Musicals – ABBA und andere
Nachdem sie bei Blödmarkt gerade im Angebot war und ich den Kinofilm nicht gesehen habe, habe ich mir die DVD des ABBA-Musicals Mamma Mia! gekauft. Ein paar Anmerkungen zu dieser und anderen Musicals und ihren Verfilmungen.
ABBA – Mamma Mia!
Nun gut, nachdem ich in den Siebzigern meine Teenager-Zeit hatte und meine damalige Flamme ABBA-Fan war, war ich es – mehr oder weniger freiwillig – auch. Man kann über ABBA sagen, was man will, es sind eben Jugenderinnerungen. Und schaurige Frisuren, Kragen bis zu den Schultern, scheußliche Hosen, riesige Gürtelschnallen und solchen Scheiß hatte ich damals auch. Also hab ich Spaß, wenn ich ABBA höre. Und deshalb war ich auch gleich zweimal im ABBA-Musical, einmal in Stuttgart und einmal in Berlin. Und die waren wirklich gut. Riesen-Stimmung, die Bude hat gekocht, sehr gute Stimmen.
Von dem Video bin ich allerdings enttäuscht. Da kommt kaum Stimmung auf. Die an sich lausige Handlung kommt da nicht gut rüber, die Besetzungen sind nicht gut, auch nicht stimmlich. Pierce Brosnan kann nicht singen und die Sophie ist eine glatte Fehlbesetzung. Die beiden Sophies aus Berlin und Stuttgart waren definitiv besser. Und die Tanyas und Rosies aus Deutschland, besonders die in Stuttgart, wären auch besser gewesen. Wobei, mmh, vielleicht kann man das gar nicht so sagen, die fest eingedrillte Darstellung auf der Bühne ist doch was anderes als in einem Film mitzuspielen. Aber was ist schwieriger?
Vielleicht kommt in einem Film, einer toten Konserve, einfach nie die Stimmung rüber, wie wenn da wirklich welche auf der Bühne spielen und die Musik live erzeugt wird. Jedenfalls fehlt im Film der geile Mond von der Bühne, die Kostüme im Film sind nichts und das Finale nur ein müder Abklatsch der Bühnenshow. Beim Waterloo-Finale in Stuttgart hat der ganze Saal so getobt, daß man dachte, das Gebäude stürzt ein. Und selbst bei der Vorstellung in Berlin, bei der ich aus irgendwelchen Gründen wohl in eine Rentner-Veranstaltung geraten bin, war da riesig was los. Kommt im Film so einfach nicht.
Langer Rede kurzer Sinn: Das Bühnen-Musical find ich zwar kitschig-schnulzig, aber sehr gut, super Musik. Den Film muß man nicht sehen. Und wenn, sollte man warten, bis er unter 5 Euro angekommen ist oder im Fernsehen kommt.
Chicago
Hier ist die Verfilmung super gelungen, sehr empfehlenswert, optisch sehr gut, tolle Musik, gute Story. Geiles Musical.
Das Musical selbst hab ich zweimal in London im Abstand von etwa 6 Jahren gesehen. Beim ersten Mal noch in einem teuren Theater mit Schauspielern, die explizit beworben wurden. Beim zweiten Mal war das Musical in ein weiter entfernteres Theater umgezogen und wurde nur noch damit beworben, daß es seit 10 Jahren läuft. In der Musical-Stadt London ist es eben so, daß viele Musicals laufen und die dann auch Jahre lang, aber eben immer weiter “runterkommen”. Sie rutschen in die Halb-Preis-Buden und sind trotzdem nicht voll besetzt. Das senkt natürlich auch die Gagen für die Künstler und führt dazu, daß nicht schlechtere, sondern jüngere und weniger erfahrene Künstler eingesetzt werden. Ist ja nicht schlecht, die müssen ja auch mal. Man muß es eben wissen. Vielleicht bin ich zwischendrin auch kritischer geworden.
