OLG München: Urheberrecht “kompliziert und unübersichtlich”
Wenn wir heute schon bei den juristischen Blog-Einträgen sind, machen wir noch einen Dritten. Während die ersten beiden von heute Schelte für Oberlandesgerichte enthielten, gibt’s diesmal ein Lob.
Wie Golem bzw. die Süddeutsche Zeitung berichten, hat das OLG München entschieden, daß das Urheberrecht so kompliziert und unübersichtlich ist, daß man von Eltern nicht verlangen kann, ihre Kinder darin einzuweisen. Zitat:
In diesem Fall komme doch nur ein Hinweis auf die Urheberrechtslage in Betracht. “Diese ist aber nach den ständig wechselnden Änderungen des Gesetzes derart kompliziert und unübersichtlich, dass von einem nicht auf Urheberrechtsfragen spezialisierten Mitbürger nicht erwartet werden kann, diese auch nur halbwegs richtig erläutern zu können”, sagte der Vorsitzende.
Sauber. Und ein Tritt in den Hintern des Gesetzgebers und der Interessengesellschaft, denn das Urheberrecht wird ja andauernd auf Druck irgendeiner Lobby umgestrickt, geändert, verschärft und mit Ausnahmen versehen. Endlich sagt es auch mal einer.
Unsere Gesetze sind längst so kompliziert und so vielen Änderungen unterworfen, daß man sie nicht mehr kennen und einhalten kann. Und man hat ja nicht nur mit dem Urheberrecht, sondern auch mit vielen anderen Gesetzen zu tun. Die Kommentarschreiber kommen oft kaum damit nach, ihre Bücher anzupassen. Noch schlimmer ist das Steuerrecht. Hoffentlich kommt irgendwann mal jemand zu dem Ergebnis, daß unsere Art der Gesetzgebung schlechthin verfassungswidrig und unzumutbar ist.
Bemerkenswert ist das auf jeden Fall. Denn gar zu oft entscheiden deutsche Richter so, daß der normaler Bürger sogar mehr wissen muß als der Jurist. Mir selbst ist es so passiert, als ich vor vielen, vielen Jahren mal Streit mit einer Bank hatte. Damals entschied ein Oberlandesgericht zu meinen Gunsten, und der Bundesgerichtshof hob das Urteil mit der Begründung auf, daß die Richter des Oberlandesgerichts das rechtlich nicht richtig beurteilen konnten – ich als zum fraglichen Zeitpunkt gerade mal 18-jähriger Schüler hätte die Sach- und Rechtslage aber sofort durchblicken können müssen – also viel mehr über Recht wissen müssen, als ein OLG-Richter.
Solche Entscheidungen erinnern mich immer an einen Fall, den ich mal in dem Buch “Furchtbare Juristen” (gerade nicht zur Hand) gelesen habe, in dem es über die Rolle der Justiz im Dritten Reich ging. Die Richter des Dritten Reichs, die reihenweise Todesurteile für Nichtigkeiten oder abweichende Meinungen verhängt hatten, sprach man reihenweise frei, weil sie innerhalb ihrer Sichtweite richtig gehandelt hätten und das Unrecht als solches nicht hätten erkennen können. Eine einfache Bauersfrau, die damals irgendwen im Sinne der damaligen Politik bei einem Gericht angezeigt hatte, verurteilte man hingegen. Ihr hielt man vor, daß sie hätte erkennen müssen, daß die Gerichte Unrechtsgerichte seien.
Ich weiß auch von einem Fall in einem Streit eines Autokäufers mit einer Bank, in dem sich die Bank einfach über geltendes Recht hinweggesetzt hatte. An sich hätte er Recht bekommen müssen, das Gericht entschied aber zugunsten der Bank und erklärte dazu, daß das Verbraucherkreditgesetz einfach keine Anwendung fände. Es war den Richtern zu kompliziert, sie haben es nicht verstanden, und deshalb einfach nicht angewandt. Sie meinten aber, daß der Autokäufer (Nichtjurist) habe genau erkennen müssen, wie der Vertrag rechtlich zu beurteilen sei.
Solche Urteile wie jetzt das des OLG München, das offen eingesteht, daß der Laie Gesetze weniger verstehen kann als der Jurist, sind leider keine Selbstverständlichkeit.