China/Peking: Über die Flughafensicherheit
Und wieder gibt es eine neue Episode in der nie enden wollenden Serie Ich und die Flughafensicherheit. Heute: Flughafen Peking.
Normalerweise macht man seine Erfahrungen mit der Flughafensicherheit beim Abflug. Diesmal habe ich sie bei der Ankunft gemacht. Der Abflug von Deutschland aus war völlig normal und keiner Erwähnung wert.
Vor der Reise hatte das Reisebüro schon Muster mitgeschickt, wie man die diversen Einreiseformulare auszufüllen habe. In der Luft wurden dann auch die Haupteinreiseformulare ausgeteilt, mit der Ansage, daß da alles ganz streng sei und man sich keinen Schreibfehler und keine Korrekturen leisten dürfe, weil die Formulare elektronisch eingelesen werden, und wenn der Computer das Formular nicht lesen kann, hat man Pech gehabt (und müsse dort umständlich und langwierig so lange Formulare ausfüllen, bis eines akzeptiert wird). Statt des laut Reisebüro auszufüllenden Gesundheitsformulars gab es etwa eine dreiviertel Stunde vor der Landung eine Durchsage vom Band. Im wesentlichen des gleichen Inhaltes, nur mit dem Unterschied, daß man nicht ankreuzen muß, ob man an irgendetwas leidet, sondern daß man sich sofort bei der Crew melden müsse, wenn man Fieber, Niesen, Husten, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Atemnot, Geschlechtskrankheiten, AIDS usw. habe. Weil das aber eine von der Lufthansa selbst und auf Deutsch erstellte Durchsage war, an deren Ende noch einmal bekräftigt wurde, daß man sich bitte unbedingt und ganz genau an diese Anweisungen halten möge und dies äußerst wichtig sei, habe ich die Anforderung auch sehr ernst genommen.
Die Sache war die: Seit dem Abend vor dem Abflug hatte ich Dünnpfiff. Weiß der Kuckuck wovon, irgendwas gegessen, was wohl nicht mehr ganz OK war. Kommt halt ab und zu mal vor. Hatte dazu geführt, daß ich während des 10-stündigen Fluges zweimal auf Toilette war. Ansonsten nicht weiter schlimm (und war am nächsten Morgen auch schon wieder weg). Jedenfalls fühlte ich mich von der Ansage erfaßt. Was machen? Wem – außer dem Hausarzt und seinem Blog – vertraut man schon an, daß man Dünnschiß hat? Einfach die Klappe halten und durch? Also zog ich folgende Aspekte in Erwägung:
- Ich gebe mir Mühe, eine ehrlicher Mensch zu sein.
- Sie werden mich wohl nicht gleich hinrichten oder die Einreise verwehren.
- Vielleicht habe ich mir wirklich was eingefangen, was für mich harmlos ist, aber Leute mit anderem Immun-Kontext in ernsthafte Probleme bringen könnte?
- Ich habe mir zum Grundsatz gemacht, die Regeln, Sitten und Gebräuche eines Landes, das ich besuche, zu befolgen, und zwar nicht nur dann, wenn es mir Spaß macht. Wenn sie das so wollen, dann mache ich das so.
- Ich bin auf den bisherigen Reisen immer gut damit gefahren (und hatte teilweise sogar Vorteile dadurch), das Einreise-Gedöns wahrheitsgemäß auszufüllen und alles zu deklarieren, was zu deklarieren ist.
- Ich will keinen Ärger. Was macht weniger Ärger, Dünnschiß zu deklarieren oder dadurch aufzufallen, daß man falsche Angaben macht bzw. den Dünnschiß verleugnet?
- Ich würde es möglicherweise nicht verbergen können. Ich hatte beim Abflug mit Hinweis darauf dringend um einen Sitzplatz am Gang gebeten. Nachdem bekannnt ist, was die USA alles über die einreisenden Passagiere wissen wollen (einschließlich der gewählten Gerichte), wäre es nicht auszuschließen, daß das in meinen Flugpassagierdaten vermerkt wurde. Dann habe ich bei Reisen in Länder mit ungewohntem Essen (und bisweilen vielleicht fragwürdigen hygienischen Verhältnissen) stets eine Packung Tabletten gegen Durchfall im Koffer. Diesmal hatte ich mir vor dem Abflug noch Nachschub besorgt und im Handgepäck eine angebrochene Packung sowie im Koffer zwei Packungen Durchfalltabletten. Man weiß ja nie. Was, wenn sie die finden? Vor allem die angefressene Packung?