Außerdem scheint es da eine Überbeitung des Musical gegeben zu haben. Ich habe ältere Aufnahmen gesehen (War das auf youtube?), in denen die in grauslichen Kostümen rumliefen. Dann wurde das Musical 1977 eigentlich beendet. Und dann später in ganz anderer aufmachen wieder neu aufgelegt. Die Version, die ich kenne, hat eigentlich kein Bühnenbild, sondern man sitzt dem Orchester direkt gegenüber (!) und die Schauspieler sind eigentlich immer alle auf der Bühne, setzen sich nur mit dem Stuhl an die Seite, wenn sie nichts zu tun haben. Außerdem gibt es bis auf ganz wenige Ausnahmen keine Farben. Alle Klamotten und Gegenstände nur in schwarz oder weiß. Dafür viel mit Strapsen, Korsett und so. Sehr gut gelungen. Wer den Musikstil mag (ich mag ihn!) sollte unbedingt mal reingehen. Oder sich den Film ansehen. Mit Richard Gere in der Hauptrolle des schmierigen Anwaltes, was er sehr gut macht. Richtig gut: Der Knast-Tango und Geres Auftritt vor Gericht.
Fiddler on the Roof (Anatevka)
Hab ich kürzlich in London gesehen. War zwar technisch und gesanglich hervorragend und gut gemacht, aber einfach überhaupt nicht mein Geschmack. Wirklich richtig gut war da “If I were a rich man”, aber danach konnte ich mit dem Musical nichts mehr anfangen. Den Hauptdarsteller hätte ich fast nicht wiedererkannt, als der später nach dem Musical an der Ampel neben mir stand. Die hohe Qualität der Besetzung (da gabs auch nichts zum halben Preis, alles teuer und restlos ausverkauft) merkte man daran, daß die Töchter nicht die üblichen austauschbaren Standard-Musical-Stimmen und das Standard-Musical-Gehabe nach einer Standard-Musical-Ausbildung, sondern eindeutig eine klassische Gesangsausbildung und wirklich glasklare Stimmen hatten. Aber ich mach mir einfach nichts aus klassischem Gesang. Das wirklich interessante, nämlich so dieser jiddische Witz, kam nicht ganz so rüber, hauptsächlich in den Sprech-Stellen. Naja. Interessant war ein Blick in den Orchestergraben, denn da waren lauter für Musicals völlig untypische Musikinstrumente, und die haben wirklich gut gespielt. Aber es war halt nicht so mein Geschmack.
Queen – the Musical
Tolles Musical. Gute Musik. Hab ich mal in Köln und mal in London gesehen. Ich fand die Besetzung in Köln eindeutig besser.
In London war das Musical auch schon an dem Punkt, an dem einfach das Theater trotz halbe Preise nicht mehr vollzukriegen war und entsprechend standen auch den beiden Hauptrollen sehr junge Darsteller oben, die zwar ihren Job völlig einwandfrei abgespult haben, mehr eben aber auch nicht. Die Stimmen hörten sich eben nich nach Queen an, sondern nach beliebig austauschbarem Musical-Material, wie sie es eben in der Musical-Ausbildung lernen. Kein falscher Ton, sitzt alles, aber eben auch nicht so wirklich ergreifend. In Köln war da viel bessere Stimmung und auch die Besetzung besser.
Little Shop of Horrors
Die Verfilmung des Musicals gehört zu meinen Lieblings-DVDs, die Musik ist einfach super. Weil die nicht den Fehler gemacht haben, nur Schauspieler zu nehmen, die wenig gesangserfahren sind (wie beim ABBA-Musical). Die Schauspielerin der Audrey war da nämlich dieselbe, die auch die Rolle im Broadway-Musical hatte. Und das merkt man. Zwar hat die normalerweise die Drehbuch-vorgeschriebene Piepsestimme, aber wenn die beim Singen den Hals aufmacht und richtig aufdreht, dann merkt man, daß die Frau so richtig gut singen kann.
Die Musik und die Story von Little Shop of Horrors find ich einfach super. Man muß allerdings wissen, daß das ursprünglich gedrehte Ende darauf lautete, daß Audrey II die ganze Welt auffrisst. Weil das Publikum das nicht angenommen hätte, hat man das Ende verändert.
Achtung: Es gibt eine alte Verfilmung ohne Musik von 1960 mit Jack Nicholson in einer Nebenrolle, die ist aber nichts.
