar pleite gehen und ein paar Millionäre ihre Kontoauszüge in den Shredder werfen. Wenn dann mal ein paar Käufer abspringen oder nicht mehr bar zahlen, und der ein oder andere Kredit platzt und mal ne Bank baden geht, würden die Grundstückspreise – wie in den USA – rapide nach unten gehen. Im Endeffekt halte ich das volkswirtschaftlich für gesünder als so weiterzumachen wie bisher.

2 Kommentare (RSS-Feed)

yasar
20.10.2008 15:35
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Von Eigentumswohnungen kann ich aus persönlicher Erfahrung nur abraten. Es gehört einem “nichts”, vielleicht ein paar Quadratmeter Grundstück, wenn überhaupt und man hat trotzdem (Neben-)Kosten wie ein Mieter. dazu kommt noch die Instandhaltungsrücklage usw. Und wenn man die Wohnung nicht als Geldanlage sondern selbst nutzt, ist man sogar schlimmer dran als ein Mieter. Ein Miter kann, im Rahmen der Kündigungsfristen jederzeit ausziehen und sich was neues suchen, wenn die “Umgebung” nicht mehr paßt. Als Eigentümer hat man meist diese freiheit nicht, sofern man keine größeren finanziellen Nachteile in Kauf nehmen will (Verlust beim Verkauf oder doppelte Kosten wegen neuer und alter Wohnung).

Eigentumswohnungen sind nur für den Verkäufer/Hersteller oder den geldanlegenden “Steuersparer” sinnvoll und für letzteren auch nur dann, wenn er nicht überteuert kauft, was leider oft der Fall ist.

Man kann nicht einmal in seinen “eigenen vier Wänden” tun und lassen was man will, sondern braucht oft genug die Zustimmung der Miteigentümer.

gruß

yasar


Stefan
21.10.2008 8:32
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Wohngeld ist im Wohnungsmarkt ein weiteres Problem.

Würden die Harz-4-Empfänger einen festen Durchschnittswert erhalten, so würde ein Druck auf die Mietpreise entstehen, die Mieten müßten bei zunehmender Armut sinken.

Da aber die Kommunen die Miete übernehmen besteht für den Bewohner kein Anreiz billig zu wohnen. Solange man nicht die orts- und haushaltsüblichen Grenzen überschreitet zahlt das Jobcenter – man ist also gut beraten kurz vor Verlust des Arbeitsplatzes schnell in eine Wohnung umzuziehen, die gerade noch toleriert wird.

Für den Vermieter ist ein Harz-IV-Empfänger eine sicherere Einnahmequelle als ein kleiner Selbständiger. 🙂

Für die Betroffenen ist es natürlich gut, nicht bei Arbeitsplatzverlust und -fund jeweils umziehen zu müssen.
Der Durchmischung von Stadtvierteln tut es auch gut.

Aber was auf den ersten Blick wie eine Wohltat für den kleinen Mann verstanden werden kann, kann auch als Subvention der Hausbesitzer aufgefaßt werden.

Nachtrag: Da Wohngeld eine kommunale Angelegenheit ist kann es da je nach Ort sehr unterschiedliche Regelungen geben. In Berlin wird für einen 1-Personenhaushalt bis zu 50qm übernommen, bis zu 1,5 Zimmer, und was den Preis betrifft ist es mir nicht bekannt.
Da die Kommune aber den Umzug bezahlen müßte wird nicht jede Grenzpberschreitung sanktioniert.