Generalbundesanwältin fordert Vertrauen in Ermittlungsmaßnahmen
Laut Heise Newsticker bzw. Leipziger Volkszeigung fordert die Generalbundesanwältin Monika Harms mehr Vertrauen in staatliche Ermittlungsmaßnahmen wie den “Bundestrojaner” und will, daß man das nicht kritisch betrachtet. Ich bin da anderer Meinung und werde es begründen.
Ich habe aus meinem Streit um Kryptographie seit 10 Jahren einige Erfahrung damit, wie die Staatsanwaltschaften ermitteln. Und ich habe auch beruflich mit vielen Strafermittlungsverfahren zu tun. Ich halte das Vertrauen, das die Generalbundesanwältin hier einfordert, für nicht gerechtfertigt und halte im Gegenteil sogar erhebliches Mißtrauen für angebracht. Und zwar aus folgenden Gründen:
- Es zeichnet sich immer mehr ab und wird immer bekannter, daß die Staatsanwaltschaften nicht mehr gleichmäßig ermitteln, sondern immer mehr erhebliche und schwere Straftaten überhaupt nicht mehr verfolgen. Je selektiver und je vetternblinder der Staat agiert, desto weniger vertrauenswürdig ist er.
- Ich habe gerade in meiner Doku aufgezeigt, daß sogar das BSI und damit die Bundesregierung sich daran beteiligten, unsichere Wahlverfahren durch plakative Preisauszeichnungen zu propagieren. Es gibt eine Aussage des BSI-Präsidenten, daß sich “Sicherheit” nach Auffassung der Bundesregierung allein an Umsätzen der Sicherheitsindustrie und Forschungsgeldern festmacht.
- Ich habe in der Doku auch aufgezeigt, daß der Staat inzwischen auch systematisch falsche kryptographische Behauptungen im Bereich der staatlichen Kommunikationsüberwachung aufstellt und durchsetzt.
- Auch daß Richter inzwischen Verhandlungsprotokolle fälschen und man Aussagen aus der Kryptographie und IT-Sicherheit nicht mehr vor Gericht nachweisen kann, ist nicht gerade ein Grund zum Vertrauen. Eingriffe wie die Kommunikationsüberwachung oder der Bundestrojaner werfen fachlich schwierigste Frage zur Beweislage und Forensik auf. Wenn aber wie hier jegliche gerichtliche Klärung von Fragen der Kryptographie und IT-Sicherheit versagt, dann sind die Rechte und der Rechtsschutz des Beschuldigten nicht mehr gewährleistet, er steht Behauptungen des Staates wehrlos gegenüber.
- Staatliche Ermittlungsmaßnahmen können nur dann das Vertrauen genießen, wenn der Staat auch ehrlich, wissenschaftlich und vertrauenswürdig in seinen Aussagen ist. Es gibt hier aber eine ganze Reihe systematisch falscher kryptographischer Aussagen zur Staatlichen Kommunikationsüberwachung.
- Schon einfachste staatliche Ermittlungsmaßnahmen wie IP-Abfragen nach § 113 TKG oder Abhörmaßnahmen nach § 100a StPO laufen oft katastrophal schief und durcheinander.
Zwar muß und will ich gerne bestätigen, daß die allermeisten Polizisten in dieser Hinsicht freundliche, ehrliche und – soweit ich es beurteilen kann – vertrauenswürdige Leute sind und sich wirklich große Mühe geben, gut, sorgfältig und fair zu ermitteln.
Der Staat selbst macht diese Mühe der Polizisten aber zunichte: Es fehlt an Schulungen, Material, Systematik, hinzu kommt das Durcheinander aus 16 unterschiedlich agierenden Bundesländern. Im Ergebnis herrscht da grenzenloses Durcheinander, in dem die Polizisten oft hilflos untergehen.
Nur ein Beispiel: Normalerweise müßte ein Polizist bei solchen Abfragen über die Bundesnetzagentur in Erfahrung bringen, was die zuständige Stelle des Providers ist und sich – zur Wahrung der Vertraulichkeit – direkt an diese Stelle wenden. Sowohl zum Datenschutz der Betroffenen, als auch zum Schutz der Ermittlungen darf eigentlich kein anderer Kenntnis von solchen Vorgängen erklangen.
Nur: Das funktioniert hinten und vorne nicht. Die meisten Polizisten wissen nichts von dieser Vorgehensweise über die Bundesnetzagentur und versuchen auf eigene Faust, sich über den Provider irgendwie durchzufragen. Da kommen dann Faxe mit expliziten Verdächtigennamen und Tatvorwürfen von Kinderpornographie über Rauschgiftdelikte bis hin zum Splatter-Mord an der Verwandschaft einschließlich Beschreibung der Blutspritzer in der Küche zu allen Löchern rein, über die Kundenberatung, die Hotline, de Störungsannahme, die Geschäftsführung.
Da herrschen untragbare Zustände. Wie soll man vor diesem Hintergrund staatlichen Ermittlungsmaßnahmen vertrauen können?
- Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, etwa das Abhören nach § 100a StPO, bedürfen einer richterlichen Anordnung, hier nach § 100b StPO. Weil der Betroffene von der Maßnahme natürlich nichts erfahren darf, soll der Richtervorbehalt sicherstellen, daß die Rechte des Betroffenen gewahrt bleiben.
Nur: Diese Richterlichen Anordnungen sind in der Regel das Papier nicht wert. Da wird nach dem Massenverfahren ohne Einzelfallprüfung abgehakt. Teils wird nicht einmal ein Beschluß formuliert, sondern nur noch ein Formular abgehakt.
Wenn die Anordnungen Fragen aufwerfen, unklar, unvollständig oder fehlerhaft sind, und man telefonisch beim Richter rückfragen muß, kann es gruselig werden. Viele Gerichte können sich zu dem, was sie am selben Tag oder am Vortrag beschlossen haben, überhaupt nicht äußern. Die sagen dann, sie haben die Akten ja nur für eine halbe Stunde bekommen, das reiche gar nicht, um sie zu prüfen. Oder sie sagen ganz offen, daß sie das nur abhaken und nicht prüfen, das würde wohl schon seine Richtigkeit haben, wenn die Staatsanwaltschaft das vorlegt. Manchmal trifft man auch auf Richter, die nicht wissen, was sie da eigentlich tun. Ich hatte schon Richter am Telefon, die überhaupt nicht verstanden, was man von ihnen will, wenn ich ihnen sagte, daß man der Ausleitanordnung nicht nachkommen kann, solange die Verbindungsdaten dazu fehlen. Oder die den Unterschied zwischen einer Aufzeichnung der Telekommunikation und der Aufzeichnung der Verbindungsdaten nicht kannten. Oder nicht wußten, daß das unterschiedliche Stellen machen, und das deshalb eigentlich auf zwei verschiedene Beschlüsse zu verteilen wäre.
Da herrscht Wilder Westen.
Das geforderte Vertrauen kann ich nicht aufbringen.
Im Gegenteil: Ich halte die Forderung der Generalbundesanwältin vor diesem Hintergrund für blauäugig, was eher noch mein Mißtrauen steigert.
[…] Vertrauen… Update: Hadmut Danisch erkl