- Ich hatte mir China immer als drakonisch agierenden Überwachungsstaat vorgestellt, bei dem mir gleich irgendwelche humorlos-starren Beamtenschädel den Koffer penibel durchsuchen. Eine Korrespondenz mit dem Reisebüro hatte die Vorstellung bestärkt. Die Erwartung stellte sich als falsch heraus, das war dann alles sehr locker und freundlich, das wußte ich da aber noch nicht.
- Ich will’s wissen.
Also fragte ich den Steward – oder neudeutsch Flugbegleiter – unter diskretem Hinweis darauf, daß ich vorrübergehend etwas indisponiert sei – was mit Hinblick auf die Borddurchsage zu tun wäre. Laut Ansage müsse man sich bei der Crew melden, was ich hiermit getan hätte. Ähm, also das wisse er auch nicht so genau, er müsse da erst nachfragen.
Ein paar Minuten später kam er wieder. Er habe das mit der Purserin und dem Kapitän besprochen. Der Kapitän habe per Funk die chinesischen Behörden verständigt, die notwendigen Maßnahmen würden bereits getroffen. Ich fühlte förmlich, wie ich grün im Gesicht wurde. Jetzt gab es kein zurück mehr.
Kurz nach der Landung wurde mir gesagt, daß ich zunächst in der Bordküche warten müßte und das Flugzeug nicht verlassen dürfe. O je. War die China-Reise schon vorbei bevor ich überhaupt aus dem Flugzeug war? Warum sagen die vom Reisebüro einem das nicht, statt einem Muster zu schicken, was man ankreuzen solle?
Während die anderen Passagiere noch ausstiegen, ging’s dann los. Ein ganzer Trupp rückte an: Polizei, Notärztin, mindestens zwei Krankenschwestern, ein Typ, der einen riesigen Notarztkoffer trug, ein weiterer Typ, der einen Rollstuhl schob, und ein Dolmetscher kamen da an und fragten auf englisch, wo denn der Kranke sei.
Ich verbeugte mich in asiatischer Höflichkeit, lächelte, bedankte mich (wofür auch immer), und stellt mich vor. Der Steward erläuterte dazu, daß ich der besagte Passagier sei. Sie guckten zunächst etwas ungläubig. Offenbar hatten die einen erwartet, der da von Krämpfen geschüttelt am Boden lag und kurz vor dem Abnippeln war. Sie erkundigten sich genauestens, worin meine gesundheitlichen Beschwerden lägen. Ich erläuterte dies in möglichst mildem Englisch, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß es mir im Großen und Ganzen sehr gut ginge, ich nur eben vorrübergehend etwas, na, wie soll ich sagen, öfter zum Klo muß. Nichts schlimmes. Aus Respekt vor den Gesetzen des Landes sei es mir aber ein Bedürfnis, diese genauestens einzuhalten. Sie konnten mir nicht ganz folgen. Was für Gesetze? Na, meinte ich, diese Durchsage im Flugzeug, daß man sich unbedingt melden müsse. Weil das so verlangt wurde, habe ich das befolgt. Der Steward bekräftigte dies. Auch die Lufthansa halte sich selbstverständlich genauestens an die Vorschriften. Polizist und Notärztin guckten sich fragend an. So mit dem Gesichtsausdruck “Wovon reden die da eigentlich?”
Man kam nach kurzer Diskussion zu dem Ergebnis, daß die jetzt nicht wegen Vorschriften da sind, sondern ausschließlich, um mein körperliches Wohlergehen sicherzustellen. Alle guckten mich von oben bis unten an, ob ich einen gesunden Eindruck mache und stellten noch ein paar medizinische Fragen, obs mir auch wirklich gut ginge. Ja. Naja, meinten sie, dann sei ja fast alles in Ordnung. Dann müssten sie jetzt noch einen Einsatzbericht ausfüllen, derweil die Notärztin noch wissen wollte, welche Bordtoilette ich benutzt habe, um die Krankenschwestern dann dorthin zu schicken. Keine Ahnung, wozu, Duftprobe nehmen, desinfizieren, ausbrennen… Die Sitznummer haben sie sich auch aufgeschrieben. Was es eben so braucht, um Infektionsherde einzugrenzen.
Für mich war die Sache damit erledigt, und ich war der letzte im Flugzeug, nur die Reinigungsmanschaft war da. Als ich dann rausging, stand die gesamte Crew einschließlich der Piloten lachend im Gang Spalier.
