Ansichten eines Informatikers

Hausdurchsuchungen wegen Wikileaks bzw. Kinderpornosperrlisten

Hadmut
26.3.2009 22:44

Bedenkliche Sachen gehen da vor sich.

Da wurde bei dem Inhaber einer deutschen Domain eine plötzliche Hausdurchsuchung vorgenommen, weil er auf einen Server weiterleitet, auf dem die australische Sperrliste aufgetaucht war (die ja angeblich auch noch eine Fälschung sein soll). Näheres findet man hier, hier und hier, letzteres sogar von einem Rechtsanwalt direkt erstellt.

Einiges finde ich daran beunruhigend, besonders das:

  • Seit es eine Diskussion bzw. die Aktivitäten der Minister um die Kinderpornographiesperre gibt, ist die Sperre Gegenstand der politischen Meinungsbildung und der Gesetzgebung. Und damit sind auch Meinungen darüber durch die Meinungsfreiheit geschützt. Gerade dann, wenn es an der Qualität der Listen Zweifel gibt, etwa daß auch Seiten darauf gelistet sind, die längst nicht mehr existieren oder nichts mit Kinderpornographie zu tun haben, ist es auch meinungsbildend, darauf hinzuweisen, und damit auch, es zu belegen.

    In meinen Augen liegt in einer solchen Hausdurchsuchung schon eine sehr weitgehende und gefährliche Einschränkung der Meinungsfreiheit.

  • Böse ist auch, daß die Polizei – angeblich – versuchte, das Passwort für die Domainadminstration zu erlangen und zu ändern. Fragt sich, wo da die Rechtsgrundlage liegen soll.

    Das sollte man näher untersuchen.

  • Äußerst fragwürdig ist auch, daß die Hausdurchsuchung – angeblich – ohne Durchsuchungsbefehl erfolgt ist. Sowas geht nur bei Gefahr im Verzug. Und die lag hier ganz eindeutig nicht vor.

    Ich habe es zwar nicht zur Hand, aber vor einigen Jahren hat das Bundesverfassungsgericht einmal entschieden, daß bei Hausdurchsuchungen usw. Gefahr im Verzuge nur dann vorliegen kann, wenn die Einholung eines richterlichen Beschlusses den Zweck vereiteln würde. Sowas gilt beispielsweise, wenn die Polizei einen Verbrecher auf der Flucht sucht, der später vielleicht das Haus schon verlassen hätte. Aber nicht hier. Während der normalen Gerichtsarbeitszeiten gibt es fast keine Gefahr im Verzuge. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Polizei keinen Beschluß hatte und wieso die Durchsuchung unmöglich oder zwecklos gewesen wäre, wenn sie eine Stunde später gekommen wären.

    Das riecht ganz böse nach Rechtsbruch und Einschüchterung.

2 Kommentare (RSS-Feed)

qbi
26.3.2009 23:41
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Das Aktenzeichen ist 2 BvR 1114/05. Ich hatte es in meinem Artikel zur
Durchsuchung verlinkt:
http://kubieziel.de/blog/archives/1087-Hausdurchsuchung-bei-Eigentuemer-von-wikileaks.de.html


Hadmut
26.3.2009 23:45
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Eigentlich nicht das, was ich meinte, weil ich schon Anfang der 90er Jahre jemanden im Zusammenhang mit einer unzulässigen Hausdursuchung darauf hingewiesen hatte, während diese Entscheidung von 2005 stammt. Sie haben aber einfach wieder ähnlich entschieden.