“Dummschwätzer!” – legalisiert
Endlich ist es höchstrichterlich bestätigt, daß man jemanden, der dumm daherschwätzt, auch als Dummschwätzer titulieren darf. Ein Blick auf unsere Gesellschaft.
Gerade heute mittag erst habe ich etwas darüber geschrieben, daß man vor deutschen Gerichten inzwischen schon wegen Kritik an Richtern angeklagt werden kann.
Da kommt gerade eben noch eine positive, höchst bemerkenswerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazwischen: Jemanden als Dummschwätzer zu bezeichnen ist nicht in jedem Fall eine Straftat. Siehe SPIEGEL, sowie die Entscheidung und Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.
In der Sache selbst kann die Entscheidung nicht überraschen, denn sie ist nichts anderes als die konsequente Fortsetzung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Redefreiheit, zur Beleidigung und zu § 193 StGB.
Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß Trennlinie zwischen erlaubter Redefreiheit und unerlaubter Schmähung immer daran festgemacht wird, ob die Rede einen konkreten Bezug hat und eine Meinung oder die Vertretung eines Interesse beinhaltet, oder ob sie völlig isoliert dasteht und nur der Schmähung und Herabsetzung einer Person dient.
Außerdem kommen die Grenzen der Form dazu. Bezeichnungen wie “Arschloch” oder diverse Zuordnungen aus dem Tierreich dürften kaum eine Rechtfertigung finden, weil sie nicht mehr mit der Kritik an einer Sache oder Aussage verbunden sind, sondern nur noch in der Schmähung einer Person liegen. Die Meinung aber, daß die Rede eines anderen als dummes Geschwätz einzustufen ist, muß man auch äußern können, denn die Meinung darüber unterliegt der Meinungsfreiheit. Daher ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur konsequent und richtig – und keineswegs überraschend, sondern eine eindeutige Anwendung der bisherigen Erkenntnisse zur Meinungs- und Redefreiheit. Wer sich damit befaßt hat, für den ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zwingend. Ich habe mich ausgiebig damit befaßt, als man mir aus dem Universitätsumfeld heraus Kritik gerichtlich verbieten lassen wollte.
Und wie schon in dem Blog-Artikel von heute mittag muß man sich wieder mal wundern, welche seltsamen Rechtsauffassungen da an den Oberlandesgerichten und anderen Gerichten herrschen. Solche Vorgänge dürfte es eigentlich nicht geben, wenn die Juristenausbildung gut wäre.
Dahinter steht aber auch ein gesellschaftliches Problem. Es ist zunehmend gängige Übung, sich über jegliche Kritik anderer hinwegzusetzen und jede Kritik als Beleidigung abzutun. Die Einstufung als Beleidigung ist das Vehikel für Ignoranz, und damit zunehmend auch Grundlage für bewußt unangemessenes Verhalten wie Willkür und Korruption. Oder eben dummes Geschwätz, wie es immer öfter auch zur Durchsetzung von Willkür verwendet wird.
Gut, daß man dem auch mal entgegensteuert. Die Redefreiheit ist ein hohes Gut, das man in letzter Zeit immer öfter einschränkt. Wir müssen wieder an den Punkt kommen, an dem man frei reden darf, und dazu gehört eben auch, dumme Aussagen als dummes Geschwätz bezeichnen zu dürfen.