Schon lange würden sie diese Durchsage abspielen, und sie seien sich ziemlich sicher, daß bei jedem Flug geschätzte 50 Passagiere unter Dünnpfiff litten. Aber keines der Crew-Mitglieder könne sich erinnern, daß sich jemals jemand gemeldet habe. Ich sei der erste gewesen. Und sie wollten schon immer mal herausfinden, was eigentlich passiert, wenn sich einer meldet. Jetzt wissen wir’s. Die Ansage muß man jedenfalls so verstehen, daß schon bei leichten Anzeichen die Meldung verlangt wird.
Was bleibt ist der (positive!) Eindruck, daß ich mich von einem falschen Bild habe leiten lassen. Ich hatte da solche kommunistischen Betonschädel erwartet, die mich wie zu besten Ostblock-Zeiten komplett zerlegen und filzen und nur einen Vorwand suchen, um mich in eine Bürokratiemühle einzuspannen. Gekommen sind sehr freundliche, hilfsbereite, normale Leute, die sich nicht für Bürokratie interessierten, sondern ausschließlich um meine Gesundheit besorgt waren und mir helfen wollten. Ein Eindruck, der sich während der Reise bestätigte.
So habe ich etwas über China gelernt und mein Bild korrigiert, noch bevor ich aus dem Flugzeug gestiegen war.
Übrigens war die Einreise völlig unkompliziert und einfach: Kurze Paß- und Visumskontrolle, fertig. Kein Mensch wollte noch was von mir, keinerlei Kontrolle, am grünen Zolldurchgang (nothing to declare) stand nicht mal direkt jemand, die haben das nur aus etwas Entfernung beobachtet. Überhaupt nichts von dem, was ich eigentlich erwartet hatte. Wie ich allerdings später erfahren habe, waren meine Erwartungen nicht falsch, sondern veraltet. Noch vor wenigen Jahren sei es nämlich wirklich so gewesen, und da herrschte noch die Sichtweise, daß alle Langnasen außer Honecker und den Russen dekadent und Spione seien.
Zum Vergleich: In den USA, die immer so auf Demokratie und Bürgerrechte pochen, ist die Einreise sehr viel schwieriger und überwachungsträchtiger. Da wollen sie alles wissen, fragen einen aus, fotographieren einen, nehmen die Fingerabdrücke, wollen von der Fluggesellschaft alle möglichen Daten, wollen vorab eine Erklärung, daß man auf Rechtsmittel verzichtet usw. usw. Abgesehen von der Notwendigkeit, vorher ein Visum zu beantragen, war die Einreise nach China völlig einfach und problemlos, von der Dünnpfiff-Sache abgesehen wollte kein Mensch was von mir. Das muß man mal so zur Kenntnis nehmen.
Bei der Ausreise gab’s dann auch noch ein Aha-Erlebnis. Die Ausreise war ebenso unkompliziert und einfach wie die Einreise. Drei Besonderheiten sind mir dabei aufgefallen:
- Der Schalter der Paßkontrolle sah im Prinzip so aus wie in Deutschland oder an jedem Flughafen auch. An der Vorderseite war jedoch ein Kasten mit einer Digitalanzeige und vier Knöpfen angebracht, offenkundig so, daß er durch die Reisenden bedient werden sollte, aber keiner kümmerte sich um das Ding. Ich hab’s mir näher angesehen. Man sollte durch die vier Tasten (von “sehr gut” bis “sehr schlecht”) angeben, ob sich der Beamte von der Paßkontrolle gegenüber dem Reisenden auch freundlich, höflich und zuvorkommend benommen habe.
Holla. Wo gibt’s denn sowas? Der angeblich so drakonische Überwachungsstaat fragt jeden einzelnen Passagier, ob der Beamte sich auch wirklich freundlich und zur Zufriedenheit verhalten habe? Ich staune immer mehr. Freilich könnte man das jetzt auch so auslegen, daß nun der Beamte unter der Überwachung und dem Freundlichkeitsdruck leidet. Verschwörungstheoretiker und Datenschützer könnten einwenden, daß man so ja herausfinden könnte, welcher Reisende es wagt, Unzufriedenheit zu äußern und damit als potentieller Kritiker in Betracht kommt. Mir kam es aber ehrlich vor. Und ich habe “Sehr gut” gedrückt, denn das stimmte.
