Ansichten eines Informatikers

Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten?

Hadmut
10.1.2009 1:27

Bloggen, Filmen, Youtube als fünfte Gewalt.

Früher war das mal so, daß die Presse die vierte Gewalt bildete. Die Presse hat inzwischen aber weit abgebaut, sie nimmt diese Funktion nur noch in viel zu geringem Umfang wahr. Ursachen sind die zunehmende Konzentration auf wenige Konzerne, den immer stärkeren politischen Einfluß gegen eine zu laute Presse, die durch die wirtschaftliche Entwicklung immer stärker vom Wohlwollen der Werbungskunden abhängig ist und sich weniger freiberufliche Mitarbeiter leisten kann, und eben den Zeitgeist und die veränderte Mentalität.

Interessanterweise gibt es eine neue, unvorhergesehene fünfte Gewalt, quasi die Open-Source-Variante der Presse, nämlich die Öffentlichkeit, die immer mehr Video-Handys in der Tasche hat und inzwischen über YouTube & Co. auch als einzelner Privatmann wirkungsvoll veröffentlichen kann. Damit ergibt sich ein fast omnipräsentes verteiltes Auge der Öffentlichkeit.

In den USA gibt es gerade heftig Ärger, weil ein Polizist auf seltsame Weise einen wehrlos am Boden liegenden und von mehreren Polizisten überwältigten Mann erschossen hat. Siehe z. B. Süddeutsche. Mehrere Leute hatten das mit Handys aufgenommen und auf YouTube gestellt. Die Szene sieht wirklich seltsam aus. Der Bewegungsablauf des Polizisten wirkt tatsächlich, als wollte er den in den USA quasi schon obligatorischen “Fangschuss” mit dem Taser setzen, und sei sich nicht bewußt, daß er die echte Knarre erwischt hat. So wie unsereinem es auch schon mal passiert, sich im Badezimmer statt Deo versehentlich Rasierschaum unter den Arm zu sprühen, falsche Dose erwischt, sieht ja so ähnlich aus.

Nun habe ich irgendwo gelesen, daß die Polizei direkt nach dem Vorfall versucht hat, sämtliche Handys zu beschlagnahmen. Angeblich hat man auch hinterher die Leute mit den Handys dafür kritisiert, weil sie “die Privatsphäre der Polizisten verletzten”.

Sehr bedenklich. In so einem Falle halte ich es für demokratisch dringend geboten, die Öffentlichkeit zu informieren. Es geht um Demokratie und Meinungsbildung. Ist es gewollt, daß Polizisten einfach mal drauflosballern und sich durch diese Taser angewöhnen, auch auf am Boden liegende einfach mal zu ballern? Siehe beispielsweise diesen Fall, in dem ein Student getasert wurde, weil er unerwünschte Fragen stellte. Es wird wohl zur Standardbewegung, bei Festnahmen den pistolenförmigen Taser zu ziehen und zu ballern.

Und deshalb sehe ich es auch so, daß in so wichtigen Fällen, insbesondere bei Todesfällen, die Privatsphäre des Polizisten hinter den Informationsanspruch der Öffentlichkeit zurücktreten muß.

Es ist allerdings eine Frage der Zeit, bis hier eine Zensur eingeführt wird und man es für strafbar erklärt, wenn man Polizisten während der Amtsausübung filmt. Ich habe so eine dunkle Erinnerung, daß es schon irgendwelche Länder gibt, in denen es verboten ist, Polizisten zu fotographieren. Mir fällt bloß nicht mehr ein, welche Länder das waren.

Allerdings will ich auch eingestehen, daß ich nicht Polizist in den USA sein wollte, weil die dort (und anderswo) einen ziemlich harten Job haben.

Trotzdem halte ich es für sehr gefährlich, daß man solche Aufnahmen unter den Tisch zu kehren versucht. Ich würde wetten, daß die ihre Handys später nicht ohne weiteres und mit den Daten wiederbekommen hätten.

2 Kommentare (RSS-Feed)

yasar
10.1.2009 12:25
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China z.B. Da kann man mächtig Ärger bekommen wenn man Polizisten filmt (Olympiade ist wieder vorbei).


Stefan
11.1.2009 5:16
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Haben die Fotokameras keinen Chip, den man schnell entnehmen und verschwinden lassen kann?
Oder kann man nicht die MMS schnell versenden, bevor das Gerät beschlagnahmt wird?

Die Bedenken, daß auf am Boden liegende Taserschüsse abgefeuert werden weil es ja nicht tötet – meistens – teile ich.
Solche Waffen verführen zu leichtfertigem Gebrauch. Wenn sie noch so gebaut sind, daß man sie mit scharfen verwechseln kann, dann ist aber noch mehr schief gelaufen.