Live habe ich das Musical nur einmal gesehen, in so einem winzig kleinen Low-Budget-Experimental-Theater in Dresden. Ich weiß nicht mehr, wie das hieß. Wenn man von der A4 Richtung Innenstadt fährt da an der Linkskurve mit der Tankstelle auf der linken Seite. Praktisch kein Bühnenbild, alles nur sehr abstrakt (eben Low-Budget) durch ein paar Würfel aufgebaut. Die Aufführung auch nicht sehr professionell. Aber trotz allem sehr, sehr gut. Audrey II wurde von einer kleinen Dicken in so einem albernen Strumpfhosen-Kostüm gespielt. Erst dachte ich, die spinnen. Aber als die dann angefangen hat zu singen war ich platt. Eine Stimme wie zehn durchgerostete Reibeisen, die hat einfach alle an die Wand gesungen, die Schauspieler der Verfilmung mit eingeschlossen. Allein diese Audrey II gehört zu haben war den Besuch mehr als wert.
Annie get your Gun
Eigentlich ein altes Musical, das schon lange nicht mehr gespielt wird. Bin in New York mal zufällig in die Wiederaufführung gegangen. Na ja, war ganz nett. Seitdem weiß ich endlich, woher “There’s no business like show-business” kommt. Wichtig sind auch die vielen guten Witze, die ich leider nicht alle verstanden habe. Ansonsten wilder Westen und Romanze und so. Annie Oakley ist Kunstschützin, tritt in der Western-Show von Buffalo Bill auf, besiegt beim Schießen Frank Butler, woraufhin der sich in sie verliebt, und dann der unvermeidliche Lauf der Dinge. Am besten fand ich den Witz des alten Indianers im Zugabteil über die “Reservation in South Dakota”
Verblüfft war ich einige Tage später, als ich in Washington in der Nationalbibliothek stand und sah, daß die Figur der Annie Oakley aus dem Musical nicht fiktiv ist sondern wirklich existiert hat und wirklich Kunstschützin im Wilden Westen war und mit Buffalo Bill rumgezogen ist. In der Bibliothek lag ein schriftliches Angebot Annie Oakleys, den damaligen Präsidenten mit Scharfschützen bei irgendwas zu unterstützten.
Starlight Express
Ja. Gut. Mal in Bochum gesehen. Gute Musik, flott anzusehen, wenn die einem vor der Nase rumfahren. Ein paar nette Songs. Gut ist der Aufwärmtanz nach der Pause.
Mozart
In Wien gesehen, war sehr gut. Hat aber seltsamerweise kaum überregionales Interesse gefunden. Eins der Musicals mit richtig Inhalt, das den Konflikt in Mozart so richtig rausarbeitet. Gute Musik.
Phantom of the Opera
In Pittsburgh gesehen, fand ich jetzt aber nicht so doll. Zu schnulzig. Gesang nicht so mein Fall.
Cats
Was’n Scheiß.
Das war das andere der beiden Musicals, die ich mir ’99 in New York angesehen habe. Irgendwie langweilig und langatmig. Als ich da wieder raus kam, hatte ich das dringende Gefühl, daß ich da irgendetwas verpasst habe, weil ich überhaupt keine Story mitbekommen hatte. Das war das erste Musical, von dem ich mir eine DVD gekauft habe, um herauszufinden, worum es eigentlich geht. Die DVD ist keine Verfilmung, sondern eine Bühnenaufnahme. Das Musical hat keine Story. Es werden einfach die verschiedenen Katzen vorgeführt und das war’s. Das lebt einfach von seinem Hauptsong “Mondlicht” und den Kostümen.
Blues Brothers
Ich bin mir nicht sicher, ob das als Musical-Verfilmung durchgeht. Soweit ich weiß, ist die Band “Blues Brothers” echt und bestand aus den Typen im Film, und hat auch solche Bühnenshows gemacht. Gehört jedenfalls (zusammen mit Little Shop of Horrors und Oh Brother where art thou) zu den meines Erachtens besten Musik-Filmen. Blues Brothers ist einfach Kult. Den muß man haben.
Full ACK zu Blues Brothers.
Am besten in einer langen Kinonacht mit Feuerzangenbowle oder Rocky Horror und 20 Freunden – der absolute Overkill.