- Soweit ich mich erinnern kann, bin ich zum ersten Mal an einem Flughafen in der Sicherheitskontrolle von einer Frau abgetastet worden. Nicht, daß mich das stören würde. Im Gegenteil, es ist mir angenehmer. Und letztlich eigentlich egal. Aber es ist mir eben – angenehm – aufgefallen, daß dort nicht dieses strikte Geschlechtertrennungsschema herrscht. Ob das jeder so sieht, weiß ich nicht. Und ob Frauen dort auch von Männern abgetastet werden, habe ich nicht gesehen.
- Man mußte noch durch einen Schalter durchgehen, an dem zwar Leute konzentriert auf einen Monitor sahen, bei dem man augenscheinlich aber einfach offen durchging, ohne daß irgendwer etwas von einem wollte. So etwas habe ich noch nie an einem Flughafen gesehen. Seltsam, wozu soll das gut sein?
Dann fiel mir das Schild auf, daß man wegen der Temperaturmessung bitte langsam und einzeln durchgehen sollte. Temperaturmessung? Das muß ich mir genauer anschauen.
Über dem Schalter waren Wärmebildkameras installiert, die auf die Personen gerichtet waren, die da durchliefen. Auf dem Bildschirm wurde ein Wärmebild in Temperaturfalschfarben angezeigt. Eine Bilderkennungssoftware erkannte, wo im Bild Menschen herumliefen und zeigte (wohlgemerkt in Echtzeit und bewegt mitwandernd) über dem Kopf jedes Menschen die Körpertemperatur in Grad Celsius an. So erkennen die sofort, wer Fieber hat und potentiell Krankenheiten rausschleppt. Wow. (Ob die Kamera dann auch anzeigt, wer da mit Dünnschiß rumläuft, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, aber früher oder später werden sie sowas auch haben.)
Nachtrag: Kleine Korrektur. Im Vergleich stimmt es nicht, daß man bei der Einreise nach China nicht fotographiert wird. Man muß auf den Visumsantrag ein Passfoto kleben. Hatte ich vergessen.
7 Kommentare (RSS-Feed)
Ouh, böse Frage. Mir fiele da so allerhand ein. Aber das ist der falsche Zeitpunkt. Und die Luft ist mir in diesem Punkt gerade zu bleihaltig, zumal das meine berufliche Tätigkeit zu sehr betrifft.
Ja, das ist krass mit den Wärmebildkameras. Die gibts auch am Grenzübergang Hong Kong/Shenzhen. Die sind glaube ich noch aus SARS-Zeiten, immerhin sind damals da wirklich Leute gestorben an der Krankheit, bzw. haben Langzeitschäden davongetragen.
Ich wurde da mal nach der Passkontrolle gebeten, doch im Übergangsbereich zu warten. Dann kam nach einer Minute ein höherer Beamter, hat mein Passbild und mein Gesicht _ganz_ _genau_ angeschaut und dann durfte ich passieren 🙂
Ich könnte mir auch vortsellen, daß man mit den Wärmebildkameras auch andere Sachen entdecken kann außer der Körpertemperatur. Insbesodnere Sachen unter der Kleidung, deren Wämelleitfähigkeit von der der Kleidung und des Körpers abweicht. (Plastik, Papier,Metall, etc).
Ich hatte mich beim Lesen schon gefragt, ob Dir das mit den Wärmekameras entgangen war. Ansonsten habe ich auch keine besonderern Erlebnise bei den vielen Einreisen und Ausreisen in China gehabt, ausser dass es schnell und korrekt zuging (und es weniger Chaos als in Frankfurt gab).
Nur einmal hat der Zoll bei der Einreise zwei Tennisbälle, die ich immer zum Auto-Einrenken bei mir trage, genau untersucht. Da die Mädels vom Zoll das Problem allerdings scheinbar kannten, konnte ich das Aufschneiden noch noch verhindern. Das war aber während der Olympiade, mit den verschärften Sicherheitsbestimmungen.
Auto-Einrenken??? Was ist das denn?
Mir springen öfter mal die Wirbel raus. Da das immer an der gleichen Stelle ist und Taubheit im Arm damit einhergeht, habe ich immer 2 Tennisbälle bei mir. Die positioniere ich rechts und links der Wirbelsäule, rolle etwas darauf rum und schon sind die Wirbel wieder da, wo sie hingehören. Das kann man im Flugzeugsitz machen, leichter funktioniert es jedoch auf dem Boden.
Der Tipp kommt von einem Physiotherapeuten. Klappt ganz gut. Er hat das Auto-Einrenken genannt – ein Fachbegriff ist das sicher nicht.
Sehr nett geschrieben 🙂
Wann kommt was zu Tauss und von der Leyen?